Zu beneiden ist Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte jedenfalls nicht. Als parteiloser Chef der 65. Regierung, einer Koalition der Cinque-Stelle (Fünfsterne-Bewegung) und der Lega, auch als Mitte-Rechts-Bündnis bekannt, muss Conte wohl demnächst das Ende dieses Kabinetts bekannt geben. Wenn sich die Leader beider Parteien nicht doch noch einmal zusammenraufen.
Es war von Beginn an die Verlobung eines ungleichen Paares (von Hochzeit hätte man gegebenenfalls zur Hälfte der Regierungszeit von fünf Jahren reden können), das nur zusammenfand, weil beide Partner von der Romantik der Macht zu regieren angetan waren. Und nun, nach knapp über einem Jahr, zerren beide dermaßen an den Enden der gemeinsamen Bettdecke, dass einer sicher frieren wird: wahrscheinlich die Bewegung der Gelben Sterne von Gründer Beppe Grillo und Vize-Premier Luigi di Maio.
Immerhin, in Fragen der Wirtschaft und Ökonomie, bei der Vereinfachung der Steuerberechnungen für die Haushalte (mit einer Art Flat-Tax; um eine Einigung debattiert man noch), einer Umstrukturierung und Beschleunigung der Justiz mit ihren Urteilsverkündungen, war man meist mit der Lega einig. Zumindest Di Maio. Aber bei der Fünfsterne-Bewegung brodelte es intern dennoch zu oft, weil, so die Meinung, man Salvini gegenüber zu viele Zugeständnisse mache, ihm das Flüchtlings- und Sicherheitsthema komplett überlasse.
Nach Salvinis Meinung kämen vom Koalitionspartner zu viele Bedenken und Bremsen, zu viel „No“. So könne die Lega und Salvini jedoch nicht arbeiten. Dass Salvini von der linken Opposition angegriffen werde, nun, das sei normal, es würde ihn eher wundern, wäre es nicht so. Aber vom eigenen Partner ständig attackiert zu werden, das schlauche schon, gab Salvini zuletzt auf überfüllten Plätzen immer wieder offenherzig von sich.
Nun, woran also genau hat sich diese abermalige Krise entzündet? Wir erinnern, dass Giuseppe Conte bereits vor gut acht Wochen in einer Fernsehansprache beide Parteiführer zur Geschlossenheit mahnte, mehr zu arbeiten an den Projekten – und mehr miteinander statt übereinander zu reden.
Italien müsse wieder wirtschaftlich die Binnenkonjunktur ankurbeln, Arbeitsplätze garantieren und noch mehr Infrastruktur schaffen: vor allem schnellere und sicherere. Luigi Di Maio verhielt sich oft zu unbestimmt, während seine Partei sich mehrheitlich auf die Seite der Gegner stellte: besonders Danilo Toninelli, der Verkehrsminister.
Ergo war der Auslöser für die Krise in der ohnehin angespannten Koalition das Votum der Fünf Sterne vorgestern im Senat gegen das Bahnprojekt, das die Lega von Salvini befürwortet: ein Affront in Salvinis Augen und ein Zeichen von Schwäche einerseits, aber andererseits auch ein Angriff auf Salvini.
Es folgten viele Gespräche im Nachgang, Matteo Salvini konsultierte Conte und teilte ihm wohl mit, so könne es in der Regierung kaum weiter gehen. Das Vertrauen sei zerstört. Regierungschef Giuseppe Conte kam auch mit Staatspräsident Sergio Mattarella zusammen. Beratungen gab es außerdem mit Sterne-Chef Luigi Di Maio. Alle warteten auf eine Entscheidung Salvinis, hieß es in Rom.
Der Legachef wiederholte, dass es nichts bringen würde, mit Verlängerungen der Diskussionen und täglichen Angriffen so weiterzumachen. Allerdings, Salvini berät sich noch, Forderungen an Conte, gar seine Minister abzuberufen, waren übereilte Meldungen in der erhitzten Sommerzeit, der heiße und eiserne 15. August, Ferragosto, ist der italienische Feiertag im Urlaub.
Sicher ist jedoch auch, Salvini kann nicht allein über Neuwahlen entscheiden. Wollen beide Partner nicht mehr zusammen, ist der Staatspräsident gefragt. Der könnte alle Möglichkeiten sondieren, ob eine andere Mehrheit im Parlament zustande käme. Im Parlament haben die Fünf Sterne immer noch die Mehrheit der Abgeordneten.
Hinzu kommt, beide Koalitionäre, die Lega auch mit dem Rückenwind der Umfragen und des hervorragenden Europawahl-Ergebnis, sollten im Herbst zudem den Haushaltsentwurf präsentieren. Ob es dazu noch kommt? Salvini habe Conte wohl gesagt, es sei an der Zeit, anzuerkennen, dass die Bürger eben zur Neuwahl wollen. Giuseppe Conte wiederum, stets umsichtig, meinte, Salvini solle doch dem Senat erklären, weshalb er die Regierungsarbeit aussetzen wolle.
Eines scheint auch klar zu sein, Conte schätzt Di Maio und Salvini – sie waren angetreten, um Italien zu verändern nach Jahren der Stagnation. Die Bürger dürfen noch hoffen, dass die Parteien zueinander finden. Schließlich, so rief Salvini den Leuten zu, „Ihr bezahlt mich dafür, dass ich meinen Job mache …“. Ob alleine oder mit den anderen, ließ Salvini jedoch offen.