Wem es bis dahin immer noch nicht aufgefallen sein sollte – nun kommt auch er an der Erkenntnis nicht mehr vorbei: Die EU-Parlamentswahl war eine Witznummer. Was wurden wir von den Parteien und ihren medialen Supportern in den Monaten vor der Wahl drangsaliert! Der wichtigste Urnengang des Jahres – nein, wenn nicht des Jahrzehnts!
Die einmalige Chance, einen Deutschen (!) zum Chef der angeblich bedeutendsten EU-Institution zu wählen (auch wenn dieser „Deutsche“ großen Wert darauf legte, genau dieses nicht zu sein, sondern sich vielmehr als Bayer und Europäer und ansonsten extrem langweilig präsentierte).
Vor allem aber: Es galt, dieses einmalig bedeutsame Parlament, das ständig und maßgeblich über unser aller Zukunft bestimmt, vor dem Einfluss der bösen Rechten, der Nationalisten, der Anti-Europäer zu retten! Keine Stimme den LePens, Salvinis, Meuthens, Orbans – egal, ob sie nun tatsächlich zur Wahl standen oder nicht.
Das politmediale Trommelfeuer funktionierte. Vor allem in Deutschland schuf die in Panik versetzte Bevölkerung einen wahren Wahltaumel. Hatten sich 2014 noch nur 48,1 % der Wahlberechtigten an dem Spaß beteiligt – und das, wo doch ein gewisser Martin Schulz aus Würselen den Sozialistenführer Frans Timmermans gab und dem Volk erzählte, es gäbe die einmalige Chance, einen Deutschen zum Chef der angeblich wichtigsten EU-Institution zu wählen – waren es im Frühsommer 2019 nun satte 61,4 %. Und doch machte das Ergebnis die Protagonisten nicht so recht glücklich.
Zwar hatte die zweite Paniknummer des Frühsommers, inkarniert in einem, wie es selbst zugibt, psychisch ungewöhnlich ausgestatteten Kind aus Schweden, den Umweltdiktatoren von der grünen Kampffront satte 20,7 Prozente ins Haus gespült – doch die anderen Panikmacher blieben eher auf der Strecke. Manfred Weber, der den Deutschen als künftiger Chef vorgestellt worden war, rutschte von zuvor 30,0 Junckerprozenten auf nur noch 28,9. Noch schlimmer traf es die Timmermänse – also jene deutschen Sozialdemokraten, die dieses Mal statt einem Aachener einen Maastrichter zum Chef haben wollten. Dabei: Bedeutungsschwanger beides – schließlich gilt Aachen seit jenem Karl/Carolus/Charles des neunten Jahrhunderts als Hauptsitz des christlichen Europas und wurden die eigentlichen EU-Gründungspapiere als Verträge von Maastricht gewürdigt. Doch auch das half den sich in den Wirrnissen ihrer Unfähigkeit verirrten Sozialdemokraten nicht. Sie rauschten von immerhin noch 27,3 Prozent 2014 auf den absoluten Tiefststand von 15,8 Prozent.
Eine SGO der Funktionäre
All das aber focht die Funktionäre der selbsternannten Volksparteien nicht an. Und so stand umgehend die Frage im Raum, wer künftig den hochdatierten Grüßaugust in Brüssel geben darf. Die sogenannte Europäische Volkspartei, wahlweise auch als Christdemokraten oder manchmal sogar als Konservative bezeichnet, beharrte auf den Weber aus dem Bayerischen. Schließlich habe der „Spitzenkandidat“ immer noch die meisten Prozente eingefahren (Verluste hin oder her) und es sei den Bürgern nicht zu erklären, dass sie einen Spitzenkandidaten wählen, der dann nicht zur Spitze werden dürfe. Was immerhin eine Erkenntnis ist, der durchaus zuzustimmen wäre, hätten die Verantwortlichen die Nummer mit dem Spitzenkandidaten ernst gemeint.
Nur hatte der Weber Manfred dummerweise eben nicht genug Sitze im Parlament der EU gesammelt, um sich mit den Seinen gleich jenem Karl von damals zum Kaiser krönen zu lassen. Vor allem ein Franzose, der noch kurz vor dem Wahlgang im deutschen Europa-Aachen mit werbewirksam verkauften Verträgen die ewige Einheit der früheren Erzfeinde aus Alemanien und dem Frankenreich beschworen hatte, empfand diese Spitzenkandidatennummer als unsinnig und überflüssig. Immerhin hatte er das schon vor dem Wahlgang angedeutet und sogar ein gutes Argument vorgetragen: Ein Spitzenkandidat müsse sich allen EU-Bürgern zur Wahl stellen. Nicht nur den Deutschen. Das war immerhin nachvollziehbar, auch wenn es in eklatantem Widerspruch zu den Schwüren von Aachen stand, hatten sich Angela und Emmanuel doch dort gegenseitig Treue und gemeinsames Handeln geschworen.
Wie dem auch sei – Macron, der seine Ein-Mann-Bürgerbewegung aus unerfindlichen Gründen bei den Liberalen eingebracht hatte (mal ist er links, mal rechts, mal ein wenig liberal, mal eher ziemlich autoritär) mag den Weber nicht. Seine Freundin Angela, die Merkel, zierte sich noch ein wenig, gab wider besseres Wissen ein paar, wie immer mit einem „ich glaube“ im Nicht-Greifbaren gehaltene Treuebekundungen für den Manfred ab, und zimmerte längst an einem dritten Weg. Nun sollte es der linke Frans aus Holland machen, dachte sie sich mit dem Donald aus Polen. Der Manfred bekäme dafür den Posten des Chefsprechers der versammelten Gewählten – und den Rest müsse man dann sehen. Denn so nebenbei geht es auch noch um die internationale Vertretung, den Chef-Finanzer und den Ratspräsidenten an der Schaltstelle der Regierungschefs der Supranational Governmental Organization (SGO) mit der Bezeichnung „Europäische Union“.
Das EU-Theater gibt den Skeptikern recht
Dabei ist es mittlerweile völlig egal, wer da nun welche Subventionierungsstelle einnimmt. Denn das alles Entscheidende ist längst vollbracht.
Dieses EU-Theater – anders kann man es leider nicht mehr bezeichnen – hat eindrucksvoll bewiesen, dass die verketzterten und mit medialer Hetze überschütteten EU-Skeptiker uneingeschränkt im Recht waren. Das EU-Parlament ist und bleibt eine Witzveranstaltung, sozusagen ein wenig Petersilie auf dem möhrenroten Bürokratenkuchen.
Das tatsächliche Sagen in Brüssel haben die wenigen Regierungschefs der EU-Staaten. Das war bei der Gründung so – und daran wird sich auch nichts ändern. Denn tatsächliche Demokratie würde den Aufbau einer sanften Diktatur, der dort seit Jahren betrieben wird, nur behindern. Vor allem ein Macron, der fest in den zentralistischen Denkstrukturen der französischen Republik verfangen ist, ist froh über jedes Gremium, das ihm nicht in seine gefühlte Allmacht pfuschen kann.
Und Merkel? Die lebt mittlerweile auf ihrem privaten Stern und scheiterte nun doch an der Hybris, die EU-europäischen Christdemokraten ebenso in den Sozialismus führen zu können, wie es ihr mit ihren rückgratlosen deutschen Parteikollegen gelungen ist. Orban und Co. – diese bösen und europa-, demokratie-, menschheits-, multikultifeindlichen Schlechtmenschen – haben zu Timmermans ein schlichtes „Nein“ in den Raum gestellt. Nachvollziehbar, war doch Timmermans mit seiner Fraktion einer der Haupthetzer gegen gewählte Regierungen jenseits der gedanklichen Mauer, die in ihren Köpfen immer noch entlang der Linie steht, die früher der Eiserne Vorhang zierte.
Wo die tatsächliche Macht in dieser SGO EU liegt, macht das aktuelle Theater einmal mehr überdeutlich. Nicht bei der Kommission, dieser Endverwertung von weggelobten Parteigängern der jeweiligen Regierungsparteien. Nicht im Parlament der EU. Wenn aktuell wieder einige, die die EU-Verträge nicht vollständig gelesen haben, diesem Parlament raten, es solle in der Frage des Kommissionspräsidenten hart bleiben, verkennen diese: Auch hier steht das EP am kürzeren Hebel.
Das Vorschlagsrecht hat der Rat der Regierungschefs. Lehnt das Parlament diesen Vorschlag ab, muss der Rat einen zweiten Vorschlag vorlegen. Was allerdings geschieht, wenn auch dieser abgelehnt wird, ist nicht geregelt. Also wird der Rat dann ohne Zutun der Parlamentarier einen Wunschkandidaten beschließen. Denn so etwas wie ein führungsloses Interregnum ist bei der Kommission nicht vorgesehen – ist sie doch ohnehin nur Durchführungsorgan jener Beschlüsse, die der Rat entscheidet.
Ein Klüngelhaufen der Unverdrossenen
Doch, wie gesagt – all das ist völlig egal. Diese EU hat sich einmal mehr präsentiert als das, zu dem sie von den Regierungen der EU-Nationen gemacht worden ist: Ein intriganter Klüngelhaufen, in dem einige wenige Unverdrossene um Macht, Einfluss und Geld spielen. Der Bürger ist dabei überflüssig. Das EU-Parlament ist es auch. Und die Kommission? Auch die wird vom allmächtigen Rat am Nasenring durch die Arena geführt und dient hauptsächlich dem Zweck, einige auf nationaler Ebene outgesourcte Parteigänger für ein paar Jahre finanziell zu verwöhnen. Wie jenen Günther Oettinger, den Merkel loswerden wollte und in Brüssel platzierte, von wo er aktuell dem Rechtsbruch durch Schlepperschiffe von NGO das Wort reden darf.
Fazit: Diese Union hat fertig. Einen solchen Personal-Verschiebebahnhof der selbstherrlich-bürokratischen Taschendiktatoren braucht kein Mensch. Das ist nicht das, was sich Adenauer und de Gaulle einst vorgestellt hatten, als sie mit einem Europa der Nationen die lang gehegten Aversionen überwinden und den Frieden sichern wollten.
Eine Kaste von kleinkarierten, selbstverliebten Politbürokraten hat die EU an die Wand gefahren. Tatsächliche Problemlösungen hat sie bislang nicht geboten. Nicht für die Fehlkonstruktion eines Euro, der in inflationsabhängigen Länder wie Griechenland die Wirtschaft abwürgt. Nicht für das Problem der hemmungslosen Migration in die Wohlstandszone EU, die in Abstimmung mit der UN als Resettlement-Programm längst vom Rat exekutiert wird. Nicht für den Schutz der EU-Bürger vor nationalen Egoismen und grenzenloser Steuerverschwendung. Nicht für die Sicherung der Wirtschaftsvormacht der Länder EU-Europas in der Welt. Nicht dafür, dass die arbeitslosen jungen Menschen aus Südeuropa im Norden Job und Ausbildung bekommen und stattdessen durch ein importiertes Proletariat aus Nicht-Europa in ihrer Situation manifestiert werden. Und auch nicht für die Lösung der Krisen dieser Welt – stattdessen verschleißt sie sich lieber in ideologischen Grabenkriegen gegen die westliche Führungsmacht und einem unstrukturierten Umgang mit Russland und China.
Schade. Ich war einmal überzeugter Europäer. Weil ich Spaß daran hatte, mich mit anderen Menschen Europas auszutauschen. Weil ich die Vorstellung für vernünftig hielt, dass die Völker Europas, die weitgehend aus denselben kulturellen Wurzeln gewachsen sind, gemeinsam ihre Zukunft angehen. Weil es mir zukunftsweisend erschien, auf Ebene der Gleichberechtigung unserer jeweils unterschiedlichen Vorstellungen und Ideen an einem gemeinsamen Dach für künftige Generationen zu arbeiten.
Was ich allerdings nicht wollte, war eine Vernichtung der nationalen und kulturellen Vielfalt Europas zugunsten einer künstlich aufgesetzten EU-Identität.
Was ich nie wollte, war diese derzeit noch sanfte Diktatur, die mit fragwürdig legitimierten Institutionen den Menschen zwischen Kemijärvi und La Reunion, Saint Martin und Narwa vorschreibt, was sie zu tun, zu denken und zu wünschen haben.
Was ich nie wollte, war ein von mir mitfinanzierter Selbstbedienungsladen für eine kleine Kaste selbsternannter Fürsten, die mir nach Belieben Menschen, Gesetze und Verordnungen vor die Nase setzen, an deren An- oder Zustandekommen ich nicht die geringste Mitwirkungsmöglichkeit habe.
Was ich nie wollte, ist eine SGO, bei der jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist – und die depperten Deutschen als selbsternannte Musterschüler auf der Strecke bleiben.