Deutschland altert und wird in den nächsten anderthalb Jahrzehnten zur Rentnerrepublik. Die geburtenstarken Kohorten treten binnen der kommenden 15 Jahre in den Ruhestand. Die Folgen sind überdurchschnittlich stark steigende Ausgaben für Renten und Pensionen, aber auch für die Kranken- und Pflegeversicherung. Außerdem sinkt als Folge für den Fiskus das Einkommensteuer- und das Beitragsaufkommen der Sozialversicherungen, weil Rentner geringere Einkommen versteuern und gleichzeitig die Zahl der erwerbstätigen „Vollzahler“ um Millionen abnimmt.
Ungeachtet dieses unaufhaltsamen demografischen Wandels, dessen Bewältigung sich rasend schnell zur politischen Herkulesaufgabe für unsere Volkswirtschaft auswachsen wird, betreiben die Bundesregierungen weiter munter eine Politik nach dem Motto: „Nach-uns-die-Sintflut“. Die Sozialdemokraten setzten in der vergangenen Legislaturperiode die teure abschlagsfreie Rente mit 63 durch, die viel stärker in Anspruch genommen wird als gedacht. Die Union forcierte die Mütterrenten I und II. Aktuellstes Projekt einer freigebigen Politik ist die sozialdemokratische „Respekt-Rente“, mit der niedrige Rentenansprüche von Geringverdienern, die wenigstens 35 Jahre einbezahlt haben, deutlich aufgestockt werden sollen – ohne Rücksicht auf die Beitragsäquivalenz und ohne Bedürftigkeitsprüfung. Weil die Sozialdemokraten die Mütterrente des Koalitionspartners zwar mitgetragen, aber politisch immer kritisiert hatten, weil sie aus den Sozialkassen und nicht mit Steuermitteln bezahlt wird, hatte die SPD hoch und heilig versprochen, ihre als „Respekt-Rente“ titulierte Grundrente voll aus Steuermitteln zu finanzieren.
Doch nach der jüngsten Steuerschätzung ist die Schatulle von Bundesfinanzminister Olaf Scholz in den kommenden Jahren nicht mehr so gut gefüllt, dass er für das Lieblingsprojekt seines Kollegen Hubertus Heil die notwendigen Steuermilliarden bereitstellen kann. Ohnehin ist der Wunschkatalog der Ressortminister aus allen drei Regierungsfraktionen weit teurer, als es die fiskalischen Ressourcen hergeben. Also verfielen die Sozialdemokraten auf eine bewährte, aber perfide Umfinanzierungsidee. Via SPIEGEL wurde sie vergangenen Freitag ruchbar, was Hubertus Heil sichtlich gegen den Strich geht, weil er sein Projekt samt „pfiffiger“ Finanzierung noch vor der Europawahl mit Aplomb wählerwirksam verkaufen wollte. Noch ist offen, ob er das Vorhaben aufgibt oder nur verschiebt.
Aus der Union kommt massiver Widerstand – vollkommen zu recht. Selbst die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, einst bei den Sozialausschüssen gestartet und deshalb eher sozialpolitisch großzügig, positionierte sich erstaunlich eindeutig gegen Hubertus Heils und Olaf Scholz‘ Finanzierungsidee. Drastisch formulierte es Tilman Kuban, der Bundesvorsitzende der Jungen Union: „Wer in die Krankenkassen- und Arbeitslosenversicherung für eine Grundrente greift, begeht nichts anderes als Diebstahl und spaltet Jung und Alt.“
Es gibt objektiv keinen Spielraum für weitere Rentengeschenke. Ansonsten überfordern wir die Beitrags- und Steuerzahler in den kommenden Jahrzehnten massiv. Denn sie werden geringere staatliche Leistungen zu erwarten, dafür aber weit mehr zu bezahlen haben. Angesichts dieser traurigen Wahrheit ist die Naivität und Staatsgläubigkeit der Jungen erschreckend. In einer repräsentativen Befragung haben sich die 17- bis 27-Jährigen in Deutschland dazu bekannt, dass sie weniger für das Alter vorsorgen als frühere Generationen. Sie vertrauen darauf, dass es der Staat schon richten wird. Welch‘ eine kapitale Fehleinschätzung! Eine Generation, die in Fragen der Klimapolitik apokalyptisch hyperventiliert, von Nachhaltigkeit bei der Lebensmittelproduktion schwärmt und entrüstet #flugscham einfordert, verkennt ihre kapitalste Bedrohung: eine Sozialpolitik, die den Alten gibt und den Jungen nimmt.