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Sachsen

AfD darf zur Landtagswahl mit 30 statt 18 Listenkandidaten antreten, aber nicht mit allen 61

Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat heute seine vorläufige Entscheidung bestätigt, dass die AfD mit 30 statt mit 18 Kandidaten antreten darf.

© Getty Images

In Sachsen darf die AfD nur mit 30 Kandidaten zur Landtagswahl antreten. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat heute, Freitag, seine vorläufige Entscheidung bestätigt, nach der der Landeswahlausschuss rechtswidrig gehandelt habe. Vor drei Wochen hatte der Gerichtshof in einem von der AfD angestrengten Eilverfahren der Partei teilweise recht gegeben und entschieden, dass die Partei mit 30 statt mit 18 Kandidaten antreten darf.

Wie berichtet, hatte der Landeswahlausschuss Sachsen am 5. Juli die Bewerber der AfD auf den Listenplätzen 19 bis 61 gestrichen und von der Liste nur die ersten 18 Plätze zugelassen. Zwei Drittel der Bewerber hätten nicht zur Wahl gestanden. Begründet hatte der Ausschuss seine überraschende Entscheidung einmal damit, dass die Partei ihre Kandidaten auf zwei Terminen im Februar und März gewählt hatte.

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Die Vorstellung der Kandidaten und die Diskussionen fielen sehr ausführlich aus und dauerten lange, so dass die Versammlung seinerzeit unterbrochen und bei einem zweiten Termin im März fortgesetzt wurde. Die neue Vorsitzende des Landeswahlausschusses war der Auffassung, das es sich um zwei getrennte Versammlungen gehandelt habe. Sie sah deshalb die Chancengleichheit aller Bewerber nicht mehr als gegeben an.

Dem widersprach die AfD und wies auf einer Pressekonferenz darauf hin, dass die zweite Versammlung nur die Fortsetzung der zeitlich unterbrochenen ersten Versammlung gewesen sei. Dies wurde auch im Protokoll festgehalten, alle Teilnehmer der Versammlung waren darüber informiert und niemand legte Widerspruch ein. Formal habe die Partei korrekt gehandelt.

Der Landeswahlausschuss sieht ferner die Chancengleichheit aller Bewerber dadurch beeinträchtigt, dass  die Bewerber auf den ersten 30 Plätzen der Landesliste einzeln vorgestellt und gewählt wurden. Dagegen wurde aus Zeitgründen über die Kandidaten auf den Plätzen 31 bis 61 in einem sogenannten Blockwahlverfahren abgestimmt.

Dem schloss sich der Verfassungsgerichtshof in Leipzig an und verkündete in seinem Urteil weiterhin, dass die Listenplätze 31 bis 61 gestrichen werden.

Jörg Urban, der Vorsitzende der AfD Sachsen, erklärte, das Gericht habe aufgezeigt, wie grob fahrlässig der Landeswahlausschuss entschieden habe. Der Prozessbevollmächtigte der AfD, Professor Michael Elicker, sagte, man habe bei der Streichung der Landesliste eine »Situation geschaffen, die verfassungsfern ist«.

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In jedem Fall will die Partei nach der Landtagswahl eine Beschwerde beim Wahlprüfungsausschuss des Landtages einlegen. Sie will zudem einen Untersuchungsausschuss einsetzen lassen, um den bewussten Rechtsbruch aufzuklären. Urban: »Was hier passiert ist, ist ein ganz dramatischer Vorgang. Hier hat nämlich ein Rechtsbruch stattgefunden.« Er kündigte eine Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen die Landeswahlleiterin an sowie gegen die Mitglieder im Wahlprüfungsausschuss. Carolin Schreck, die Landeswahlleiterin, ist erst zu Jahresbeginn in Sachsen als Präsidentin des Statistischen Landesamtes eingeführt worden. In dieser Funktion ist sie gleichzeitig neue sächsische Landeswahlleiterin. Beobachter gehen davon aus, dass eine Leiterin des Ausschusses eine solch weitreichende Entscheidung nicht allein getroffen haben wird.

Die Auseinandersetzung kann zur Folge haben, dass die Landtagswahl in Sachsen wiederholt werden müsste. Der neu gewählte Landtag könnte die Wahl am 1. September teilweise oder ganz für ungültig erklären, wenn die Verteilung der Sitze beeinflusst worden sein sollte.

Dazu schrieb uns der Verfassungrechtler Dietrich Murswiek: „Oberstes Prinzip der Auslegung von Wahlrechtsvorschriften muss die Verwirklichung des Demokratieprinzips sein. Dazu gehört das demokratische Gleichheitsprinzip, das bei der Verhältniswahl die Zuteilung derjenigen Parlamentssitze erfordert, die dem Anteil an Wählerstimmen entsprechen, welche die Partei erzielt hat. Wenn es Formvorschriften gibt, die mehrdeutig sind, müssen sie so ausgelegt werden, dass ihre Anwendung dem demokratischen Gleichheitsprinzip möglichst genau entspricht. Wahlrechtliche Formvorschriften dienen dazu sicherzustellen, dass alle Anforderungen an eine demokratische Wahl (insbesondere die Beachtung demokratischer Regeln bei der Kandidatenaufstellung) beachtet werden. Sie dürfen nicht so ausgelegt werden, dass im Ergebnis die Chancengleichheit der Parteien und die demokratische Repräsentation der Wähler im Parlament beeinträchtigt werden.“

Verkürzt: Formalien sind nicht um der Formalien willen einzuhalten, sondern um dem Demokratieprinzip Geltung zu verschaffen. Formalien vorzuschieben, um eine Partei auszusperren, ist sicherlich nicht im Sinne der Gesetzes. Es geht um die Verwirklichung des Wählerwillens.

 

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