Tichys Einblick
Gegen Pharisäer

Umwelt-Panik? Nein, danke!

Der Autor ist nicht allzu »ökobesorgt«, schlicht weil der Westen von weit drängenderen Gefahren in seiner Existenz bedroht ist, konkret Lernfaulheit, Logikschwäche und Manipulierbarkeit – also Faktoren, welche von der Paniklobby gezielt befeuert werden.

imago images / IPON

Ich bin stolz, keine Frage, doch ich bleibe realistisch. Meine Tochter wird heute am regionalen Mathematik-Wettbewerb teilnehmen – darauf bin ich stolz. Sie tritt allerdings gegen echte »Nerds« an, also diese menschgewordenen Klischees, welche in zehn Minuten zwanzig Beweise finden, aber sich aus Gründen der Effizienz die Haare selbst schneiden – mit der Bastelschere (und nach dem Studium im Silicon Valley mit sechsstelligem Einstiegsgehalt ins Berufsleben starten werden) – insofern bin ich realistisch.

Ich halte herzlich wenig von der »Generation Teilnahmepreis«, doch wenn man als einer von drei Schülern ausgewählt wurde für den Mathewettbewerb, dann ist das nicht Nichts!

Viele gute Gründe

Es gibt gute Gründe, die von PR-Profis geschürte Umwelthysterie abzulehnen – hysterische Weltuntergangsphantasien sind wahrlich nichts Neues – denken wir nur an die Eiszeit-Hysterie der 1970-er, als Wissenschaftler drohten, wir alle würden erfrieren (welt.de, 10.12.2009) – und immer wieder gibt es Profiteure, die gegen einen Obulus den öffentlichen oder auch »nur« privaten Weltenbrand abzuwenden versprechen. »Die Religion stützt sich vor allem und hauptsächlich auf die Angst«, mahnte der Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell, und die Vulgärreligion der Öko-Hysteriker ist keine Ausnahme. Im Mittelalter verkauften sie den Ablass, heute verkaufen sie Öko-Zertifikate. Die Inkas opferten Kinder, um die Götter zu besänftigen, heute hört man die ersten Stimmen, man solle auf Kinder verzichten – oder sie noch vor der Geburt vernichten, um Mutter Gaia ja nicht zu verärgern. Der erste Grund, die Hysterien abzulehnen, wäre ein prinzipieller: Es hat sich noch nie bewährt, wenn die Masse sich einer Hysterie anschließt, von der höchstens nur einige Eliten unanständig viel profitieren.

Hitler sah nicht »arisch« aus, Goebbels war ein Krüppel, Bessermenschen schicken ihre Kinder auf Privatschulen, und Ökonazis predigen den Verzicht, doch sie selbst jetten nicht selten kerosinhungrig durch die Welt.

Nach Moralin stinkende Meinungsmacher zitieren gerne die Bibel, selten richtig, doch wer jemals tatsächlich ins heilige Buch der Christen hineingeschaut hat, der weiß, dass Jesu Tiraden über die sogenannten »Pharisäer« (»Schlangen! Otterngezücht!«) die Guten und Gerechten von heute aufs Iota genau beschrieb. Wenn dein Leben im Widerspruch zu deiner Lehre steht, dann ist das allein ein ausreichender Grund, deine Lehre als gefährlichen Unsinn abzulehnen – wenn du selbst nicht deine eigene Lehre leben magst, wenn du selbst nicht in langen Jahren und Jahrzehnten belegt hast, dass das Leben nach deiner Lehre möglich ist, wie kannst du dich erdreisten, sie einem anderen Menschen aufdrücken zu wollen?!

Vor wenigen Tagen, kurz vor der EU-Wahl 2019, geisterte die zeitlich schlau platzierte Online-Tirade eines sogenannten »YouTube-Influencers« durch die online-politische Meinungslandschaft (im Impressum steht »Tube One«, also »Ströer Media«, welche ca. eineinhalb Milliarden Euro Umsatz im Jahr machen, siehe Ströer Geschäftsbericht 2018, S. 3). Der Schlüsselsatz jenes professionell gemachten de-facto Pro-Grüne-Spots war:

Das heißt, es geht hier nicht um verschiedene politische Meinungen, sondern es gibt nur eine legitime Einstellung. (YouTuber »Rezo«)

Im Namen vermeintlichen Umweltschutzes etabliert sich hier ein sektenartiger Glaube mit totalitären Tendenzen. Es gibt verschiedene Adjektive für Leute, die ihre Meinung für die »einzig legitime« halten, und »demokratisch« ist keines dieser Adjektive. Meine Familie hatte das Vergnügen, von zwei politischen Systemen bedrängt zu werden, die sagten, es gäbe »nur eine legitime Einstellung«, auf den dritten Versuch möchte ich »gut und gerne« verzichten.

Es gibt gute Gründe, die platten Heilslehren der selbsternannten Umweltaktivisten abzulehnen – ganz eigene Themen wären etwa die tatsächliche Umweltzerstörung durch angeblichen »Umweltschutz«, die diversen Probleme ethischer und politisch-strategischer Art bei der Gewinnung von seltenen Erden für die Batterien der E-Autos, das tatsächlich von Deutschland aus Machbare (Deutschland produziert gerade mal ca. 2,4% des weltweiten menschengemachten CO2, und deshalb würde sogar eine vollständige De-Industrialisierung Deutschlands zurück zu Pfeil, Bogen und Faustkeil einen kaum messbaren Einfluss auf den Welt-CO2-Ausstoß bewirken) – doch ein Grund, den Öko-Totalitären die Lautstärke abzudrehen, steht für mich an allererster Stelle: Es gibt ein weit, weit dringenderes Problem!

Denken tut weh

Die grünen Profiteure, die linken Heuchler und alle die Grinsefaschisten, selbst wenn sie in der Sache richtig liegen sollten – was nach aller Erfahrung zumindest kritisch beleuchtet werden sollte – selbst dann läge ihr disqualifizierender Fehler darin, ein Problem mit der Ursache eben dieses Problems bekämpfen zu wollen. Ein Problem, das durch Fokussierung auf sich selbst, durch Ausblenden der globalen Zusammenhänge und spontanes, gedankenloses Fühlt-sich-gut-an entstanden ist, wird kaum durch Fokussierung auf sich selbst, durch Ausblenden der globalen Zusammenhänge und spontanes, gedankenloses Fühlt-sich-gut-an behoben!

»Denken tut weh«, so pflegte meine Großmutter sarkastisch zu sagen (ich erwähnte es etwa im Text »Risse in der Mauer des Bullshits«). Politik, Konzerne und dubiose NGOs betreiben einen Gefühle-statt-Denken-Kult, der dem willigen Volk einredet, ihre (leicht »von oben« steuerbaren) Gefühle würden Verstand und Argumente trumpfen.

Im Gegenteil!

»Die meisten Menschen werden lieber sterben als nachzudenken«, so der oben zitierte Bertrand Russell, »und viele tun es auch.«

Die Werkzeuge der Menschen, der Länder, der Konzerne, der NGOs und sonstigen »Mächte« werden immer mächtiger, von Informationswerkzeugen bis hin zu Waffensystemen, doch die geistige Entwicklung der Menschen entwickelt sich nicht weiter – im Gegenteil!

Social-Media und andere Konzerne, kontrollieren den Alltag des Menschen und verändern – nachweisbar und messbar! – den Menschen, von der Hirnstruktur bis hin zu Denkweise, Aufmerksamkeitsspanne und Schlafrhythmus. Propaganda fährt Kampagnen, die dem Menschen die richtige »Haltung« eintrichtern und das eigene, selbstständige Denken verteufeln. Teile der Politik und diverse »Aktivisten« propagieren allen Ernstes, Schüler sollen der Schule fernbleiben, um »das Klima zu retten«; wer heute aufwächst, wird in allen seinen Lebensbereichen, den ganzen Tag über, dazu trainiert, nicht selbst zu denken, nicht Zusammenhänge zu erforschen, sondern zu reagieren und »Haltung« zu reproduzieren. Man fühlt sich heute an die Propaganda in »1984« erinnert, doch das wäre nicht ganz richtig: In 1984 zwingt der Staat die Bürger wenigstens nicht, für die Propaganda, die in ihre Wohnungen gepumpt wird, auch noch eine Extra-Zwangsgebühr zu zahlen, so weit reichte selbst Orwells Phantasie nicht.

Klassische Bildung und Forscherdrang

Im Text »Künstliche Intelligenz und Mäusespeck« schrieb ich:

China produziert noch immer die Smartphones, auf denen Westler ihre Empörung über den Westen kundtun, doch gleichzeitig besetzen sie das wichtigste Technologiefeld der Zukunft: denkende Maschinen, auch »künstliche Intelligenz« genannt. WIPO, die World Intellectual Property Organization der U.N., schätzt in einer aktuellen Studie, dass China innerhalb von wenigen Jahren die USA bei Forschung und Patenten zu künstlicher Intelligenz aufgeholt haben könnte – von Deutschland redet man nicht mehr wirklich.

Es wäre unpräzise, zu sagen, dass Deutschland »abgehängt wird« – genauer lautet es: Deutschland hängt sich ab.

Während es kaum durchsetzbar wäre – mit den Lebensversagern in Leitmedien und Parteien sowieso nicht – eine Lern-Disziplin nach chinesischem Vorbild in Deutschland zu etablieren, geben Deutschland und der links-globalistische Teil der USA auf, was den Westen so stark machte: selbstständiges Denken, klassische Bildung, fundierter Forscherdrang und die Prinzipien der wissenschaftlichen Methode.

Zuerst und zuletzt

Betrachten Sie doch die großen Probleme auf dem Globus, und prüfen Sie, was deren Ursache ist! Ganze Länder und Kulturen kommen nicht aus Armut und Gewalt heraus, weil offensichtlich ihre Denkmuster ihnen ein Bein stellen. Teilweise leben Menschen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt, und während die eine Kultur spannende Startups und immer wieder Nobelpreise hervorbringt, erzieht die andere Kultur ihre Kinder dazu, Selbstmordattentäter zu werden – zuerst und zuletzt ein Denkproblem. Ein ganzer Kontinent kämpft mit Machismo und Gewalt und Korruption – ein Problem im Denken. Und was tun Deutschland, Europa und der links-globalistische Teil der USA? Man frönt einem Kult der Dummheit, des Nicht-Lernens, des Fühlens statt Denkens.

Ich fürchte die im Westen von Propaganda, NGOs und Konzernen angeheizte Dummheit weit mehr, als einen eventuell etwas steigenden Wasserspiegel. Mit Klugheit und Ingenieurskunst wird sich da eine Lösung finden lassen – Roboter, welche die Weltmeere entmüllen, zum Beispiel – mit Dummheit jedoch wird der Mensch sogar das Paradies zur Hölle werden lassen. (Betrachten Sie einfach die zahlreichen »Paradiese« dieser Welt mit hohen Palmen, türkisfarbenem Wasser und zuckerweißem Strand, welche durch schlechtes Denken zur Hölle-auf-Erden wurden).

»Ich will, dass ihr in Panik geratet«, lautet der Leitspruch jener Prophetin der unreflektierten Hysterie, »ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.« (welt.de, 25.1.2019) – Die Verlautbarung jener neuen kindischen Prophetin klingen wie eine seelische Schieflage auf der Suche nach einer Rechtfertigung und – wichtig! – der Abgabe von Verantwortung nach außen – womit sie natürlich die perfekte Leitfigur für die »Generation Smartphone« ist.

Ja, ich spüre gewisse Sorge – »Panik« ist ein zu großes Wort – doch ich erlaube mir, zu handeln. Im Privaten handele ich zum Beispiel, indem meine Kinder ohne TV und Smartphones aufwachsen, aber mit Büchern und Mathematik – neben diversen Sportarten. Im »Großen« (und wir werden jeden Tag mehr), handele ich, indem ich denen Mut zu geben versuche, die es wagen, sich gegen alle Widerstände ihre eigenen Gedanken zu machen.

Nein, ich will nicht, dass »ihr in Panik geratet« (Ihren E-Mails zufolge sind dennoch ziemlich viele von Ihnen bereits in Panik). Panik führt zu Dummheit – eine »panische« Menge lyncht vermeintliche Hexen und brennt die Häuser von Ungläubigen nieder – und Dummheit werden wir nicht mit Dummheit bekämpfen (wir sind ja keine Grünen, welche die Umwelt »retten« wollen, indem wir sie beschädigen).

Ich will nicht, dass »ihr in Panik geratet«. Ich will, dass ihr euren Kindern die Smartphones wegnehmt und ihnen dafür ein Buch gebt! (Nein, es wird keinen Applaus geben, wahrlich nicht, es ist jedoch einfacher, wenn die Eltern mit gutem Beispiel vorangehen!)

Ich wünsche uns, dass wir den Mut haben, über die tatsächlichen Zusammenhänge nachzudenken, wie laut die Menge auch die Tagesparolen mitjohlen mag.

Wir haben heute ein Auto gemietet (mit dem Bus wäre es arg umständlich), und wir holen gleich die Tochter vom Mathewettbewerb ab. Ich bin gespannt, wie sie sich geschlagen hat, sie und die beiden anderen Jungs, die von ihrer Schule entsandt wurden.


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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