Die Zeitung Die Welt hat sich einmal umgeschaut, was die CDU Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) mit europäischen Zeitungen wie „Le Figaro“ (Frankreich), „La Repubblica“ (Italien), „El País“ (Spanien), „Ta Nea“ (Griechenland) und „De Telegraaf“ (Niederlande) zu besprechen hat und beispielsweise in Sachen Zuwanderung über das Mittelmeer Erstaunliches zu Tage befördert: Kommentare, die den Schluss zulassen, dass AKK in den so genannten Werkstattgesprächen zur Migration der CDU hinter verschlossenen Türen Tacheles geredet hat.
Danach plädiert die CDU-Chefin für eine grundlegende Reform der europäischen Flüchtlingspolitik: „Die Flüchtlingskrise insbesondere seit dem Jahr 2015 ist entstanden, weil gerade Europa nicht funktioniert hat.“ Nun folgt das zunächst nur der These der misslungenen Umverteilung, aber AKK hat noch mehr zu bieten, wenn sie eines dieser vielen Tabus der etablierten Politik bricht und die NGO und damit auch die diese unterstützenden deutschen Kirchen und die sich zu „sicheren Häfen“ erklärenden deutschen Städte angreift, wenn sie sich – so muss man es interpretieren – gegen die so genannte „Seenotrettung“ vor der Küste Nordafrikas ausspricht.
Konkret heißt es da bei AKK über die zu Wasser gelassenen Schlauchboote: „Das ist aus meiner Sicht organisierte Kriminalität.“ Kramp-Karrenbauer beschreibt diese „Seenotrettungen“ als Teil eines Geschäftmodells, wenn sie sagt: „Man muss trotzdem sehr klar sagen, dass natürlich ein Teil des Geschäftsmodells, ich sage das so hart, von organisierter Kriminalität von Schleppern genau darauf beruht, dass sie die Menschen ganz bewusst in lebensgefährliche Situationen bringen, weil sie darauf setzen, dass sie entsprechend aufgefangen werden.“ Letzteres ist nun die klare Positionierung und der politische Spurwechsel, wenn hier unmissverständlich der direkt Bezug von den Schleppern zu den NGO-Schiffen hergestellt und diese Zusammenarbeit bzw. dieses Zusammenspiel verurteilt wird.
Zwar ist diese – ob nun freiwillige oder unfreiwillige – Kooperation für AKK eine „humanitäre und ethisch sehr schwierige Frage, weil es richtig ist, dass man Menschen, die in Seenot sind, nicht ertrinken lässt.“ Aber das hat überall auf den Weltmeeren für ehrenhafte Seeleute seine Gültigkeit und wird von niemandem ernsthaft bestritten. Für AKK ist auch klar, dass es sich hier oft eben nicht um Flüchtlinge handelt, sondern um Wirtschaftsmigranten, wenn sie sagt, hinter der Migration aus Afrika stecke „oft der Impuls von Menschen, woanders ein besseres Leben zu finden. Aber es gibt mittlerweile eine hohe Zahl an Menschen, die mit diesem Elend Geld verdienen.“
„Wenn man die austrocknen will“, so Kramp-Karrenbauer, „dann muss man im Grunde genommen dort ansetzen, wo das Geschäftsmodell beginnt, das heißt verhindern, dass Schlauchboote oder was auch immer überhaupt zu Wasser kommen.“ Und wie kann man das am wirksamsten verhindern? Eben indem man NGOs daran hindert, ihre Schiffe überhaupt zu Wasser und vor die nordafrikanischen Küsten zu bringen. Indem man diese Transportkette unterbricht. Eben das scheint die Idee von Kramp-Karrenbauer zu sein, basierend auf den Erkenntnissen aus den Werkstattgesprächen der CDU zu diesem Thema.
Eine erstaunliche Willensbekundung, wenn man gleichzeitig mitdenkt, welche Anstrengungen die Bundeskanzlerin weiterhin ungebremst unternimmt, Zuwanderung u.a. mit der stringenten Umsetzung ihrer UN-Flüchtlings- und Migrationspakte für Deutschland noch zu befördern. Wenn das alles vom Schauspiel der individuellen Profiliierung tatsächlich einmal in die offene Konfrontation, wenn es zum Showdown der beiden Damen kommen sollte, dann wäre das sicher gut für die weiteren Geschicke des Landes. Aber weil Kramp-Karrenbauer geahnt hat, wie ihre Worte ankommen könnten, hat sie die Beschwichtigung gleich mit eingebaut, wenn sie betont, sie sei nicht gekommen, um an Angela Merkels Stuhl zu sägen.
Sagt sie, während die Geräusche doch klar vernehmbar sind. Beispielsweise dann, wenn AKK die Schuld der CDU in der Flüchtlingskrise im Gegensatz zur Verursacherin Merkel benennt: „Wir haben mit zu wenig Aufmerksamkeit und zu wenig Unterstützung zu lange zugeschaut, und die Länder, die eine Außengrenze haben und die sehr stark mit den steigenden Flüchtlingszahlen konfrontiert waren, alleine gelassen. Auch wir als CDU, das sage ich sehr offen.“
Nein, ernst kann man es dann nicht mehr nehmen, wenn sich AKK auch hier einen Notausgang offen lässt, wenn sei fast widersinnig anfügt, sie halte „die Politik, die Angela Merkel in den letzten Jahren in Sachen Migration gemacht hat, für absolut richtig“. Denn auch hier folgt sofort ein dickes „Aber“: „Aber mit Blick auf die Frage, was haben wir seitdem gelernt, haben wir in unserem Werkstattgespräch Konsequenzen gezogen.“ Nun gilt es für die politischen Kräfte innerhalb der CDU die Parteichefin beim Wort zu nehmen und sie dazu zu zwingen, noch konkreter zu werden oder eben abzuschwören, will sie nicht den Eindruck erwecken, hier so kurz vor den EU-Wahlen noch ein paar Stimmen zu ködern.