Wenn selbst der Historiker, der wie kein zweiter für das Projekt des Westens warb, wenn selbst Heinrich August Winkler der EU gravierende Demokratiemängel vorwirft, zeigt das, in welch besorgniserregendem Zustand sich die Brüsseler Administration befindet. Eine Episode verdeutlicht das auf ganz eigene Art.
Im Fernsehen und im Wahlkampf generell wird der Eindruck erweckt, dass die Bürger EU-Europas die Kommission und den Kommissionspräsidenten direkt wählen könnten. Deshalb wird euphemistisch von Spitzenkandidaten gesprochen und dem staunenden Publikum ein Wahlkampf im Stil einer Vorabendserie vorgeführt.
Die Brüsseler Bürokratie jedenfalls scheint nicht allzu viel von Demokratie zu halten. Wäre es anders, würde sie sich um eine echte demokratische Legitimation bemühen. Frans Timmermans hätte nach dem Absturz seiner Partei in den Niederlanden zurücktreten müssen. Was berechtigt ihn, Kommissar zu sein? Demokratisch gesehen ist er ein Widergänger. So entsteht der Eindruck, dass die EU-Kommission eher ein Klub der Bürokraten als ein Gremium der Demokraten ist. Auch der polnische Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, ist als Politiker in seinem Heimatland gescheitert. Obwohl die Polen ihn abwählten, regiert er weiterhin über sie und nicht nur über sie, so wie der Niederländer Timmermans über alle Bürger der Mitgliedsstaaten der EU. Brüssel eine ABM-Maßnahme für gescheiterte Politiker, eine Oligarchie von Leuten, die sich für die Elite halten? Ist EU-Europa nicht mehr wert? Ohne echte demokratische Legitimation wird die EU scheitern. Als erster Reformschritt müsste eine Begrenzung der Amtszeiten für die EU-Kommission und den Präsidenten des Rates der Europäischen Kommission eingeführt werden.
Es kommt darauf an, dass die EU-Administration Europa nicht großen Schaden zufügt, es wäre gut, wenn sie an Europa dächte und Europa oder auch nur die EU nicht mit der eigenen Macht verwechseln würde.