Gestern habe ich die folgenden zwei Sätze aus diesem Beitrag gestrichen; Sie erschienen mir zu radikal:
„
Grund genug,jeden Lokführer zur Rede zu stellen, ob er bei der Lokführerbande dabei ist. Und schade, dass das Bahn-Management mal wieder seine Inkompetenz beweisen will – als ob das noch notwendig wäre.“
Jetzt sind sie doch gerechtfertigt, umso mehr denn je.
Lokführer, Lokführer/Piloten, gerade beendeten die Piloten von German Wings ihren Ausstand, da fangen, fein abgestimmt, am Wochenende wieder die Lokführer damit an. Man hat das Gefühl, zwei Mini-Gewerkschaften haben beschlossen, politisch Selbstmord zu begehen. War am Anfang noch das Verständnis groß, so wächst jetzt die Wut. Denn wenn jetzt wieder die Bahn bestreikt wird, dann geht es um ein besonderes Gut: Das Wochenende. An diesem Freitag also drohen die Pendler-Fernzüge im Nirvana stecken zu bleiben. Dabei streiken nur schätzungsweise 5.000 der Fahrer. Viele sind noch Beamte. Andere nicht bei der GDL. Genaue Zahlen fehlen. Aber der Trick ist, wie Gewerkschaftsboss Weselsky nach Ausschalten der Kameras unserer Diskussion auf n-tv verraten hat, wie folgt:
„Wer streikt, stellt den Zug vor einem Signal, einer Weiche oder einfach fehlerhaft ab. Dann ist die Strecke gesperrt – auch für nachfolgende Züge, die weiterfahren wollen.“
Nun stehen wir also wieder an den Bahnsteigen und frieren. Vielen Dank, Gewerkschaft Deutscher Lokführer, dass ihr Deutschlands Menschen und Wirtschaft in Geiselhaft nehmt. Verständnis dafür sollte keiner haben: Hier geht es nicht um legitime Kampfmassnahmen für höhere Löhne, sondern um einen Krieg zur Pflege des eigenen Egos und der Bedeutung der Gewerkschaftsführer – und dabei droht sogar das Grundgesetz beschädigt zu werden.
Die Twitter-Gemeinde tobt (zum Vergrößern Bild anklicken):
Darum geht es:
Es sind zwei ungleiche Gewerkschaften, die das Land lahm legen: Die Piloten sind Spitzenverdiener; bis zu 255.000 € beträgt ihre Entlohnung. Jetzt wehren sie sich dagegen, dass sie zukünftig nicht mehr mit 55 Jahren in den Ruhestand gehen dürfen – bei 60 Prozent Gehalt, versteht sich – sondern, dass diese Altersgrenze schrittweise auf 60 Jahre angehoben werden soll. Die Gesamtforderung addiert sich auf 10%. Das Lohnplus der Piloten entspricht damit in etwa dem, was ein auf einer Rangierlok der Bahn verdient wird – im gesamten Jahr. Die 15 Prozent Zuschlag klingen geradezu bescheiden, wenn man die Lokführergehälter mit denen der Piloten vergleicht.
Und trotzdem schweißt die ungleichen Genossen etwas zusammen: Ihr Status als aggressive Mini-Gewerkschaft an Schaltstellen, in denen sie nicht nur alle Kollegen in die Untätigkeit zwingen können, sondern auch die Gesellschaft weitgehend lahmlegen können. Wenn die 7.000 angestellten Lokführer streiken, steht der komplette Bahnkonzern mit 180.000 Mitarbeitern – nur wenige Streiktage reichen und auch in Fabriken und Werkhallen stocken Zu- und Ablieferung. Der Schaden für die Wirtschaft geht in die Milliarden. Der Gegner der Streikenden ist nicht ihr Arbeitgeber, die Bahn – sondern die Bevölkerung. Das ist anders als bei einem Streik etwa in der Automobilindustrie: Ob der bestellte Wagen ein paar Tage früher oder später kommt, ist den Kunden ziemlich gleichgültig. Der Bahn aber kann man nicht entkommen. Die Straßen sind überfüllt, die S-Bahn ist die Lebensader der großen Städte. Der Streik ist zudem ein politischer Streik, denn die GDL will auch erreichen, dass sie zukünftig auch die Schaffner und das Personal der Speisewagen vertreten darf. Ohnehin hat der „Erzwingungsstreik“ zur Machterzwingung der GDL seinen Sinn verloren, nachdem am Samstag Nachmittag die Bahn sich zu Verhandlungen bereit geklärt hat. Gestreikt wird trotzdem.
Lokführer verdienen zwischen 2202 und 3537 EURO; üppig ist das nicht. Verwerflich ist nicht so sehr diese Forderung, sondern das Kleingedruckte. Die Lokführer streiken dafür, dass ihre Mini-Gewerkschaft auch Schaffner und Bordpersonal vertreten darf. Es geht also nicht um Kohle für die Belegschaft, sondern um mehr Macht für Gewerkschaftsboss Claus Weselsky. Dieses Zugpersonal wird von einer DGB-Gewerkschaft vertreten, und das nicht schlecht. Hier wird also um Organisationsinteressen gestritten – und die Passagiere frieren. Es gehe „um einen heiligen Krieg“, nur „um das Ego zu stärken“, sagt ausgerechnet Manfred Schell – er war Vorgänger von GDL-Chef Weselsky und seinerseits ein harter Brocken.
Geiselhaft, nicht Arbeitskampf
Gerade um die fünf Stunden Vorwarnzeit läßt die GDL zwischen Ankündigung und Streikbeginn heute um 21.00 Uhr gelassen. Zu wenig, um Reisen umzubuchen, auszuweichen, oder auf das Auto umzusteigen. Schon gar nicht, wenn es für die vielen Fernpendler geht, die am Wochenende ihre Familien besuchen wollen: Sie bleiben möglicherweise hängen. Denn die Lokführer haben einen Hang zum Sadismus. Das zeigt sich daran, wie die GDL auf Anfragen reagiert:
„Der Zug wird vermutlich abfahren, aber ob er bis nach Berlin fährt, kann ich nicht beantworten. Unsere Lokomotivführer werden aber, wenn immer möglich, bis zum nächsten Bahnhof fahren.“
Zwar soll kaum ein Zug auf freier Strecke stehen bleiben – aber natürlich ein Kleinstädten, aus denen es Nachts weder ein Entkommen noch ein Hotel gibt. Also im überfüllte Freitags-Zug übernachten? Immerhin verspricht Lok-Boss-Weselsky:
„Die Züge bleiben an einem Bahnsteig stehen, sodaß die Türen geöffnet werden können.“
Das ist Zynismus. Der Gegner des Streiks nicht die Bahn – sondern die Bevölkerung. Das ist anders als bei einem Streik etwa in der Automobilindustrie: Ob der bestellte Wagen ein paar Tage früher oder später kommt, ist den Kunden gleichgültig, denn es gibt Mietautos und Konkurrenzangebote. Der Bahn kann man nicht entkommen.
Auch hier hat Weselsky eine zynische Antwort parat: Seit der Eisenbahnreform der 90er gebe es keine Beförderungspflicht mehr. Also sei sein Streik legal. Aber legal ist nicht legitim. Und die GDL trägt massiv dazu bei, den ohnehin schon lädierten Ruf der Verspätungsbahn weiter zu verschlimmbessern.
Die Mitschuld des Bahnmanagements
Das Bahnmanagement trifft dabei gewaltige Mitschuld, sagt beispielsweise der frühere Wirtschaftsminister Wolfgang Clement.
Statt in den Konflikt mit der GDL einzusteigen und ihn hart auszufechten, verstecke sich Grube hinter der Bundesregierung. Das ist doppelt schädlich – für die Kunden der Bahn, und die Tarifhoheit. Die Tarifhoheit aber sei ein hohes Gut, da habe der Staat nichts zu suchen. Clement weiter anlässlich seiner Dankesrede zur Auszeichnung mit dem Ludwig-Erhard-Preis:
“Wenn die Deutsche Bahn in diesen Tagen im Tarifstreit mit der wahrhaft renitenten Lokführergewerkschaft den Gesetzgeber zu Hilfe ruft, um diese Spartengewerkschaft per politische Order an die Kette legen zu lassen, statt eigenverantwortlich alle ihr gegebenen tatsächlichen und auch rechtlichen Handlungsmöglichkeiten auszureizen, so kann das allenfalls auf den ersten Blick einleuchten. Ein großes Unternehmen, das in einem Tarifstreit nach dem Gesetzgeber ruft, ist alles andere als ein starkes Unternehmen. Es politisiert sich selbst. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aber gilt – und es muss auch gelten –, aber es ist dabei keineswegs ein Freibrief für Arbeitskämpfe, die dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit auf das Gröbste zuwiderlaufen.“
Tatsächlich versteckt sich das Bahnmanagement in seinem Hauptquartier am Potsdamer Platz in Berlin. Während Weselsky sich wenigsten gelegentlich den reisenden stellt – im Management herrscht das Schweigen. So gewinnt man aber keine Streikauseinandersetzung. Es ist immer auch eine Schlacht darum, wer die öffentliche Meinung beherrscht. So kann Weselsky unwidersprochen unwidersprochen den Vorwurf wiederholen, Grube verschleppe die Verhandlungen vorsätzlich, weil er auf das geplante Tarifeinheitsgesetz, das Arbeitsministerin Andrea Nahles wartet. Wahr ist: Nahles soll Grube die Kohlen aus dem Tariffeuer holen.
Danach soll nur die jeweils größte Gewerkschaft in einer Branche oder einem Betrieb Tarifverträge aushandeln und streiken dürfen. Damit soll verhindert werden, dass verschiedene Gewerkschaften zu verschiedenen Zeiten verschiedene Forderungen durchkämpfen und durchsetzen – was etwa zur Folge hätte, dass die einen Lokführer 37 Stunden arbeiten, die anderen aber 40. Permanenter Arbeitskampf könnte so vermieden werden. Klingt vernünftig. Aber dem steht ein Grundrecht entgegen: das der Koalitionsfreiheit, also das Recht, eigene Vertretungen gründen zu dürfen. Es ist in Artikel 9 des Grundgesetzes verankert, ebenso in der EU-Menschenrechtskonvention sowie im UN-Pakt für bürgerliche und zivile Rechte. Es ist eine der Säulen der Freiheit. Wenn aber faktisch nur noch die größte Gewerkschaft zum Zuge kommt, wäre das die Garantie für die endgültige Monopolstellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seine jeweiligen Spartengewerkschaften.
Ein Grundrecht verteidigen
Es ist das gute Recht eines jeden Arbeitnehmers, sich einer Gewerkschaft anzuschließen, die für seine Rechte eintritt – und das darf nicht einseitig auf die linken DGB-Gewerkschaften begrenzt bleiben. Manche DGB-Gewerkschaften gehen deshalb vorsichtig mit einem politischen Mandat um, etwa die IG-Bergbau, Chemie, Energie. Es ist ja kein Zufall, dass sich gerade in den von Ver.di-geführten Bereichen kleinere Gewerkschaften abspalten: Viele Menschen wollen Gewerkschaften, aber nicht den arroganten, staatskapitalistischen Frank Bsirske, dessen linksradikale Sprüche vielen Menschen zum Hals raushängen. Und den sie weder mit ihren Beiträgen unterstützen noch sich von ihm zwangsvertreten lassen wollen.
Das ist das Bedenkliche an der GDL: Ihr Verhalten ist so schamlos, so gewalttätig, dass die ernsthafte Gefahr besteht, dass ein Grundrecht ausgehöhlt wird. Viele deutsche Unternehmen, insbesondere die Bahn, fordern ohnehin dieses Tarifeinheitsgesetz. Es würde ihnen kurzfristig die Verhandlungen erleichtern – aber langfristig das deutsche Sozialsystem kippen, indem es zu ständiger Spannung zwischen Gewerkschaften und Unternehmern kommt. Die DGB-Gewerkschaften würden übermächtig – und Weisheit ist keine Tugend deutscher Manager. Dabei gäbe es viele andere Möglichkeiten, der GDL entgegenzutreten:
Was jetzt zu tun ist
Die Arbeitsgerichte haben in der Vergangenheit das Streikrecht ausgeweitet, die Hürden abgesenkt. Sympathie- und Warnstreiks waren noch vor wenigen Jahren tabu, heute setzt die GDL darauf – flächendeckend, massiv, alle Bürger betreffend. Diese Erleichterungen könnten zurückgenommen und die GDL diszipliniert werden.
Es könnte ein zwangsweises Schlichtungsverfahren vor den Streik geschaltet werden – also erst verhandeln, dann streiken. In wichtigen Versorgungsbetrieben, die die gesamte Volkswirtschaft lahmlegen, könnte so gar eine zwangsweise Schlichtung erfolgen – also ein Zwang zum „einigt Euch“. Und in den USA kann ein Präsident in wichtigen Fällen den Streik für 80 Tage aussetzen.
All das sind Möglichkeiten, die zu erörtern wären. Aber wir laufen Gefahr, dass die Arroganz einiger Gewerkschaftler jetzt tatsächlich das Grundgesetz kippt und dem DGB damit übergroße Macht verleiht – mit Andrea Nahles ist ohnehin eine gewerkschaftsnahe Politikerin an der Macht.
Die gute Nachricht: Bald kommen U-Bahnen ganz ohne Lokführer; einer der Vorreiter ist London. Dann ist die GDL endgültig eine Selbstmordgewerkschaft. Weitere Literatur hier