Tichys Einblick
Deutschland als Störfall in Europa

Blackout: Camping zu Hause sollte gut vorbereitet sein

In Österreich laufen Vorbereitungen, wie ein großflächiger Stromausfall bewältigt werden kann. Dabei sorgen sich unsere Nachbarn darum, dass ein leichtfertig herbeigeführter Black-Out in Deutschland auch auf ihr Stromnetz durchschlagen könnte.

Knäckebrot, Gulaschsuppe, serbische Bohnensuppe und zur Abwechslung vielleicht auch einige Debrecziner – das gehörte zu den Notfallempfehlungen. Die eisernen Reserven standen in dieser Woche auf dem Tisch bei der Präsentation der Übung »Helios« österreichischer Ministerien, Katastrophenschutz-Behörden und Zivilschutzorganisationen.

Grenzen mit Strom-Sperranlagen
Österreich macht gegen deutsche Energiewende mobil
Die Bewohner von Bergdörfern sind auf gesperrte Zugangsstraßen und gestörte Stromversorgung eingerichtet, nicht aber die Bewohner der Städte. Wasser, Lebensmittel und Kerzen gibt es im nächsten Supermarkt, nicht mehr jedoch, wenn der Strom ausfällt. Neben der Empfehlung für genügend Toilettenpapier ( wobei die österreichischen Offiziellen nicht verrieten, wo im Ernstfall …) dürfe nicht der entsprechende Gaskocher vergessen werden, mit dem »das eine oder andere Süppchen« gekocht werden könne, wie Vizekanzler Heinz-Christian Strache ergänzte.

Das müsse man sich vorstellen wie »Campen daheim«, sagte Innenminister Herbert Kickl, der beim Ministerrat in Zivilschutz-Uniform auftrat. »Bereiten Sie sich vor, wie für einen zweiwöchigen Campingurlaub in den eigenen vier Wänden.«

Leichtfertige Vertrauensseligkeit
Blackout II: Agenda für den Notfall
Das staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement der Republik Österreich zeichnete als Übungsgrundlage folgendes Lagebild der Energieabdeckung auf dem Kontinent: In den meisten Ländern Deutschland, Frankreich, Spanien, Schweiz und Italien stimmten nur noch 70 % des Stroms zur Verfügung, in weiter östlichen Gelegenen nur noch 50 bis 60 Prozent. Folge: längere Stromausfälle.

»Es war wirklich extrem wichtig, einmal diesen Extremfall zu simulieren«, sagte Österreichs Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und fuhr fort: »Das Szenario eines Energiemangels ist nicht aus der Luft gegriffen.«

Drei Tage probten verschiedene Dienststellen Stromausfall. Noch zählt auch Österreich zu den Ländern mit einer relativ sicheren Stromversorgung. Doch Deutschland mit dem einmaligen Energiewende-Experiment wird immer mehr zum unsicheren Kantonisten im europäischen Stromverbund. Stärkere Schwankungen können im Netz erhebliche Folgen haben.

Fahrlässig ohne Vorsorge
Blackout: Koordinator dringend gesucht
In den österreichischen Medien sorgte »Helios« für hohes Interesse. »Auch die Umstellung auf erneuerbare Energien birgt Risiken«, erklärte ein Beitrag in der ORF-Sendung ZIB 2. »Ist es zu kalt, windstill oder führen Flüsse zu wenig Wasser, kann es zu Stromengpässen kommen. Und mit den neuen Energieformen lassen sich Stromschwankungen schwerer ausgleichen als durch Kohle- oder Gaskraftwerke.«

Österreich produziert selbst mit vielen Wasserkraftwerken hohe Strommengen, fragte der Moderator anschließend, wieso ist ein mehrtägiger Stromausfall überhaupt denkbar?

Es müsse ein Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch vorhanden sein. »Und da sprechen wir nicht auf nationaler Ebene«, erklärte Studiogast Robert Stocker, Leiter der Abteilung Krisen- und Katastrophenmanagement, »sondern wir sind eingebettet in eine internationale Ebene.« Und: »Wir leben in einer vernetzten Welt.«

Kurz vorm Blackout
Deutschland (fast) ohne Strom
Letzter Anlass für die Übung war jener heftige Störfall am 10. Januar dieses Jahres, als gegen 21 Uhr die Frequenz im Stromnetz auf 49,8 Hertz absackte, jener Grenzwert, ab dem es gefährlich wird und das Stromnetz zusammenbricht. Ein Computerfehler an der Schnittstelle zwischen dem Netz der deutschen TenneT TSO GmbH und der österreichischen Austria Power Grid AG (APG) habe den Störfall ausgelöst, hieß es in dürren Worten. Doch dahinter verbergen sich katastrophale Fehlentwicklungen bei deutschen Stromversorgern.

Netzbetreiber auf österreichischer Seite lassen über drei verschiedene Kanäle die wichtigen Daten zur Steuerung der Stromflüsse laufen. Die Werte werden ständig miteinander auf Plausibilität verglichen. Diese dreifache Redundanz endet an der Übergabestelle St. Peter zur TenneT TSO GmbH, dem Übertragungsnetzbetreiber auf deutscher Seite. Auf deutscher Seite gibt es jedoch nur noch einen Kanal – vielleicht aus Sparsamkeitsgründen des niederländischen Eigentümers, spekulieren österreichische Experten. Dieser Informationskanal hat seinerzeit nicht mehr funktioniert mit jenen fatalen Folgen.

Suzanne Thoma, Stimme der Energieindustrie
Europa ohne Energie - Was zählt schon Versorgungssicherheit?
Deutschland mit seiner zunehmend flatterhaften Stromproduktion und den schlechter werdenden Stromnetzen gilt immer mehr als unsicherer Kantonist im europäischen Stromverbund. In Wien werden die Ergebnisse der Übung »Helios« in den kommenden Tagen genauer analysiert. Es wurden gesetzliche Maßnahmen angekündigt, denn in Österreich wird mit Sorge gesehen, dass sich die kritische Situation der europäischen Netze durch die in den nächsten Jahren geplanten Abschaltungen in Deutschland noch weiter verschärfen wird.

In Berlin übt sich die Bundesregierung derweil mit Pfeifen im Wald: Sie hatte gerade in der Antwort ( Drucksache 19/9656 ) auf kleine Anfrage von Steffen Kotré, Tino Chrupalla, Enrico Komning und weiterer Abgeordneter der Fraktion der AfD beteuert: »In diesem Austausch hat die sichere Stromversorgung den höchsten Stellenwert.«
Die Abgeordneten fragen nach der Sicherheit der Stromversorgung, wenn die Kraftwerke stillgelegt und die Kohlegruben dichtgemacht sein werden. Sie beziehen sich auf die Aussage der Bundesnetzagentur, dass die Stilllegungen eine »nicht zu rechtfertigende Gefährdung der Versorgungssicherheit in Deutschland darstellen und darüber hinaus zu einer erhöhten Abhängigkeit von Stromimporten führen werden.«
Die Bundesregierung führt als Begründung an, dass die zuständigen Bundesnetzagentur, die Übertragungsnetzbetreiber, die Deutsche Energieagentur DENA sowie der BDEW »in der Tat einen hohen Sachverstand hinsichtlich des deutschen Stromsystems« besäßen.

Gezielt Verbraucher vom Strom abschalten
Planung für den Blackout
Sie listet die Übernahme von Kraftwerken in die Netzreserve, den Netzentwicklungsplan und die Sicherheitsbereitschaft als Prozesse auf, die dem Erhalt und der Stärkung des Stromnetzes dienten. »All diese Instrumente wirken auch beim Kohleausstieg weiter, sodass alle wichtigen Aspekte des Netzbetriebs überwacht werden und so sich möglicherweise abzeichnenden Schwierigkeiten frühzeitig und adäquat begegnet werden kann«, fügt die Bundesregierung hinzu. Das Bundeswirtschaftsministerium tauscht sich den Angaben zufolge derzeit vertieft mit Bundesnetzagentur und Übertragungsnetzbetreibern aus, um eine netzverträgliche Abschaltung von Kohlekraftwerken gewährleisten zu können. Das klingt nach außen harmlos, sorgt aber hinter den Mauern der Ministerien für rauchende Köpfe.

Auch in der Schweiz macht man sich Sorgen, wer am Ende in Europa überhaupt Versorgungssicherheit gewährleistet? Rein rechnerisch exportiert Deutschland sogar Strom. Doch in dieser Rechnung fuhrwerkt das Milchmädchen reichlich mit. Denn die entscheidende Frage beim Strom lautet: Wann exportiert Deutschland Strom und wann muss es importieren? Denn Strom ist nicht gleich Strom. Es kommt auf den Zeitpunkt an. In herbstlichen und winterlichen Hochdruckwetterlagen herrscht meist viel Nebel und wenig Wind. Strom gibt es dann eher weniger, eine kritische Situation, wenn in Deutschland die großen Kraftwerke abgeschaltet werden sollen. Die umgekehrte Situation herrscht dagegen bei Sturm über Europa vor. Dann liefern all die vielen Windräder Strom im Überfluss, den keiner abnehmen kann. Denn Strom muss in dem Augenblick erzeugt werden, in dem er auch gebraucht wird.

Professor für elektrische Energietechnik
Kein Strom mehr für Deutschland
Auf die sogenannte »Batterie Europas« ist kein richtiger Verlass mehr. Die sollen die Bergseen in den Alpen bilden, in denen das Wasser bei Stromüberschuss in Deutschland hochgepumpt, bei Bedarf abgelassen und wieder in Strom zurückverwandelt wird. Abgesehen von den erheblichen Energieverlusten eine ziemlich teure Angelegenheit. Deutschland bezahlt häufig sehr kräftig dafür, dass die Schweizer sich bereit erklären, überschüssigen Strom aus Deutschland abzunehmen. Dann wiederum bezahlt der deutsche Stromkunde umgekehrt dafür, wenn das Wasser zu Strom verwandelt wird.

Doch dieses Spiel ist auch begrenzt, wie allein das vergangene Jahr zeigt. Denn da waren die Stauseen in den Schweizer Bergen ziemlich leer, die Pegelstände in den Bergseen auf einem Rekordtief.

Immerhin hat sich in verschiedenen Politikkreisen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Energiewende krachend gescheitert ist. Das reicht sogar bis ins dunkelgrüne Baden-Württemberg. Im Kabinett wird intern offen ausgesprochen, dass dieses »Jahrhundertwerk« nicht funktionieren wird, und wohl die meisten Minister wird ein erhebliches Unwohlsein überkommen, wenn sie daran denken, für einen katastrophalen Blackout verantwortlich zu sein. Nur noch zwei Kernkraftwerke liefern den Löwenanteil des Stroms allein im Industrieland Baden-Württemberg. Schon jetzt aber wird der Reaktor Philippsburg 2 langsam heruntergefahren. Der soll bis zum Ende des Jahres abgeschaltet werden. Woher dann der Strom kommen soll, weiß niemand.

Grüne und CDU überlegen in Stuttgart fieberhaft, wie sie aus der Nummer am besten herauskommen und die Schuld dem Gegner zuschieben können. Der grüne Umweltminister Franz Untersteller denkt schon relativ laut über die Nutzung der Kernenergie nach. Sein größtes Problem: Wie sag ich’s der unbedarften Gefolgschaft?

Ein einmaliges Experiment: Einem noch prosperierenden Industrieland die wichtigste Energiequelle abzuschalten – das hat noch nie zuvor jemand gewagt. Das hat das Potential, über den europäischen Netzverbund ganz Europa lahmzulegen.


Die mobile Version verlassen