Tichys Einblick
"Haben sich die Volksparteien überlebt?"

Bei Maischberger: „Ohne Gülle geht’s nicht!“

Schön zusammengefaßt, was wichtig war an dieser Folge Maischberger, in einem Satz von Reiner Haseloff zu Klima und Landwirtschaft: "Ohne Gülle geht's nicht!"

Screenshot ARD

Robin Alexander, Kevin Kühnert, Nico Semsrott und Reiner Haseloff treffen sich mit dem Bollerwagen am Wiesengrund, um am Vatertag einen drauf zu machen. Da wird nicht politisiert, sondern mal so richtig gesoffen und über die doofen Weiber geschimpft. Schön wäre es für die vier, aber hier soll über den gemütlichen Abend davor auf dem Sofa bei Maischberger berichtet werden. Über eine, das darf getrost schon an dieser frühen Stelle verraten werden, der einschläferndsten Sendungen Maischberger aller Zeiten, wenn nach Anne Will und Frank Plasberg nun auch die dritte Moderatorin von ihren Gäste wissen will: „Der Wahlschock: Haben sich die Volksparteien überlebt?“

Der Welt-Journalist mit dem Vornamen als Nachnamen ist heute ganz besonders Robin Alexander, wenn er bei Maischberger am späten Abend wieder diesen leidenden Gesichtsausdruck auflegt, der den Mitdiskutanten sagen will: Ach je, ich verzweifle bald an eurer Dummheit. Schmerzverzerrt, als müsse man ihm gleich mal einen Verband anlegen um die beleidigten rotglühenden Ohren.

Ihm gegenüber sitzt mit Kevin Kühnert ein menschliches Kuriosum. Wenn der Juso-Führer einmal verbal loslegt, dann sucht man den schlauen Zwerg im Mann, dann schaut man irritiert, vielleicht so, wie die Leute im 18. Jahrhundert am Habsburger Hof gestaunt haben mögen, als ihnen zum ersten Mal der Schachtürke vorgeführt wurde, ein Schachautomat, in dessem Inneren versteckt ein begabter Zwerg saß und die Figuren bediente. Tatsächlich kann der Kevin quasseln, dass sich der Zuschauer fragt, was da in seinem Inneren vorgeht, wenn erst einmal der Hebel auf Furor umgelegt wurde und Robin den Kevin anschaut, als hätte er was echt Rätselhaftes gesehen.

Nach den Wahlen
Anne Will: Mission Accomplished!
Kommen wir zum Christdemokraten in der Runde, zu einem alten weißen Mann, der das an diesem Abend auch mehrfach gesagt bekommt, als wäre es kein Altersrassismus, sondern eine verdiente Beschimpfung für Überlebende, kommen wir zum 65-jährigen Ministerpräsidenten Reiner Haselhoff (CDU), der seit 2011 die Geschicke des Landes Sachsen-Anhalts lenkt und als echter Ossi erst die NVA absolvierte und dann wie die Bundeskanzlerin im selben Jahr 1973 ein Physikstudium begann. Aber nicht wie Merkel in Leipzig, sondern in der sächsischen Nachbarstadt Dresden. Ach, der Herr Haseloff konnte einem schon leid tun, so hineingeworfen in diesen neuen Jugendwahn nach Greta ohne eine Chance, dem Schachtürken, pardon, den Juso-Vorsitzenden neben ihm auf dem Sofa ein paar unausgereifte jugendliche Ideen an den Kopf zu schmeißen oder nur eine gedankliche Rochade zu unternehmen.

Nein, für solche Spontanitäten ist der katholische Vater zweier Kinder nicht zu haben. Und mit jeder Minute, die im ARD-Studio verrinnt, sieht man ihm mehr an, wie er leidet an diesem neuen Jugendwahn, wie er sich zunächst sogar fast hilflos heranrobbt an den Kandidaten der Partei, der es als Mitarbeiter sowohl der Heute-Show, als auch  von Martin Sonneborn überraschend ins EU-Parlament geschafft hat. Die Rede ist von Nico Semsrott, der den ganzen Abend seine schwarze Kapuzenjacke nicht vom Kopf streift, bis man sich ganz sicher ist, das sein Friseur richtigen Mist gemacht haben muss, aber es bleibt bis zum Schluss sein Geheimnis, auch hier springt am Ende der Zwerg nicht aus dem Schachtürken oder der Irokese aus der Mütze.

Wir haben also einen christdemokratischen Ministerpräsidenten, der sogar schon Enkel hat, also ein richtiger Greis sein muss, der von seinen Enkeln stolz erzählt, dass sie im schon mal die Welt der Anderen, also der jungen Leute, via Smartphone erklären. Neben ihm der aufbrausende Kühnert, der dem guten Alten immer wieder in die Parade fährt, wenn der wieder was vermeintlich Antiquiertes erzählt. Und gegenüber neben Alexander (nein, dazwischen noch jemand, zu dem wir gleich noch kommen) sitzt der Kapuzenjunge, der den Alten ab 62 das Wählen gleich ganz verbieten möchte, schließlich würde man auch erst mit 18 beginnen dürfen, da könnte man hinten auch was wegschneiden. Lacher? Nö, Maischberger wird ohne Publikum aufgezeichnet.

Zwischen dem „Hofnarren“ – Haseloff wird mit dieser Zuordnung tatsächlich den Angreifer der Spaßpartei noch zu verteidigen suchen – , also zwischen Nico Semsrott und Robin Alexander sitzt noch die  Quotenfrau des Abends, sitzt im grauen Hosenanzug  – wenn wir über Kapuzenjacken reden, dürfen wir auch Hosenanzüge erwähnen – sitzt also Marion von Haaren, die Korrespondentin im Hauptstadtstudio der ARD.

Von Haaren muss wohl am Vatertag danach echte Kopfschmerzen haben, so oft und fleißig sie zu allem nickt, was von den beiden viel jüngeren Männern an Blödsinn zum Besten geben wird. Sandra Maischberger leidet sonst auch öfter mal an so einem reflektierenden Jugendwahn, aber dieses Mal muss sie sich vor von Haaren geschlagen geben.

Warum es Maischberger wie Plasberg macht, und sich also noch zwei Journalisten dazu gebeten hat, wird ihr Geheimnis bleiben. Ausplaudern wird sie im Verlaufe der Sendung, das sie ganz sicher keinen Vertreter des Oppositionsführers im Deutschen Bundestag zugeladen hätte, selbst wenn das Sofa doppelt so lang gewesen wäre, sagt sie so ähnlich, als ihr der Kapuzenjunge seine Anwesenheit damit erklärt, dass er so immerhin einem AfD-Politiker den Platz genommen hätte.

Gut, einen Vorteil hat es, dass wieder einmal Robin Alexander eine solche Show durchleidet, als ihm mehrmals der Kragen platzt und er so etwas wie Ernsthaftigkeit einfordert, als der angehende Welterklärer gesteht, dass er die Welt nicht mehr so recht versteht, wenn er an den Siegeszug von Komikern in der Weltpolitik erinnert, an Wolodymyr Selensky, den neuen Boss der Ukraine und an „Beppe“ Grillo in Italien.

Der Kragen des Welt-Journalisten platzt also immer mal wieder an Semsrott, aber nicht wegen dessen depressiver Kunstfigur, die er aus der Heute-Show herübergeschleift hat und nicht loslassen will, sondern wegen des Blödsinns, den der erzählt, auch noch dann, wenn  er ganz ernsthaft ein paar Fakten hinblättern will, aber eben genau dran scheitert: Text nicht gelernt, schlecht vorbereitet.

Fast ein bisschen ratlos wirkt Kühnert, als ihn Maischberger damit konfrontiert, dass unter den Erstwählern sogar noch mehr die 2,4-Prozent-EU-Ulkpartie des Kapuzenmannes gewählt hätten als die SPD, die dort erst an desaströser sechster Stelle folgen würde, was also den potenziellen SPD-Jugendmagneten schon ziemlich alt aussehen lässt. Nein, Kevin ist nicht Greta und Kapitalismuskritik keineswegs so attraktiv wie eine veritable Klimaapokalypse.

Da steht dann also die Frage im Raum, was Volksparteien tun könnten, um das Vertrauen der Jugend zurückzugewinnen. Der Ministerpräsident versucht es damit, darauf hinzuweisen, dass noch zu wenig der jungen Leute wählen gehen und diese Altersgruppe sowieso nur zehn Prozent der Wähler ausmache – oder meinte er explizit die Erstwähler?

Egal. Besser wäre es sowieso gewesen, der nette Enkelopa mit dem schütteren Haar, aber ohne Kapuzenjacke, dafür mit akkuratem Krawattenknoten, hätte mal energischer drauf hingewiesen, dass diese Behauptung einer neuen politischen Jugend ein Quatsch ist. Denn wer Kinder oder Enkel hat, die zur Schule gehen, der erfährt schnell, wie wenig Substanz dieser Tanz ums Klimakalb in Wirklichkeit hat und dass es da auch ein stückweit mehr um Aufmerksamkeit und Unterhaltung geht als um echte Apokalypsesorgen.

Nein, die jungen Leute sind da viel taffer unterwegs als die Alten, die ihnen den Wassereimer hinterher tragen und in absehbarer Zeit alleine auf diesen Fridays-for-Future-Demonstrationen stehen werden, weil es dem jungen Volk dann endgültig peinlich geworden ist, neben ihren nostalgisch-aufgeregten Demo-Eltern und Großeltern zu stehen und für die Sache Angela Merkels zu demonstrieren.

Tarnen und täuschen
Hart aber Fair: Sieg der Klimaapokalypse über die Massenzuwanderung
War noch was? Ach ja, der aufgeregt Kevin auf die Frage, ob er gegen Nahles antreten will: „Das interessiert mich n‘ Scheiß.“ Uh, wie böse. Uh, wie Rap. Uh, wie langweilig. Wäre da nicht der Herr Alexander gewesen, der in dieser pseudo-jugendlichen Prollerei noch das heimliche schlaue Männlein im Schachtürken erkannt haben will, als er versucht zu erklären, wie die kleine sozialistische Pöbelmaschine funktioniert, als er mutmaßt, dass Kühnert Chefin Nahles auch deshalb noch nicht frontal angehen würde, weil er sie jetzt nicht stürzen wolle, „sondern erst im Dezember – und die GroKo will er gleich mit abräumen“. Aber ob der aufgeregte Herr Kühnert überhaupt zu so einem wohlüberlegtem Schachzug fähig ist?

Am Folgetag schön zusammengefaßt alles in einem Satz, was wichtig war an dieser Talkshow, schlussendlich ein Satz von Reiner Haseloff zum Klima und zur Landwirtschaft: „Ohne Gülle geht’s nicht!“ Er ist der Sieger des Abends, auch wenn er nicht der lauteste war.

Also Männer, schnell den Bollerwagen geschnappt, die Kapuze über die Ohren gezogen und ran ans Feld, ein bisschen frische Landluft schnuppern und dazu ein paar gut gekühlte Dosen knacken. Prost Mahlzeit.

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