Tichys Einblick
Neues Format, neues Glück?

Bei Maischberger: Spätestens Weihnachten ist die GroKo am Ende

Maischberger kämpft auch als "maischberger. die woche" weiter gegen die Zubettgeher an. Aber sie hat in dieser gelifteten Auftaktsendung zweifellos gepunktet.

Screenprint: ARD/maischberger

Die ungeschminkte Wahrheit zu Maischberger zuerst: Ganz sicher ist es ein emanzipatorischer Fortschritt, wenn nicht die Moderatorin geliftet wird, sondern das Format. Die neue Sendung mit der alten Moderatorin am selben Sendeplatz am Mittwoch heißt jetzt „maischberger. die Woche“. Und um es gleich vorweg zu sagen: Obwohl viel zuviel dagegen sprach, ist der Sendung dieses Lifting gut bekommen. Das liegt sogar fast ausschließlich an Maischberger selbst, die mit den Veränderungen gut zurecht kam, wo das Vorbild – und das gab es – vergleichsweise eine echte Bauchlandung hingelegt hatte, als Dunja Hayali ein paar Sendungen lang zeigte, wie es nicht geht, wenn vor Publikum hektisch Themen durchgehechelt und Gesprächspartner unter der Stoppuhr und schnell, schnell ihre auswendig gelernten Texte aufsagen dürfen.

Bisher war Sandra Maischbergers Talk der einzige der großen vier (neben Plasberg, Illner, Will) der ohne Zuschauer auskam. Und bei aller fundamentalen inhaltlichen Kritik war das in sofern ein Vorteil, weil diese peinlichen politischen Claqueure hier ganz wegfielen, die Sendungen der Mitbewerber der Münchnerin mitunter vollends zu öffentlich-rechtlichen und regierungstreuen Politshows gemacht haben, wo Maischberger sich oft solo aufgefordert fühlte, die politische Linie zu halten.

Das Erstaunliche passierte also: Das Lifting gelang insbesondere auch deshalb, weil der Moderatorin das neue Format zum Jungbrunnen geriet. Maischberger schien direkt Spaß gehabt zu haben, wo sie in ihrem alten Format schon Mal den Miesepeter im Gesicht hatte, wenn ihr die Dinge aus dem Ruder liefen, wenn wieder ein böser Junge zuviel Böses an der Regie vorbei in die Kamera trompetete, ohne dass man das Gesagte noch hätte wegschneiden können.

Jetzt kommt das „Aber“: Aber es war lange nicht alles eitel Sonnenschein, was mit dem neuen Sommerloch-Format daherkam. Denn wenn es sich zum Leidwesen der Zuschauer mittlerweile eingebürgert hat, dass sich die Moderatoren der großen vier öffentlich-rechtlichen Talkshows jeweils zwei Journalisten zur Hilfe holen, die Riege der politischen Gäste also noch enger überwacht werden kann, dann ist das beim neuen Maischberger-Format auf die Spitze getrieben worden, wenn gleich drei der üblichen Verdächtigen hinter einer Art Presseclubtresen sitzen und – man muss es so sagen: – großteils wie nervige Plappermäuler die Ereignisse der vergangenen Woche gemäß des Titels der Sendung nacherzählen und obendrein noch die Gespräche Maischbergers mit den anderen Gästen kommentieren sollen.

Den Zuschlag für die Jobs der drei von der Quasselstelle bekamen Bettina Gaus von der taz, TV-Moderator und Stern-Kolumnist Micky Beisenherz und Gabor Steingart. Ja, dieser Beisenherz ist witzig und er ist schnell und schlagfertig. Er ist sogar attraktiv, was die lächelnden Gesichter von Maischberger und Gaus immer wieder reflektieren und damit auch die alte Anti-Macho-Weisheit bestätigen: Mit Humor kann Mann bei den Damen am besten punkten. Das war es dann aber leider schon. Zur Witzigkeit verdammt zu sein, kann schon mal nerven. Humor bleibt Geschmacksache, noch mehr, wenn er unpassend kommt, wenn er immer wieder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem politisch so aufgeladenen Deutschland auflockern will oder es sogar entlang der Beisenherz von der Regie zugewiesenen Rolle muss.

Nicht falsch verstehen: Der nette Spaßvogel macht seine Sache richtig gut, wenn er beispielsweise Mesut Özils Frau zur Verliererin der Woche erklärt, wenn neben dem gefallenen Fußballengel der Deutschen immer nur Sultan Erdogan am Hochzeitsblumengesteck gezeigt wird, als wären die beiden verheirtet worden, wo doch eigentlich die Braut im traumhaften Hochzeitskleid glänzen sollte. Ja, da schmunzelt man gemeinsam mit Maischberger, was man aus ihren Sendungen bisher eher nicht kannte, aber es flacht dadurch eben auch ab.

Nach ca. zwanzig ersten Minuten der Wechsel ins Einzelgespräch. Und das hat es tatsächlich gleich in sich, wenn ein Peer Steinbrück der Moderatorin im neuen Format den größtmöglichen Gefallen tut, denn man tun kann: wenn er so richtig die Sau raus lässt. Nein, so etwas kann man nicht buchen, dass ist reine Glücksache.

Und das Glück kommt zu maischberger. die woche, wenn Steinbrück als einer der ersten prominenten Sozialdemokraten überhaupt das große Elend der SPD so ungeschminkt erzählt, dass es fast schon wieder humoristisch wirkt, so pointiert setzt der ehemalige Ministerpräsident, der Bundesminister, der stellvertretende Vorsitzende der SPD und der 2013 an Merkel gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat seine Spitzen.

So gut sogar, dass müssen wir hier unbedingt im Wortlaut wiedergeben dürfen: Alarmierend findet es Steinbrück gleich zu Beginn des Gesprächs, dass nur noch zwei Prozent der Bürger finden, dass die SPD  „die besten Antworten für die Zunkunft findet.“ Ja, das ist bitter. Und weiter:

„Die SPD ist spätestens seit 2005, 2006 permanent mit sich unzufrieden. Sie hadert mit sich. Das drückt sich in ihrer ganzen politischen Körpersprache aus. Und das projiziert sie auf die jeweiligen Führungspersönlichkeiten. die sie hat, und dann sägt sie sie ab und jagt sie vom Hof.“

Steinbrück gibt auch eine interessante Antwort auf die Frage, ob es der SPD denn besser ginge, würde sie die Große Koalition verlassen: „Wir haben es erlebt, dass sich die SPD nicht erneuert hat, als sie in der Opposition war zwischen 2009 und 2013. Und wir haben es erlebt, dass sich die SPD nicht erneuert hat, als sie in der Großen Koalition war. (…) Somit steht das im Zähler und Nenner und damit ist es aussagelos.“

Für Steinbrück ist die SPD in einer existenziellen Krise. Nun gut, dazu reicht ein Blick auf die Umfragen und Prognosen. Spannender wird es, wenn Steinbrück zum Seher wird, wenn er erzählt, er glaube, „dass diese Koalition Weihnachten nicht erreichen wird.“ Mit so einem Blick in die Wichtgtuer-Glaskugel hatte sich übrigens zuvor schon an der Quasseltankstelle der Journalist Gabor Steingart versucht,  als er sogar ein konkretes Datum im September nannte, das ihm, wunder wer Wichtiges, wunder wo mal zugequasselt hätte. Ach du je.

Zurück vom –gart zum –brück. Peer Steinbrück auf Betriebstemperatur mit der Auskunft, wie genau es vor Weihnachten passieren wird, dass die Koalition zerbricht: „Ob es nun der bisher terminierte Parteitag der SPD ist oder ein Sonderparteitag nach den drei Landtagswahlen in den ostdeutschen Ländern, ist nicht vorherzusehen. Aber ich glaube, dass im Lichte möglicher weiterer Niederlagen – auch noch bei diesen Landtagswahlen – die Dynamik innerhalb der SPD nicht mehr zu steuern ist und dann in der Tat es eine breite Meinungsbildung gibt, dass die SPD die große Koalition verlassen sollte.“

Das Gespräch endet damit, dass Steinbrück mehr oder weniger offen den „Wahnsinn“ ablehnt, dass einer wie Kevin Kühnert geeignet wäre, neuer Parteivorsitzender zu sein. Wahnsinn, dass der „Spiegel (das Kühnert-Titelbild der aktuellen Ausgabe wurde eingeblendet) plötzlich eine Figur, einen Neunundzwanzig-, fast Dreißigjährigen einerseits zu einer Lichtgestalt, einer messianischen Gestalt, und auf der anderen Seite zu einem Beelzebub hochhyped, was in einem absoluten Missverhältnis steht zu den Möglichkeiten, die dieser Mann haben wird und wo ich glaube, dass man ihm auch keinen Gefallen tut, weil man ihn überfrachtet mit Erwartungen.“

Direkter, ja fast gemeiner, kann man seine persönliche Wahrheit wohl kaum erzählen über diesen gigantischen Windbeutel aus dem Vorstand der Jungsozialisten.

Nun ist dieser Peer Steinbrück, auch das gehört zur Wahrheit dazu, schon ein spezieller Kandidat. Das bewies er schon, als er 2013 gegen Merkel verloren hatte, was übrigens gerade einmal sechs Jahre her ist, aber gefühlt viel länger her scheint, so wenig positiven Eindruck konnte der SPD-Kandidat hinterlassen.

Ja, der Mann ist speziell auch deshalb wohl, weil er einer der alten Garde ist und das kaum verbergen kann. Ein Auftritt wie der von Steinbrück löst 2019 tatsächlich bei vielen Menschen jüngeren Alters die Frage aus, wie sympathisch es in der heutigen Zeit noch ist, so selbstsicher aufzutreten, Erfahrungen aus der alten Schule mitzubringen und sich zuzutrauen, anstatt die Apokalypse zu besingen, Lösungswege anzubieten. Sind diese Steinbrück-Tugenden in Zeiten von Kühnert und Thunberg möglicherweise per se verdächtig geworden? Dann allerdings wäre das das parteiübergreifende und eigentliche politische Erdbeben.

So oft wir mit ihr zu Recht gemeckert haben, hier müssen wir es attestieren: Maischberger hat professionell ein interessantes Interview geführt. Spaß am Rande: Der hier so ernsthaft auftretende Gesprächspartner Steinbrück steht aktuell gemeinsam mit Florian Schroeder auf der Kabarettbühne und tourt damit wohl gerade durch Deutschland. Könnte man sich ja mal anschauen, wenn es zufällig in der Nähe ist. Vielleicht eine Überraschung.

Vom Niedergang der SPD bei Maischberger zum Aufstieg der kriminellen Clans – so ist das dann, wenn eine Sendung mehrere Themen abarbeiten soll. Hier fällt dann vor allem eine mutige Deutsche auf, die unter einem dieser Clan-Mitglieder leidet, der im selben Haus wohnt und die Hausgemeinschaft wohl tyrannisiert. Die Dame erzählt freimütig. Man ahnt, unter welchem Druck und welchen Ängsten sie leidet. Diskutiert wird das anschließend von NRW-Innenminister Herbert Reul und einer Streetworkerin mit Migrationshintergrund.

Schon auch interessant, aber umso mehr sich der Zeiger der Uhr gegen Null bewegt, desto zäher wird es. Hier würde das neue Format sicher gewinnen, wenn es deutlich früher beginnen würde – Maischberger kämpft auch als maischberger. die woche weiter gegen die Zubettgeher an. Aber sie hat in dieser gelifteten Auftaktsendung zweifellos gepunktet. Man kann ihr wünschen, dass sie diese Vorschusslorbeeren verdient hat. Glauben will man es indes noch nicht recht, zu tendenziös waren eine lange Reihe ihrer Sendungern im alten Format. Zu enttäuschend sonst.

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