Mein Vorsatz schon seit geraumer Zeit: die Bezeichnung Populist nicht mehr zu verwenden. Inflationär benutzt, die Bedeutung unklar und zum Schimpfwort verkommen zumal mit der Vorsilbe rechts. Ist Herrschaft in der Demokratie überhaupt möglich ohne populistisch gefärbte Politik? Doch, schon. Man erinnere sich nur an den berühmten Satz von Franz Josef Strauß, man müsse dem Volk aufs Maul schauen, dürfe ihm aber nicht nach dem Mund reden.
I.
Alle CSU-Vorsitzenden haben sich seitdem zumindest bemüht, diese Maxime zu beherzigen, auch, wenn es immer um die Lufthoheit über den Stammtischen ging. Der erste, der davon fundamental abweicht, ist Markus Söder, der Saupreiß im fränkischen Schafspelz. Es geht nicht anders: Söder ist ein Populist par excellence, ohne rechts oder links davor, fanatischer Anhänger einer einzigen Sache: seiner selbst.
II.
Söder will den Klimaschutz ins Grundgesetz stellen, ihm eine die Politik überwölbende und überragende Rolle zubilligen. Er sonnt sich im Bewusstsein, endlich auf der richtigen Seite zu stehen. Der Beifall rauscht, nicht bloß auf den billigen Plätzen. Selbst Welt-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld greift zur Harfe, rühmt Söders „Wandelmut“ (!). Neben ihm wirke Angela Merkel ideenlahm.
III.
Wenn jemand den Merkel macht, dann ist es doch Söder. Einziger Unterschied: Anders als er Merkelismus benutzt der Söderismus Blech- statt Holzblasinstrumente. Beide setzen auf das Mittel der asymmetrischen Demobilisierung. Wie Merkel einst systematisch den Koalitionspartnern FDP und SPD Themen abnahm, versucht Söder den Grünen das Wasser abzugraben und gibt noch dazu den Bienenflüsterer. Noch schneller als Merkel wendet er sich mit dem Zeitgeist. Da der Mittelpunkt allen Trachtens er selbst ist, hält er es für Standfestigkeit, wenn er sich um die eigene Achse dreht.
IV.
Man sollte sich nicht täuschen. Der Veitstanz der Klimahysterie macht auch Söder schwindelig. Und seine Partei haltungslos. Söder nimmt ihr jede Chance, glaubwürdig gegen die haarsträubende Energie- und Mobilitätspolitik der Regierung zu intervenieren. Der Doppelausstieg aus Kernkraft und Kohle, auch noch in falscher Reihenfolge, gefährdet die Energieversorgung, schädigt den Industriestandort, belastet und verschaukelt die Steuerzahler und nützt dem Klima nichts.
V.
Nur geht es Söder ums Meinungsklima in Bayern und sonst nichts. Sein Hyperaktivismus will vor allem beweisen, dass er nicht ist, für was man ihn gehalten hat, ein Politrabauke. Aber als genau der zeigt er sich nun, nur anders herum als gedacht. Was für Boris Johnson der Brexit um jeden Preis, ist ihm der Klimaschutz um jeden Preis. Ein Mittel zum Zweck im Kampf gegen Ratio und Liberalitas.
VI.
Es spricht Bände über den Zustand der CSU, dass sich kaum Widerspruch regt. Um es deutlich zu sagen: Eine traditionsbewusste Partei findet auf dem Feld der Ökologie Aufgaben genug. Eine Agrarreform ist unumgänglich. Wälder und Grundwasser verdienen besseren Schutz. Aber die Einführung der Planwirtschaft unter dem Vorwand des Klimaschutzes ist ein Spiel mit dem Feuer, weil am Ende die Sonne weiter scheinen wird wie sie will, aber das Gesellschaftssystem verbrannt ist.
VII.
So wie in George Bernard Shaws Schauspiel Pygmalion Professor Higgins mit Eliza Doolitle umgeht, macht es Söder mit seinen Wählern. Sie sind nur Objekte zu seiner eigenen Erbauung. Elizas Liebe bleibt unerwidert. Am Ende schickt er sie aus dem Haus und behauptet frech, er habe doch jetzt den Grundstein für ihre Zukunft gelegt, und sie solle froh sein, dass er dafür nicht auch noch Geld verlange. Higgins: „Noch einmal: Was macht das blöde Grün?“ Wir: „Es grünt so grün!“ Jetzt haben wir´s.