Darf man Politiker nicht mehr kritisieren, wenn es um -in geht?
Wenn es bei dieser Frau um Angela Merkel geht – dann ja, und zwar unbedingt. Wenn es sich dagegen um Ursula von der Leyen handelt, lautet die Antwort nein. „Da kann doch die arme Frau nichts dafür!“, „Das haben doch alle ihre männlichen Vorgänger verbockt, das liegt doch nicht in ihrer Verantwortung!“, „Jetzt lasst doch mal die Ursel in Ruhe! Soll sie mal Krippen bauen. Ist auch nicht so teuer wie Eurohawks verhauen.“ Die Schutzreflexe der Quotenfrauen funktionieren zuverlässig. Kritik wird dadurch weichgespült und umgeleitet, die Ministerin in Teflon gebadet. Und die Türe geschlossen und verriegelt, indem Kritikern entgegengeworfen wird: „Sie sind doch sowieso ein Frauenfeind,“ gerne auch mit dem Brandverstärker: pathologisch.
Kritiker sind unzurechnungsfähig
Kritiker müssen doch einen an der Waffel haben, wenn es um Pannen-Ursel geht, oder? Frauenfeindlichkeit ist das Totschlagargument du jour. Wenn man einem Mann nur schnell genug unterstellt, dass seine (durchaus berechtigte) Kritik einen solchen Hintergrund hat, soll diese als wertlos gekennzeichnet und entwertet werden. Der Kritiker wird damit diskreditiert und gebrandmarkt. Das funktioniert zuverlässig. Seltsam ist nur: Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel funktioniert das nicht – da ist die Kritik ätzend und beissend. Ist Angela Merkel denn weniger Frau als Ursula von der Leyen? Oder keine?
Erinnern wir uns mal an die Fakten. Haben Ursula von der Leyens Vorgänger die Bundeswehr familienfreundlicher machen wollen? Wollte de Maizière Flachbildschirme bei der chronisch klammen Bundeswehr einführen? Hat Karl Theodor zu Guttenberg kürzere Arbeitszeiten und Kitas geplant? Nein. Letzterer hat nur die Wehrpflicht abgeschafft. Alles andere geht auf das Konto von Ursula von der Leyen. Sie wollte damit an das anknüpfen, was sie schon all die Jahre zuvor gemacht hat, ohne, dass sich groß etwas ändert. „Alles für die Frau!“. Projekt barrierefreie Wohlfühltruppen mit höherem Frauenanteil und Abschaffung der strikten Gewichtsgrenze. Mutter der Kompanie. Viel war die Rede vom „Konzern Bundeswehr“ (Editorial). Eine Aneinanderreihung an Worthülsen, die der Wirklichkeit eines möglichen Krieges, definitiv der ständig zunehmenden Konflikte in der Welt nicht angemessen ist. Dazu paßt ihre vermasselte neue Werbekampagne für die Bundeswehr: Frauen in engen Röcken und Highheels. Ist es weiblich, modisch, schick, bei der Bundeswehr? Wirklich? Ist es die Bundeswehr oder, wie Spiegel-online vermutet, doch Zalando? Bei Ursula von der Leyen verschwimmen die Kategorien. Alles ist irgendwie hip. Das reicht. Ihr zumindest.
Immer kommt diese Wirklichkeit dazwischen
Und die Wirklichkeit will und will sich nicht an die schönen Reden halten. Zu dumm aber auch, dass Putins bewaffnete Urlauber in der Ukraine augetaucht sind, die Sicherheit der baltischen Staaten zur Disposition steht und die internationale Gemeinschaft unsere Unterstützung beim Kampf gegen IS einfordert – oder Sanitäter und andere Hilfskräfte nach Afrika geflogen werden müssen, um Ebola zu bekämpfen. Ursula von der Leyen war auch schnell dabei mit neuen Zusagen, etwa militärische Hilfe für die französischen Truppen in Mali – genau da, in Mali, wovon die Bundeswehr vermutlich keine Landkarten hat und erst mal googlen muß, ob es sich bei Bamako um die Hauptnahrungsquelle oder die Hauptstadt handelt. Es kam ziemlich viel zusammen, und die Rechnung ging nicht auf: Alles bleibt wie es ist, alle kriegen ihre Kitas und Wohlfühlpakete während der vier Jahre, in denen sich Ursula von der Leyen als nächste Kanzlerin in Stellung bringt, ihr Quotenfrau-Image mit einem Haufen Bildern auf Panzern und Kampfjets, ausstaffiert zur Allround-Staatsfrau.
Dazu paßt auch ihre Ankündigung bei der Münchner Sicherheitskonferenz, Gleichgültigkeit werde künftig „keine Option mehr“ für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sein können. Die Deutschen sollten sich künftig zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit international engagieren und dabei alle verfügbaren Instrumente einsetzen. Ein Versprechen ohne Kostenrechnung, klar.
Vor solch vollmundigem Einsatz aller verfügbaren Instrumente, steht üblicherweise die Sichtung der tatsächlich zur Verfügung stehenden Instrumente. Zu Aufnahme ihrer Tätigkeit hätte Ursula von der Leyen eine nüchterne Bestandsaufnahme zum Zustand der Bundeswehr vornehmen müssen. Was sie vermutlich auch getan haben wird. Denn soviel Naivität kann und möchte man ihr beim besten Willen nicht unterstellen. Bei dieser Bestandsaufnahme wird doch klar geworden sein, in welch bemitleidenswertem, in welch desolatem Zustand sich die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland befindet. Dass es 200 Tage dauert, bis unsere verbliebenen Panzer einsatzbereit sind. Dass wir mit unseren Sturmgewehren nicht mal mehr die Peschmergas beeindrucken können. Dass unsere Kampfhubschrauber fast vollständig marodiert sind. Dass unsere Transportflugzeuge nicht mehr auf Langstrecke angelegt sind. Neuerdings wissen wir mehr über Waffensysteme, die nicht funktionieren, als etwas über solche, die ihren Zweck noch erfüllen. So tröpfelt derzeit jeden Tag eine neue Pannenmeldung heraus, die nicht nur offenbart, dass dieses Land nicht mehr verteidigungsfähig ist – und wir im Verteidigungsfall komplett auf die USA angewiesen sind, die sich aber leider zunehmend mehr Richtung Asien orientieren. Nein, jede neue Schadensmeldung offenbart wieder einmal mehr unsere Schutzlosigkeit. Unsere Inkompetenz. Was nicht sein darf. „Eine demokratische Gesellschaft hat eine Verantwortung für diejenigen, die ihr Leben für uns alle einsetzen“, sagte Genscher der „Welt am Sonntag“. Der gegenwärtige Zustand der Bundeswehr sei jedoch „eine Zumutung für die Soldaten und ihre Familien“.
Die Konsequenz heißt Kohle
Der Wehretat macht 1,3% des Bruttosozialprodukts aus. Man hätte Ursula von der Leyen ernst nehmen können, wenn diese zu Bestandsaufnahme vermeldet hätte: „Stand heute ist die Bundesrepublik Deutschland nicht verteidigungsfähig. Ich fordere aus diesem Grund eine Verdopplung des Wehretats auf 2,6% oder sogar 3%. Andernfalls sehe ich mich nicht in der Lage, die mir übertragene Aufgabe ausreichend erfüllen zu können.“ Das wäre konsequent – hätte aber Ärger mit Finanzminister Wolfgang Schäuble mit sich gebracht. Erst an diesem Wochenende sagt sie, man müsse über Geld reden. Das nennt man: Wenn das Kind im Brunnen liegt für eine Abdeckung plädieren.
Also hat Ursula von der Leyen nur Staatssekretäre und Spitzenbeamte in den teuren Ruhestand geschickt und ihre Kumpels aus den Familien- und Frauenressorts nachgezogen, die vom neuen Thema genau so wenig verstehen wie sie selbst. Offensichtlich ist solche „Spezl-Wirtschaft“ wohl doch keine reine Männerspezialität, wie uns sonst immer eingeredet wird, sondern geschlechtsübergreifend.
Und was bedeutet das jetzt für die Verantwortung der Ministerin?
Sie hat die Verantwortung, auch für ihre falsche Weichenstellung am Anfang und den Missbrauch der Bundeswehr als Fototapete und Illustrationshintergrund für den Bildband „Ursels Reise durch die weite Welt“. Kay-Uwe von Hassel hat 1966 Konsequenzen gezogen, als die von seinem Vorgänger Strauss bestellten Kampfflugzeuge des Typs Lockheed Starfighter, sich immer wieder als fluguntaulich erwiesen und der Reihe nach vom Himmel fielen. So sah Haltung einmal aus. Und seit Hassel sind Minister im Dutzend zurückgetreten, weil sie für etwas Verantwortung tragen, auch wenn sie persönlich für keine Schraube am Starfighter verantwortlich sind.
Jetzt wird der Frauen-Bonus eingelöst
Von Verantwortung spricht Ursula von der Leyen gerne, aber trägt sie genau so wenig wie eine zerzauste Frisur. Sie zahlt jetzt mit dem Frauen-Bonus, den sie sich in den vergangenen Jahren als Vorkämpferin für die Frauenbewegung angehäuft hat. Die Reihen werden nun dicht geschlossen um unsere Ursel. Von denen, für die sie in den vergangenen Jahren so intensiv Politik gemacht hat. Alle Quotenfrauen dieser Welt rüsten sich zum Gefecht für die Geschlechtsgenossin. Sie hat keinen Frauenkongress ausgelassen, ständig Managerinnen eingeladen, auf dem Weltwirtschaftsforum alle mit der Quote verrückt gemacht und jeder Gleichstellungsbeauftragten und Genderlehrstuhlinhaberin die Hand geschüttelt. Und die zahlen jetzt zurück. Auch das ist sogar noch ok. Klientel-Politik ist vielleicht nicht das, was man sich staatspolitisch wünscht, aber weit verbreitet.
Aber jetzt geht das weiter. Mit dem Hinweis „Frau am Steuer“ werden jetzt die Verkehrsregeln geändert, damit Pannen-Ursel nicht zur Verantwortung gezogen werden kann: Sie trägt keine Verantwortung für ihre Fehler, es waren alles ihre Vorgänger, nämlich Männer. Sie hat es gut gemeint. Sie wird sich schon darum gekümmert haben, wir wissen es nur nicht – die Transparenz wird außer Kraft gesetzt um die Verantwortlichkeit zu verschmieren. Kritik darf sein – aber bittschön nur quotengerecht.
Merkel im U-Boot, und die Frisur sitzt
Man mag Angela Merkel mögen oder nicht – aber die Frauenkarte hat sie nie gespielt. Ihr Adressat ist immer die gesamte Bevölkerung, nicht nur die halbe. Anders wird man auch nicht mehrheitsfähig. Angela Merkel kontrolliert ihre Bilder so wie Ursula von der Leyen. Aber Merkel achtet auf den Kontext, will sich nicht optisch in einen Sachverhalt hineinziehen lassen. Sie unterbindet ein Foto, das sie beim Abstieg in ein U-Boot zeigt – weil sie die Zeile „Kanzlerin geht unter“ fürchtet. Sie ist in erster Linie Kanzlerin, und diese Position verteidigt sie mit aller Härte. Frau ist sie auch – zu Hause, aber nicht für die Wählerinnen und Wähler.
Von der Leyen dagegen liebt die Bilder, auf denen sie mit perfekter Frisur bevorzugt mit Frauen der Bundeswehr zu sehen ist – Frauenpolitik ist eben das Terrain, auf dem sie sich sicher fühlt. Ursula von der Leyen ist Frau, weil das ihr Programm ist, bislang aber auch ihr einziges. Für Talkshows hat sie immer ein passendes Kostüm im Dienstauto. Es geht eben immer nur um UvdL. Ausschließlich. Und wer sie kritisiert, kritisiert die Frau an und für sich, also alle. Die Kommentatoren haben Beißhemmung, lassen ihr mehr durchgehen als jedem Mann, weil sie das genau wissen: Es geht nicht um die Sache, immer um die Frau in Personalunion. Das ist ihre Verteidigungsstrategie, die dummerweise alles aushebelt, was die Demokratie so braucht: hartes, oft gnadenloses Durchleuchten ohne Rücksicht auf die Person. Es ist aber auch ihre Schwäche, weswegen sie längst den Zenith ihrer Karriere erreicht hat und warum es klug war von Merkel, sie auch nicht als Bundespräsidentin zuzulassen: Ganz oben reicht es nicht, nur für die Hälfte der Bevölkerung da zu sein.
Und warum schreibt Frau das? Weil es eben auch Frauen gibt, denen es peinlich ist, wie Ursula von der Leyen sich per Quote definiert und inszeniert. Es geht um mehr in diesem Amt – um Bedrohungen wie Krieg und um die Bewahrung des Friedens.