Auch der ehemalige FIFA-Generalsekretär Urs Linsi ist wegen Betrug angeklagt. Genauer: Mit ihm seien Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Horst R. Schmidt daran beteiligt gewesen, das Organisationskomitee der Fussball-WM 2006 in Deutschland «arglistig über den eigentlichen Zweck einer Zahlung in der Höhe von rund 6,7 Millionen Euro getäuscht» zu haben.
So etwas lässt sich ein deutscher Fussball-Funktionär von einem Schweizer Ankläger natürlich nicht bieten, wo kämen wir da hin? «Unsägliches Verfahren», keift Niersbach, «diese ganze Schweizer Kampagne ist desolat, bösartig und wird völlig scheitern», legt Theo Zwanziger noch einen drauf. «Das Ganze ist inzwischen längst ein Justizskandal», kann der 74-jährige Zwanziger nicht an sich halten. Erinnert in seiner Diktion etwas an die frühen Dramen von Schiller, wo auch alle mit Schaum vor dem Mund sprachen.
Zwanziger war noch nie ein Kind von Traurigkeit, was Auseinandersetzungen betrifft. Unvergessen seine erbitterte Fehde gegen den Sportjournalisten Jens Weinreich. Der hatte in einem Blog die Majestätsbeleidigung gewagt, Zwanziger als «unglaublichen Demagogen» zu bezeichnen. Nachdem Zwanziger und der DFB vor Gericht gezogen und dort unterlegen waren, zeterte der DFB mit einer Pressemitteilung weiter. Bis diverse Journalistenverbände Mässigung forderten und sich Weinreich über eine ungeahnte Einschaltquote freuen durfte.
Nun will sich Deutschland natürlich nicht die Erinnerung an das Sommermärchen von 2006 von sicherlich neidischen Kuhschweizern kaputt machen lassen. Glücklicherweise konnte sich der Kaiser Franz Beckenbauer weiteren juristischen Übergriffen entziehen. Der ehemalige Sportler ist in einem gesundheitlich dermassen delikaten Zustand, dass ihm die Belastung eines Prozesses auf keinen Fall zugemutet werden kann. Jede Form von Aufregung könnte den inzwischen offenbar matten Kaiser umbringen.
Wäre ja auch der Gipfel, sein Ansehen in den Schmutz ziehen zu wollen, bloss weil er halt immer alles gutgläubig unterschrieb, was man ihm hinhielt. Wohl auch die Vaterschaftsanerkennung bei einem ausserehelichen Kind, aber das wäre wieder eine andere Geschichte. Das löst in Bayern sowieso nur ein «A Hund isser scho» aus, das weiss auch die CSU-Grösse Stammel-Horst Seehofer.
Nun, bei dieser Affäre geht es schlichtweg darum, dass natürlich auch Deutschland, wie es bei der Vergabe von Weltmeisterschaften Brauch ist, nachgeholfen hat, damit das Sommermärchen in Deutschland stattfinden konnte. Von all dem Gemurkse, Geschmiere und Geschacher ist 13 Jahre danach nicht mehr viel übrig geblieben, außer eben diese Anklage.
Zwanziger, der im Jahre null des deutschen Rechtsstaats, nämlich 1945 zur Welt kam, entblödet sich sogar nicht, sich zur Aussage zu versteigen, dass diese Anklage «mit rechtsstaatlichem Vorgehen nichts zu tun» habe. Was damals nötig war, um die Fussball-WM nach Deutschland zu holen, kann doch heute kein Anlass für Strafverfolgung sein. Und erst noch wegen läppischen 6,7 Millionen. Da ist man sich in Deutschland doch ganz andere Zahlen gewohnt, wenn es ums Schmieren geht.
Und überhaupt, wenn schon, müsste doch der Kaiser erklären, wie denn seine Unterschrift auf die verschlungenen Wege geriet, auf denen diese Millionen hin- und hergeschaukelt wurden. Aber, das ist offenkundig, dass es die Schweizer wagen, einen deutschen Anwalt, Parlamentarier, Regierungspräsidenten und unantastbaren ehemaligen Vorsitzenden des Deutschen Fussballbunds anzufassen, das macht ihn ganz fuchtelig. «Was massen sich die Schweizer an?», fragt Zwanziger fassungslos, nachdem der Bürger eines doch im Vergleich noch sehr, sehr jungen Rechtsstaats den Eidgenossen Rechtsstaatlichkeit rundweg aberkannte.
Aber mit seinen Zweifeln ist Zwanziger nicht ganz alleine. Auch der deutsche Innenminister Horst Seehofer denkt daran, im Grenzverkehr mit der Schweiz wieder verstärkt Abwehrbereitschaft zu signalisieren. Anlässlich der Mordtat im Frankfurter Hauptbahnhof will Seehofer «intelligente Kontrollen» einführen, «auch unmittelbar an der Grenze». Das finden die Eidgenossen überhaupt nicht komisch. Ein Vertreter der Schweizer SVP zetert: «Wenn die Schweiz jetzt verantwortlich sein soll für die innerdeutsche Sicherheit, verdreht Herr Seehofer die Realität.» Auch diese Behauptung ist etwas realitätsfern; zusätzlich lustig, weil sich gerade die SVP sonst für die strikte Überwachung der Grenzen einsetzt.
Weil es diese Alpentrottel aber wagen, einen Deutschen, Pardon, einen DEUTSCHEN wegen allenfalls in DEUTSCHLAND begangenen Vergehen nicht vor einem DEUTSCHEN Gericht, sondern in der Schweiz anzuklagen, sind vielleicht schärfere Massnahmen angebracht. Die Entsendung der steinbrückschen Kavallerie wäre eine viel zu milde Reaktion.