Ausländer, die sich nirgendwo sonst bei Behörden haben registrieren lassen, müssen ihre Identität nicht preisgeben, wenn sie sich einen „anonymisierten Krankenschein“ holen. Trotzdem werden Krankenhäuser und Ärzte verpflichtet, eine Vielzahl von allgemein- und zahnmedizinischen Behandlungen auszuführen. Die Rechnungen, die sich leicht auch mal auf mehrere tausend Euro belaufen können, werden dann später von der Stadtverwaltung, also vom deutschen Steuerzahler, beglichen.
Zunächst will die zuständige Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) 1,5 Millionen Euro für das einzigartige Projekt bereitstellen, um illegal hier Lebende – unentdeckt von den zuständigen Behörden – direkt zu Ärzten schicken zu können. Die Zahl der Personen, die in der Hauptstadt über keinerlei Aufenthaltsgenehmigung verfügen und sozusagen im Untergrund leben, wird von der Gesundheitsverwaltung auf rund 50.000 geschätzt. Experten gehen davon aus, dass die allermeisten von ihnen keine Krankenversicherung abgeschlossen haben.
Über dieses spezifische Reformprojekt des derzeitigen Berliner Senates freut sich die linke Tageszeitung („taz“) in ihrem Berliner Lokalteil. Zufrieden notiert die „taz“: „Bald darf jeder zum Arzt“. Weiter heißt es dort wörtlich: „Der anonyme Krankenschein kommt endlich.“ Seltsamerweise haben die meisten Leitmedien in unserem Lande über den „anonymisierten Krankenschein“ kaum oder gar keine Meldungen gebracht.
Kritische Positionen
Die Berliner Boulevardzeitung „bz“ gehört zu den wenigen Zeitungen, die über diese insgesamt offenkundig rechtswidrigen Vorgänge in Berlin nicht nur berichtet, sondern auch kritische Kommentare geschrieben haben. Die Zeitung meldet: „Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte werden verpflichtet, diesen anonymisierten Krankenschein zu akzeptieren. Die Rechnungen werden vom Senat beglichen.“
Damit löse die Senatorin ein Versprechen ein, das die rot-rot-grüne Koalition vor zweieinhalb Jahren gegeben hat. Denn in den „Richtlinien der Berliner Regierungspolitik 2016 – 2021“ steht wörtlich: „Für Menschen ohne Aufenthaltsstatus wird ein (…) anonymer Krankenschein eingeführt.“ Die „bz“ fragt sich, „warum jemand anonym bleiben sollte, der eine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen will“. Und: „Warum meldet er sich nicht beim Sozialamt und gibt seine Identität preis? Dann würde ihm ja auch geholfen werden.“
Solche Fragen interessiert die Gesundheitssenatorin wenig, sie begründet ihr Gesundheitsprojekt der ganz besonderen Art so: „Menschen ohne Aufenthaltsstatus“ bleibe (…) „der Gang zum Sozialamt (…) verschlossen“. Die Senatorin verweist damit offensichtlich auf die „Übermittlungspflicht nach § 87 Aufenthaltsgesetz“. Die Sozialleistungsbehörden, beklagt die Senatorin, seien „verpflichtet, Erkenntnisse über den Aufenthalt von Menschen in der Illegalität an die Ausländerbehörden weiterzuleiten.“ Genau diese vorgeschriebenen Informationen will die SPD-Politikerin verhindern.
Die „bz“ sagt, was die Senatorin wirklich meint. Ausländer, die illegal in Deutschland leben und nirgendwo gemeldet sind, gehen in der Regel nicht ins Sozialamt. Täten sie das, flögen sie auf. „Um das zu verhindern, sollen sie anonym zum Arzt gehen dürfen. Nicht nur im Notfall, sondern auch, um eine ‚allgemein- und zahnmedizinische Behandlung’ zu bekommen.“
Der anonymisierte Krankenschein war in Berlin schon vor 2016 im Gespräch, als noch die SPD/CDU-Landesregierung amtierte. Über die von links vorgeschlagene „Reform“ wurde allerdings damals noch politisch kontrovers diskutiert. Auch in der Gesundheitsverwaltung selbst ist heftig gestritten worden. Die „bz“ hatte dazu recherchiert: „Die Gegner in der Gesundheitsverwaltung führten an, ‚Ausländer’ könnten ‚zur Illegalität ermuntert werden’.“
Diese Bedenken wurden dann aber bald vom Tisch gewischt, als sich der neue rot-rot-grüne Senat konstituierte. Nun hieß es plötzlich stadtregierungsoffiziell, der Staat habe „die Aufgabe, aus Illegalität entstehende soziale Probleme abzumildern“. Die „bz“ gibt heute dazu zu bedenken, dass der Staat auch rechtlich verpflichtet sei, „illegal anwesende Personen zu identifizieren und auszuweisen“. Doch „mit dem anonymen Krankenschein geschehe „genau das Gegenteil“. Die Zeitung aus Berlin resümiert in ihrem Kommentar: „Bei Lebensgefahr muss natürlich jedem geholfen werden. Aber man kann doch jemandem nicht alle ärztlichen Leistungen zukommen lassen, der sich hier eigentlich gar nicht aufhalten darf. Wer soll das auf Dauer bezahlen?“
Die schärfste Kritik zu diesem gesundheitspolitischen rot-rot-grünen „Reformprojekt“ kommt aus den Reihen der AfD. Alice Weidel, stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion sagt unmissverständlich: „Dieser absurde Plan ist eine Einladung zur illegalen Einwanderung und ein Freibrief für ungenierten Sozialmissbrauch. Wer nur nach Deutschland kommen will, um von Sozialleistungen zu profitieren und sich beispielsweise auf Kosten der deutschen Bürger die Zähne richten zu lassen, der darf sich durch Maßnahmen wie den ‚anonymen Krankenschein‘ geradezu ermuntert fühlen.“
In Niedersachen hat es ein „Modell-Projekt Anonymisierter Krankenschein“ schon gegeben – über drei Jahre. Die frühere rot-grüne Regierung initiierte die Reform. Die neue rot-schwarze Landesregierung hat das Modell 2018 gekippt, und zwar auf Druck der CDU, die in Hannover mit der SPD eine Große Koalition gebildet hat. Die eher links positionierte „Neue Presse“ aus Hannover bedauert diesen Stopp offenbar. Die Tageszeitung lässt dazu Meta Janssen-Kucz (Grüne) zu Wort kommen, sie war bis 2017 Landesvorsitzende ihrer Partei. Die heutige Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages zeigt „sich entsetzt über die Entscheidung der Landesregierung“. Diese politische Positionierung verdeutlicht, was zu erwarten ist, wenn an der Leine die Grünen wieder an die Macht kommen.
Dr. Manfred Schwarz war jeweils acht Jahre Medienreferent in der Hamburger Senatsverwaltung und Vizepräsident des nationalen Radsportverband BDR [Ressort: „Medien“] und gehörte auch einige Jahre dem Hamburger CDU-Landesvorstand an.