Wenn durch Erwärmungs-Dürre ohnehin empfindliche Flächen für Ackerbau und Herdenvieh verloren gehen, können die betroffenen Menschen noch eine Weile versuchen, durch Landteilungen und die Nutzung bisher brachliegender Böden ernsthaften Konflikten auszuweichen. Geht die Verödung aufgrund anhaltender Erwärmung weiter, kommt es zu Reibungen, Vertreibungen und dabei auch zu Tötungen.
Dieses prinzipiell einleuchtende Szenario wird vor allem auf die Sahelzone südlich der Sahara angewendet. Von dort wird in der Tat abgewandert und in dem Territorium wird bereits so heftig gekämpft, dass mit MINUSMA im April 2013 eine Allianz westlicher Soldaten in das von den Kolonialherren bereits in 1970er Jahren geräumte Territorium zurückkehrt. Fast 15.000 Soldaten und Polizisten sind im Einsatz. Obwohl die USA fast die Hälfte der Einheiten stellen, stehen auch einheimische Kräfte an der Front. Die deutsche Bundeswehr ist im August 2018 mit knapp 900 Mann vor Ort. Nur in Afghanistan, wo man – durch Entscheidung der damaligen Schröder-Fischer-Regierung – seit 2001 mitkämpft, ist sie mit 1.200 Mann noch stärker vertreten.
Menschengemacht
Nun erweisen klimahistorische Forschungen, dass die Sahelzone seit Jahrtausenden von Dürreperioden heimgesucht wird. Sie sind mithin unstrittig, aber sie kommen und gehen. Der jüngste Höhepunkt wird um 1985 erreicht – fast dreißig Jahre vor dem MINUSMA-Einsatz. Überdies zeigen geographische und geologische Recherchen, dass sich die Sahara „keineswegs nach Süden ausgedehnt hat. Stattdessen hat übermäßige Nutzung die Böden ausgelaugt.“
Doch auch die Geologen können die massiven Fluchtbewegungen sowie die härter werdenden militärischen Konflikte nicht in Abrede stellen. Allerdings bleiben sie selbst den beteiligten Soldaten rätselhaft. Ein amerikanischer Kommandeur verspürt immerhin die Aussichtslosigkeit der politisch vorgegebenen Ziele: „Versuche zur Eindämmung des Dschihadismus durch das Töten aufständischer Führer funktionieren offensichtlich nicht: Bauen wir nur Sandburgen bei Ebbe?“ (*)
Menschengemacht – aber demografisch
Was aber schleift diese Burgen, wenn es das Klima nicht ist? Die Hauptkampfgebiete in Mali, Niger und Burkina Faso verzeichnen zwischen 1950 und 2019 einen Bevölkerungsanstieg von zehn auf über sechzig Millionen Einwohner. 2050 sollen sie bei 130 Millionen stehen. Nimmt man Tschad und Kamerun als ebenfalls terrorbetroffene Nachbargebiete hinzu, geht es zwischen 1950 und 2019 von 18 auf 105 Millionen (Zahlen aus Worldometers 2019).
Aufgrund ihrer schieren Menge sind auch die friedfertigsten Sahelanwohner genötigt, durch Überweidung und Denaturierung der Böden die Lebensgrundlage für alle zu gefährden. Das führt zur Verdrängung der Schwächeren durch die Stärkeren. Hätte Deutschland seit 1950 (70 Millionen) ein solches Wachstum vorgelegt, stände es heute nicht bei 83, sondern bei fast 410 Millionen Einwohnern. Sorgen um eine Übernutzung der landwirtschaftlichen Flächen würden dann wohl auch hier geäußert. Und wer weiß, ob der Frieden hielte bei knapp 70 Millionen deutschen Jünglingen im besten Kampfalter zwischen 15 und 29 Jahren.
Menschengemacht – aber demografisch und nicht klimatisch
Welthistorisch stehen klimatisch verursachte Verwüstungen außer Frage. So war die Sahara in der überschaubaren Vergangenheit dreimal längerfristig grün. Momentan wird eine solche Entwicklung nicht prognostiziert. Aber auch ihre Ausdehnung mit bedrohlichen Folgen für die Anwohner steht nicht an. Das Problem der Sahelzone ist ganz unstrittig menschengemacht, aber demografischer und nicht klimatischer Natur.
Gunnar Heinsohn (*1943) lehrt seit 2011 Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC) in Rom. In Stavanger hat er 2018 die Grundsatzrede zum 15. Geburtstag des Joint Warfare Center (JWC) der NATO gehalten.
(*) Economist (2019), «The West’s new front against jihadism is in the Sahel », in: The Economist, 4. -11. Mai 2019