Tichys Einblick
Teile der CDU mit schuld am Kasseler Mord?

Bei Maischberger: Vorwahlkampfsendung

Diesmal holte sich Maischberger mit Nikolaus Blome (Bild) den Sidekick von Jakob Augstein und den im Relotius-Abschlussbericht als Co-Autor einer beanstandeten Reportage erwähnten Markus Feldenkirchen (Spiegel).

Screenshot ARD

Sandra Maischberger war zuletzt mit neuen Format aufgetreten, das nun vor der Sommerpause eine Fortsetzung fand. Wir hatten ihr schon bescheinigt, dass sie die bessere Dunja Hayali ist, die dieses Format schon probeweise im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen präsentiert hat, aber reicht das aus, besser als Hayali zu sein? Weniger hektisch durch das Programm zu hetzen, etwas weniger offensichtlich Partei zu sein? Wie viel Partei muss man sein, um so eine Sendung überhaupt moderieren zu dürfen?

Erneut startet Maischberger mit einer Journalistenrunde. Anstelle der sich in den Talkshows mittlerweile etablierten zwei Vertretern der früher Leitmedien genannten Presse, sitzen hier drei Journalisten an einem engen Tresen mitten im Raum zwischen den Zuschauern, über die man wiederum gerne wissen möchte, wie sie von wem zusammengestellt wurden. Maischberger wird später gezielt nach bestimmten Gästen fragen und schauen, wo sie sitzen würden, es gibt also definitiv eine Zuschauereinladungspolitik.

Wie die Vögel auf der Stange also drei Vertreter einer Zunft, die in den letzten Jahren ähnlich intensiv in der Kritik stand, wie die politische Kaste des Landes. Diesmal hat sich Maischberger mit Nikolaus Blome (Bild) den Sidekick von Jakob Augstein geholt und den im Relotius-Abschlussbericht als Co-Autor einer beanstandeten Reportage erwähnten Markus Feldenkirchen (Spiegel).

Beinahe schon angenehm hebt sich neben diesen beiden Herren eine Journalistin ab, die Blome und Feldenkirchen insofern in den Schatten stellt, dass sie anstatt mit Parteilichkeit und endlosen Bauchgefühlen mit so etwas wie Fakten operiert. Ja, es fällt auf, wenn das Gesagte einmal mit Zahlen unterfüttert wird, wie bei Kristina Dunz von der Rheinischen Post. Da wäre es unerheblich gewesen, ob die Frau in bewegten Bildern sympathisch herüberkommt, ist aber ebenfalls so.

Allerdings ist das neben Markus Feldenkirchen sitzend eine leichte Übung. Herrje, was ist die individuelle Problematik dieses Herrn? Wer ist schuld? Die Eltern, die ehemaligen Mitschüler oder das Milieu in dem er aufgewachsen ist? Oder gar die tägliche Hackordnung im Relotuis-Glaspalast in Hamburg? Jedenfalls rudert der 44-Jährige mit den Armen wie ein Ertrinkender und schaut aus der Wäsche wie ein persönlich schwer beleidigter. Also schwer beleidigt von Rechts und von der AfD im Speziellen.

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Wenn es allerdings daran geht, warum eigentlich, wenn er also theoretisch die Zeit hätte, zur Vernichtung anzusetzen, dann purzeln Zitate aus ihm heraus, wie zu lange geschlagene Schlagsahne, dann buttert Feldenkirchen seinen pseudodramatischen mit merkwürdig weichgespülten Macho-Allüren garnierten und mit bis an die Schmerzgrenze hochgezogenen Augenbrauen aufgepimpten Auftritt allen Ernstes zum eintausendundersten Mal mit Alexander Gaulands „Vogelschiss der Geschichte“, was mittlerweile eindeutig zu wenig ist, eine Partei zu diskreditieren, die immerhin der Oppositionsführer im deutschen Bundestag ist.

Zur Hilfe kommt ihm Nikolaus Blome, der an den „Flügel“ in der AfD erinnert, der sich als so etwas wie das rechte-rechte Gewissen unter den Rechten versteht und bei denen Björn Höcke eine wichtige Rolle spielt. Der gilt   allgemein als übel verbrannt. Aber auch in dieser Runde wurde leider nicht herausgearbeitet wird, warum eigentlich. So wird nur benannt, nicht argumentiert.

Die Aufgabe der drei von der Medientankstelle bei Maischberger wird auf der Meta-Ebene erkennbar: Es geht in der Hauptsache darum, vor den kommenden Landtagswahlen im Osten an der AfD zu sägen, der Görlitz-Schock sitzt tief, als die drohende Mehrheit für den AfD-Bürgermeister-Kandidaten nur noch durch einen allumfassenden Schulterschluss von der Linken bis hinüber zur CDU abzuwenden war.

Nach diesem Vorgeplänkel kommt dann der Gast des Abends, der im Einzelgespräch verarztet wird. War das zum Debüt des neuen Maischberger-Formats Peer Steinbrück, darf dieses Mal Friedrich Merz ins Verhör gehen. Ein Urgestein der deutschen Politik löst also das nächste ab. Der eine hat längst aufgegeben, Kanzler werden zu wollen. Merz ist jetzt bei Maischberger das Pendant dazu in der CDU, also der, von dem man erhofft hatte, dass seine Flecken in einem Jahrzehnt der Unpolitik irgendwie ausgeblichen sind, der dann aber ziemlich jämmerlich gegen Annegret Kramp-Karrenbauer im Ringen um den Parteivorsitz scheiterte.

Seitdem geistert Merz durch die politische Landschaft wie ein hilflos flatternder Phoenix, mit Wind wohl nur noch vom notorisch einflußlose Wirtschaftsflügel und der WerteUnion. Ja, diese Gruppierungen wünsche sich noch einen Merz in der CDU,  ansonsten fehlt der innerparteiliche Trommelwirbel für den Widergänger von Blackrock.

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Nun also bei Maischberger auf dem blütenweißen Stuhl und von der ersten Minute an vom Geruch der alten Bonner Republik behaftet, fast so, als gehöre es noch zum guten Ton, als Mann in der Politik auf dicke Hose zu machen. Trotz der ganz unterschiedlichen politischen Ausrichtungen: War der Mann eigentlich auf dem selben Internat wie Markus Feldenkirchen?

Es nervt schon sehr, mit anschauen zu müssen, wie Friedrich Merz sich minutenlang in der Rolle gefällt, nicht sagen zu wollen, ob er nun nach dem Kanzlerstuhl schielt oder nicht. Warum ausgerechnet der Neu- oder Wiedereinsteiger Merz dahin gehören sollte, bleibt das Geheimnis von Maischberger und anderen, die darüber spekulieren. Vom Parteivorsitz zum Kanzleramt: Eine neue Perle in der Kette des Scheiterns? Wo anschließend noch weiter scheitern,  vielleicht bei der Bewerbung um das Amt des Bundespräsidenten?

„Die, die rechtsradikal sind, gehören nach meinem Gefühl nicht dazu.“, weiß Merz beispielsweise zu berichten. Aber wer würde hier ernsthaft etwas anderes behaupten? Rechtsradikalität ist verfassungsfeindlich, darüber zu diskutieren, ist eine Scheindebatte.

Nun würde Merz „ohne jede Einschränkung“ eine Koalition mit der AfD ausschließen. Aber warum sollte ausgerechnet seine Meinung dazu überhaupt jemals Relevanz bekommen? Weil er der Wunschkandidat der WerteUnion ist? Die allerdings wurde gerade inklusive ihres Mitgliedes Hans-Georg Maaßen von Peter Tauber als irgendwie mitschuldig am Mord von Kassel diffamiert.  Und jetzt? Wer entscheidet darüber, über die Ein-, Aus- oder Umgrenzung des Erlaubten?

Was sind die konkreten Anwürfe von Merz gegen die AfD? Diese Partei „duldet unappetitliche Leute in ihren Reihen“. Unappetitlich? Was für eine merkwürdige Kategorie ist das eigentlich, wenn es darum geht, konkret politische Kritik zu üben?

Nun muss in dieser Sendung auch die brutale Hinrichtung des Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ein Thema sein. Maischberger zitiert Kramp-Karrenbauer dahingehend, dass die AfD eine Mitschuld daran hätte, weil sie mit ihrer Sprache eine Hemmschwelle überschritten hätte. Das allerdings hatte beispielsweise Christoph Schwennicke schon im Falle Peter Tauber als groben Schnitzer geoutet, als er schrieb: »Peter Tauber behauptet, die AfD und mancher Parteifreund trügen eine Mitschuld am Tod Walter Lübckes. Folgt man dieser Logik, wären alle 68er auch „mitschuldig“ an den Toten der RAF. Weiß der ehemalige Generalsekretär der CDU eigentlich, was er tut?«

Davon unbeeindruckt weiß Merz offensichtlich, was er im Vorwahlkampf abzuliefern hat, wenn auch er sich nicht damit zurückhält, diesen Mordfall gegen die AfD zu instrumentalisieren, wenn er bekundet, die Meinung zu teilen, dass sogar bestimmte Leute aus der WerteUnion mit Schuld sind am Tod von Lübcke, wie es Staatssekretär Tauber formuliert hatte. Das ist der eigentliche Knackpunkt der Sendung. Offensichtlich ist Merz mit dabei, die WerteUnion in Richtung AfD abzudrängen. Der Machtkampf in der Union spitzt sich weiter zu, es geht um den Markenkern der Partei.  Der Frage hätte Maischberger nachgehen können: Werden weitere CDU-Mitglieder jetzt Richtung AfD gedrängt? Leider ist Maischberger darauf nicht eingegangen. Und Merz selbst positionierte sich klar gegen jene, die ihn in der Partei noch unterstützen, bekennt sich als treuer Diener der Merkel-Linie. Der Dank wird ihm gewiß sein.

Merz würde seit geraumer Zeit beobachten, so taubert er,  „wie die politische Sprache in diesem Land verroht. (…) Wir haben es mit einer fatalen Verrohung der politischen Sprache und der Umgangsformen zu tun. Und dort wo Sprache verroht, verrohen Umgangsformen. Und dort wo Umgangsformen verrohen, geschehen politische Anschläge.“ Natürlich kommt dann wieder Gaulands „Vogelschiss“ ins Spiel.

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Die Zivilgesellschaft als Rettung vor dem Bösen?
Also der Mord an Lübcke eine Frage der richtigern Umgangsformen? Kann man noch umständlicher noch größeren Unsinn erzählen und so den Angehörigen des Ermordeten vermitteln, dass der Tod, das der Mord an ihrem Familienmitglied nun auch noch für etwas nutze sein soll – als Wahlkampfhilfe im Osten? Oh je, wie furchtbar.

Die CDU hätte die Sprache der Konservativen und Rechten in ihren Reihen immer diszipliniert und domestiziert, so Merz im Stile eines Zoologen. Warum er nicht einen Gedanken daran verschwendet, was die Sprache auf jener, der AfD gegenüberliegenden Seite angerichtet hat, ist nur ein weiteres Versäumnis von Merz.

Fragen wir doch mal: Was für Auswirkungen hat das eigentlich, wenn der Osten als „Pack“ bezeichnet oder auf der Landkarte braun dargestellt wird, wenn Medienvertreter wie Jakob Augstein und Politiker wie Ralf Stegner ausgerechnet bei Maischberger einst gegenüber Frauke Petry eine nur noch widerlich zu nennende Verrohung der Sprache präsentieren haben – wie viel Mitschuld tragen dann eigentlich solche und viele weitere Aussetzer mehr am Anschlag auf Lübcke? Nein, das eine kann nicht ohne das andere betrachtet werden, dann jedenfalls, wenn diese Schuldfrage über den oder die Täter hinweg überhaupt gestellt werden soll. Um Wahlkampf zu machen? Besser wäre es, diesen Versuch zu beenden.

Ja, es bleibt höchst fragwürdig, was auch Merz hier nach Tauber präsentiert und was nachher noch bis ins Unerträgliche von Markus Feldenkirchen weiter getrieben wird, als hätte er sich von Merz entfachen lassen.

„Jo!“, beendet Maischberger das Interview, entlässt Friedrich Merz aus der Arena. Nikolaus Blome kann dann nicht kategorisch verneinen, dass die Union auch mit der AfD koalieren könne. Die Partei von Gauland müsse eben nur die „Truppen absprengen“, die zu weit rechts aufschlagen, so wie die Grünen dereinst ihren kommunistischen Teil entsorgt hätten.

„Man muss schon sehr die Augen vor dem, was geschehen ist – einer Chronologie der Tat –  verschließen, um zu einer anderen Ansicht (als einer Mitschuld der AfD) zu kommen.“ kommentiert Feldenkirchen die Mitschuldfrage der AfD am Mord an Walter Lübcke. So einfach ist es mit der Schuld an einem Mord.

Und er erinnert an einen Auftritt von Herrn Lübcke bei einer Bürgerversammlung vor dreieinhalb Jahren, als der empfahl, die Deutschen, die christliche Werte nicht teilen würden, könnten ja ausreisen. Der Spiegel-Autor erinnert weiter daran, dass die Pegida aus Kassel davon ein Video ins Netz gestellt hätte, unter dem sich Hass-Kommentare versammelt hätten.

Dieses Video hätte die Vorsitzende Erika Steinbach einer AfD-nahen Stiftung im Februar wieder ins Netz gestellt. Da wird es allerdings selbst Blome zu bunt, der einwendet, man könne hier keine Schuldfrage aufbauen. Und wo sollte das auch enden? Beispielsweise bei Hass-Kommentaren unter in den sozialen Medien geteilten Spiegel-Artikeln von Markus Feldenkirchen? Wäre der dann auch Mitschuld? Wer so ein großes Fass aufmacht, muss wissen was er tut, sonst läuft ihm die auslaufende Brühe schnell über die Füße. Es ist Wahlkampf in Deutschland. Und es wird richtig schmutzig.

Was Tauber gemacht hat, „ist eins zuviel“, findet Nikolaus Blome. „Es ist mir ein zu simpler Strich zu sagen, das zündelt jemand und dann ist er Schuld.“ Ahnt Blome, dass diese Zündeln auch in der gegenüberliegenden Ecke verortet werden könnte? Bei den Augsteins und Stegners der Republik?

Und dann gab es da noch einen weiteren Teil in der Sendung, der sich mit dem Wetter und dem Klima beschäftigt. Indem der hauseigene Wetterfrosch Karsten Schwanke den Experten geben durfte. Der Teil ging bei Maischberger fast nach hinten los, als sich in der Publikumsbefragung ausgerechnet ein Physiker und eine Chemikerin nach einander als Klimaskeptiker outeten und ihre Haltung sogar  noch begründen konnten. Die Sendung drohte an dieser Stelle von der emotional-gefühligen auf die Sachebene zu kippen.

Aber keine Sorge: Maischberger wusste sich zu helfen. Sie fragte einfach, wo denn Friday-for-Future säße im Publikum. Sie erinnerte sich, dass hier einer Reihe von jungen Frauen eingeladen waren, die sich auch gleich brav meldeten und das emotionale Übergewicht schnell wieder herstellen konnten.

Da stimmte die Weltordnung auch in diesem Punkt wieder.

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