Tichys Einblick
Vorher und Nachher

Hart aber Fair: In Plasbergs Raubtierkäfig

Als wir pünktlich um 21.00 Uhr einschalteten, sahen wir Schlangen und Tiger in der ARD. Erst 15 Minuten später betrat Plasberg die Manege, um einen Politiker der AfD zu zähmen. Das Vorher und Nachher einer Sendung.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Vorher war mehr los. Wie die „Welt“ schrieb, „riefen einige User dazu auf, die Show zu boykottieren“. Namentlich eine von der SED, die den Gast Uwe Junge einen „waschechten Neonazi“ nannte. Und die Amadeu Atonio Stiftung fand, dass „Betroffene rechtsextremer Gewalt, so gut wie jeder andere Junge, ein niedlicher Hund, ein leerer Stuhl“ alle geeigneter seien als der Mann von der AfD. Die ARD war kurz irritiert von den Reaktionen im Vorfeld und rief gleich mea culpa:

„Wir bemühen uns, AfD-Vertretern kein Forum für ihre Zwecke zu bieten. Je nach Thema ist es aber von Fall zu Fall nötig, AfD-Politiker selbst zu Wort kommen zu lassen.“

Vielleicht hatte dann ein Verantwortlicher in der Hausfibel „So geht Demokratie“ nachgeblättert und korrigierte: „Wir betonen, dass bei uns für alle Parteien dieselben Standards gelten.“ Außerdem entscheide jede Redaktion selbst, wen sie einlade. Das war die Show vor der Show, die darüber auf twitter entscheidet, wie die Show abzulaufen hat.

Na, denn mach mal, Plasberg. Deswegen gleich die Show nach der Show mitgeliefert: „Frank Plasberg scheitert auf beispielhafte Weise daran, irgendeine Verbindung zwischen rechtem Terror und der AfD herzustellen. Weich und fair ist einem wie Uwe Junge nicht beizukommen“, wusste der Spiegel im Nachhinein zu berichten.

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Klar, an so einem nachher veröffentlichen Auftrag muss ein Moderator scheitern. Dabei musste er sich den größten Teil der Sendung auch im SPIEGEL keinen Vorwurf machen lassen. Er unterbrach Junge, wo immer es ging, das Saalpublikum war auf Zack und applaudierte eifrig der Grünen Irene Mihalic, Deutschlands Antwort auf die Watergate-„Unbestechlichen“ Georg Mascolo, dem (etwas müden) Sheriff vom Homeland NRW, Herbert Reul, und dem Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der auch schon vor der Sendung deutlich machte, warum er überhaupt angetreten war: „…Diese Internet-Gnomgermanen regen sich jetzt schon über meine Teilnahme auf. Ich verrate Euch was: Euer Hass ist mein Ansporn. Schaut Euch die Sendung an. Wird schließlich auch von Euren Rundfunkgebühren bezahlt.“

Mehmet war NSU-Opfer-Anwalt, müsste also in dem entsprechenden Prozess gesessen haben, sagte aber trotzdem, der Verfassungsschutz habe auf dem rechten Auge den Grauen Star – obwohl das NSU-Trio von V-Leuten umzingelt war und damit alles gesehen haben musste. Mit der gleichen Logik, die im juristischen Seminar noch nicht gelehrt wird, schaffte er die Überleitung vom Fliegendreck, er meinte Gaulands „Vogelschiss“, womit der die Hitlerzeit in ihrer historischen Dimension verglich, auf seine „Mandanten, wo der Vater abgeknallt wurde“. Dann bündelte er Antisemitismus, Homophobie und Rassismus zu gängigen und täglichen Verbrechen der AfD und gipfelte in seinem Plädoyer in Richtung des Angeklagten: „Der Hass ist Ihre Geschäftsgrundlage!“

Mascolo, der derzeit den Rechercheverbund der Süddeutschen Zeitung und der ARD leitet, gab dem AfD-Mann neben sich und der nicht anwesenden Erika Steinbach einen guten Rat: Sie sollten jetzt posten „Es reicht!“.

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Das seiner Meinung nach aktuelle Versagen des Verfassungsschutzes erklärt Mascolo so: Unter dem Lübcke-Video, indem der seinen Zuhörern im Saal empfohlen hatte, das Land zu verlassen, wenn ihnen die Willkommenskultur nicht passe, „wünschten viele Kommentatoren Lübcke den Tod.“ Vier Jahre später folgte die Tat. „Warum wurden die Poster nie angesprochen? Wir sehen, was du tust.“ Soll der Verfassungsschutz wirklich Facebook- und Twitter-Kommentare kommentieren, und wem hilft das? Ein Signet unter Facebook-Kommentare „Vom Bundesverfassungsschutz beobachtet und nicht für gut befunden“? Die Sendung rutschte schnell in allgemeine Vorwürfe und Aktionitis ab, wobei nicht diskutiert wurde: Wäre diese Art der Twitter-Kontrolle nicht eher in China zu Hause? Es wurde nicht diskutiert.

Das ARD-Team verwirrte nicht glaubensfeste Zuschauer dann tatsächlich noch mit folgender Zahlenreihe: „763 Gefährder, davon 700 Islamisten und 39 Rechtsextremisten“, um für jenen Teil der Debatte Fakten zu liefern, in dem generell behauptet wurde, der Staat sei zu wenig aktiv gegen Rechts. Dabei wäre angesichts dieses Zahlen die Verteilung der Ressourcen auf ein Drittel der Ressourcen gegen Islamisten, ein Drittel gegen Rechte und ein Drittel gegen Linke, wie es laut Reul in NRW bereits geschieht nicht wirklich ausreichend oder möglicherweise nicht sogar grob fahrlässig und ideologisch angesichts der Dimension der Bedrohung?

Nun denn also Stabsoffizier Uwe Junge, AfD-Chef Rheinland-Pfalz, der schon ohne ein Wort für die große Aufregung gesorgt hatte, die allein seine Teilnahme ausgelöst hat. Der Oberstleutnant a. D. ließ sich von der Übermacht nicht den Schneid abkaufen, wer das gehofft hatte, wurde enttäuscht, immerhin „mit trotziger Deutschlandfahnen-Anstecknadel am Revers“, wie die Frankfurter Rundschau bemerkte – Fahne trägt man also aus Trotz, lernen wir. Vermutlich hatte Jung unter dieses Fahne in diversen Auslandseinsätzen der Bundeswehr wohl mehr überstanden und statt klein beizugeben folgte in der Sendung gleich der Gegenangriff.

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Seinen Talk-Gegnern warf er „moralisierenden Totalitarismus“ vor. Er bestritt auch nicht die Existenz von Hornochsen fragwürdiger Fellfarbe in seiner Partei. Die Beweisführung gegen ihn ist wiederum ein Tweet, womit die ARD so nebenbei zeigte: Das Medium dieser Tage ist nicht mehr die ARD, sondern dieses Medium. Dort jedenfalls hatte Junge geschrieben: „Der Tag wird kommen, an dem wir alle Ignoranten, Unterstützer, Beschwichtiger, Befürworter und Aktivisten der Willkommenskultur im Namen der unschuldigen Opfer zur Rechenschaft ziehen werden! Dafür lebe und arbeite ich. So wahr mir Gott helfe!“. Generell wird dieser zumindest missverständliche Text als drohendes Standgericht interpretiert. Junge nahm die Formulierung nicht zurück, verweigerte jede Korrektur – eine Art publizistische Selbsterschießung vor dem Fernseh-Gericht.

Und weil die Sendung da schon beim Militärischen war: Hier wurde Friedrich Merz eingeblendet mit dem Zitat „Wir verlieren die Bundeswehr und die Bundespolizei an die AfD“. Ein Professor durfte die These verdeutlichen. Natürlich seien die Polizisten sauer, wenn Straftäter immer wieder laufen gelassen werden müssen.

„Kann das sein?“ fragte Plasberg die ehemalige grüne Polizistin Irene Mihalic. Die Antwort war eher ein verlegenes „Öh…“ redete lieber von vier SEKlern, die sich „für den Tag X“ ein Waffenarsenal angelegt hatten und hessischen Polizisten, die eine Anwältin bedroht haben sollen. Aber natürlich seien die allerallermeisten Polizisten und Soldaten großartig, waren sich alle einig. Auch Junge wollte Staatsfeinde nicht bei Bundeswehr und Polizei lassen. Aber ja, er und seine Partei hätten ein „sehr gutes Verhältnis zu unseren uniformierten Kräften“. Außerdem sei die AfD die einzige Partei, die sie unterstütze.

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Da wachte Innenminister Reul auf. „Wenn die Leute sehen, dass die Politik Probleme löst“, womit er erfolgreiche Beschlagnahme von Tabak und anderen Rauschmitteln schlimmerer Art durch großangelegte Razzien in Clan-Bars und Bordellen in NRW meinte, dann würden die Polizisten auch nicht „die Typen“ von der AfD wählen. Reul weiß natürlich, dass das Zutrauen in die uniformierten Laschet-Truppen überschaubar ist. Möglicherweise hatten die schon vor der Sendung Empörten doch nicht ganz Unrecht: Überzeugend war das nicht, bilanzierte die FAZ: „Junge wurde zum Gewinner dieser Sendung, weil er die Wirklichkeit mit der Propaganda des politischen Gegner kontrastieren konnte.“

Jedenfalls wollte Reul „nicht mehr darüber reden was früher war, also vor seiner Zeit als Innenminister, sondern was ist und was morgen wird.“ Da wollen wir es dann mit einem Ratschlag von Meister Yoda bewenden lassen: „Vorsicht du walten lassen musst, wenn in die Zukunft du blickst, Herbert. Die Furcht vor Verlust ein Pfad zur Dunklen Seite ist.“

Bleibt zu hoffen, dass Junge zukünftig nicht in Fremdsprachen wie diesem TV-Klingonisch  twittert. Da wäre so eine schöne Sendung wie bei Hart aber Faier gar nicht möglich.
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