„Der Sozialismus siecht“, lautete einst ein Bonmot in der DDR – doch unterzukriegen ist er offenbar nicht. Als 1989 die Diktatur der SED gestürzt wurde, hätte jedenfalls kaum jemand gedacht, dass die Partei 30 Jahre später in vielen Parlamenten und drei Landesregierungen sitzen würde. Durch viermalige Umbenennung gelang es ihren Funktionären, sie in das vereinigte Deutschland zu retten.
Viele der alten Genossen machen noch immer Politik. Gregor Gysi, der letzte Vorsitzende der SED, sitzt seit 1990 fast ununterbrochen im Bundestag. Sein einstiger Schatzmeister Dietmar Bartsch ist heute Vorsitzender der Linksfraktion. Petra Pau, früher hauptamtliche SED-Funktionärin im FDJ-Zentralrat, sitzt dem Bundestag als Vizepräsidentin vor. Wie viel DDR steckt heute noch in der Linkspartei?
Da sind zum einen ihre Mitglieder. Noch immer wohnt mehr als die Hälfte im Osten Deutschlands. Im Berliner Bezirk Lichtenberg, wo einst die Stasi residierte, gehören ihr fast doppelt so viele an wie im ganzen Bundesland Bremen. Viele sind schon eingetreten, als die Partei noch SED hieß.
„Produktiv pro DDR“ – Linken-Politiker Gregor Gysi und Hans Modrow beim Parteitag der PDS im Februar 1990
Entsprechend stark fühlt sich Die Linke mit der DDR verbunden. Laut Programm kämpft sie immer noch für den Sozialismus, und die Diktatur der SED wird als Versuch bezeichnet, eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Die Ablehnung der Markwirtschaft durchzieht das Programm wie ein roter Faden.
In Berlin, wo die Linke seit Ende 2016 an der Regierung beteiligt ist, kann man studieren, wohin dies führt. Der langjährige Parteichef Klaus Lederer ist seit jetzt Kultursenator. Er fördert vor allem eine Kultur, die sich als links versteht. Statt der gesamten Stadt zu dienen, betreibt er Klientelpolitik.
Aus diesem Grund hat er den von seinem Vorgänger berufenen Intendanten der traditionell linken Volksbühne, Chris Dercon, nach kurzer Zeit wieder aus dem Amt vergrault. Wenig später setzte er in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im früheren Stasi-Gefängnis in einem putschähnlichen Verfahren die sozialismuskritische Leitung vor die Tür. Und von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, wurde der „Humanistische Verband“, der atheistische Namens- und Jugendfeiern wie einst in der DDR organisiert, rechtlich und finanziell in Berlin den Kirchen gleichgestellt. Selbst so renommierte Kultureinrichtungen wie das Brücke-Museum verunstalten ihre Ausstellungstexte inzwischen mit Unworten wie „Künstler*innen“ und „Mäzen*innen“.
Putschähnliches Verfahren – Hof des ehemaligen Stasi-Gefängnisses in Berlin-Hohenschönhausen
In der Wohnungsbaupolitik sieht es ähnlich aus. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit sorgte die zuständige Linken-Senatorin Katrin Lompscher – seit 1981 Mitglied der SED – für einen Skandal, als sie den früheren hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter Andrej Holm zum Staatssekretär ernannte. Später wollte sie den Wohnungsmangel wie zu DDR-Zeiten mit einer Tauschbörse beheben. Dabei ist sie selbst eine wesentliche Ursache für Wohnungsnot und Mietenanstieg, so dass sie der „Tagesspiegel“ bereits als „Bauverhinderungssenatorin“ bezeichnete und ihre Entlassung forderte.
Unter Lompschers Ägide hat sich die Zahl der festgesetzten Bebauungspläne im Vergleich zu 2016 – dem letzten Amtsjahr ihres Vorgängers – halbiert. Gleichzeitig setzt sie sich als Regierungsmitglied für die Enteignung privater Wohnungsbauunternehmen ein und beteiligte sich – „privat“, wie sie erklären ließ – im April 2019 an einer Demonstration gegen den eigenen Senat. Den Europawahlkampf nutzt Die Linke derzeit, um Unterschriften für ein Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zu sammeln. Die dringend benötigten Investoren suchen unter diesem Umständen das Weite, so dass die Mieten noch mehr steigen. Dass Mietenanstieg und politische Radikalisierung von der Linken gewünscht werden, bestätigte Parteichefin Katja Kipping auf dem Berliner Landesparteitag Anfang Mai, als sie die Forderung nach Enteignungen als „Treibstoff für eine Radikalisierung nach links“ bezeichnete.
Treibstoff für eine Radikalisierung nach links – Linken-Vorsitzende Katja Kipping und Ex-SED-Chef Gregor Gysi (1)
Wegen seiner wirtschaftsfeindlichen Politik hat die Industrie- und Handelskammer dem rot-rot-grünen Senat von Berlin im März 2019 ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Bei einer Umfrage unter den Unternehmen der Hauptstadt bewerteten 59 Prozent von ihnen die Investorenfreundlichkeit Berlins mit „schlecht“. Bei der Baupolitik fiel das Urteil mit 73 Prozent noch verheerender aus. Übertroffen wurde es noch von der Bewertung der Verkehrspolitik, die 75 Prozent der befragten Unternehmen als schlecht bezeichneten.
Inzwischen ist der sozialistische Funke auch auf die Berliner Grünen übergesprungen. Sie haben Angst, ihre Wähler könnten sonst zur Linken abwandern. Vergangene Woche sprach sich ein kleiner Parteitag für Enteignungen als letzte Möglichkeit aus. Mitunterzeichner des Antrags waren auch die drei grünen Senatsmitglieder, darunter Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, die eigentlich für ein investitionsfreundliches Klima sorgen müsste. Damit setzen sich zwei der drei Parteien der rot-rot-grünen Koalition in Berlin offen für Verstaatlichungen ein. Da wundert es kaum noch, dass Berlin vor wenigen Wochen eine weitere DDR-Tradition wiederbelebt hat: Der von der SED mit großem Propagandaaufwand begangene Frauentag ist in Berlin seit Neuestem gesetzlicher Feiertag.
Der Beitrag von Hubertus Knabe erschien in gekürzter Form am 21. Mai 2019 im Weser-Kurier.
(1) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gregor_Gysi_und_Katja_Kipping._Parteitag_in_Bonn,_2019.jpg