Böse Überraschung für Angela Merkels CDU. Ausgerechnet im schwarzen Osnabrücker Land ist die Grüne Anna Kebschull gegen einen amtierenden CDU-Politiker zur Landrätin gewählt worden. Die Grünen-Politikerin setzte sich mit 52,2 Prozent der Stimmen gegen CDU-Amtsinhaber Michael Lübbersmann (47,8 Prozent) durch. Nach dem Desaster beklagte sich der Verlierer schnell über eine miserable Wahlbeteiligung (35 Prozent). Merkel und ihre CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer haben es geschafft: Sie demobilisieren mit ihrem grünen Kurs links von der Mitte die eigene Wählerschaft. Die Ökopartei hingegen jubelt über die Verfolger des grünen Zeitgeistes. Kebschull sei die erste weibliche Kandidatin der Grünen, die eine Landratswahl in Deutschland gewonnen hat.
Nicht einmal in Merkels Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern kann die CDU noch einen eigenen Kandidaten aufstellen. Sie hat in der Hansestadt Rostock mit der FDP den parteilosen Dänen Claus Ruhe Madsen unterstützt. Der Däne hat sich in der Stichwahl am Sonntag mit 57,1 Prozent gegen Sozialsenator Steffen Bockhahn von der SED-Nachfolgepartei Die Linke (42,9 %) durchgesetzt. Auch hier lag die Wahlbeteiligung bei nur 44,1 Prozent. Ruhe Madsen (46) ist Unternehmer, Familienvater und stammt aus Kopenhagen, lebt seit 1992 in Deutschland. Damit ist Rostock mit CDU-Hilfe, die erste Großstadt Deutschlands, die einen Oberbürgermeister ohne deutschen Pass hat.
Selbst im sächsischen Görlitz musste die CDU auf einen Einwanderer aus Rumänien als OB-Kandidaten zurückgreifen. Nur eine Nationale Front fast aller Parteien unter Führung der CDU wie zu DDR-Zeiten verhalf dem Unionskandidaten Octavian Ursu (51) zu einem knappen Sieg gegen seinen AfD-Herausforderer Sebastian Wippel (36). Ursu landete mit 55,2 Prozent der Stimmen vor Wippel, der 44,8 Prozent erhielt. Im ersten Wahlgang war Ursu mit 30,3 % der Stimmen dem AfD-Kandidaten Wippel (36,4%) unterlegen. Die Wahlbeteiligung lag hier dank der Mobilisierung von Grünen und Linken für den CDU-Kandidaten bei 56 Prozent. Ursu erklärte nach dem Wahlsieg: „Die Mehrheit hat sich für eine offene Gesellschaft und gegen Abschottung entschieden.“ Der unterlegene Wippel sprach hingegen von einem respektablen Ergebnis, „wenn man bedenkt, dass alle anderen Parteien alle ihre Kräfte gegen uns mobilisiert haben“. Um einen AfD-Oberbürgermeister in Görlitz zu verhindern, hatten die Kandidaten von Grünen und Linken, Franziska Schubert und Jana Lübeck, auf ihre Teilnahme verzichtet – stattdessen warben sie für die Unterstützung des CDU-Kandidaten. Der rumänische Musikpädagoge siedelte 1990 nach Deutschland über, wo er eine Stellung als Solo-Trompeter in der Neuen Lausitzer Philharmonie in Görlitz annahm. Seit 2009 ist er CDU-Mitglied.
An der CDU-Spitze ignoriert man die Fakten. Denn die Wahlkreise der Landtagskandidaten bei der Wahl im Herbst sind höchst gefährdet – einschließlich der des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in Görlitz. In Verkennung der realen Lage will CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer jedoch im Sieg des Bukaresters Ursu durch Hilfe von Grünen, Linken und Sozialdemokraten ihre Partei plötzlich als die „bürgerliche Kraft gegen die AfD“ sehen.