Am Mittwoch hat das Bundeskabinett das Stabilitätsprogramm 2019 des Bundesfinanzministers beschlossen. Die Regierung klopft sich dabei vor allem auf die Schulter. Denn die Finanzzahlen des Fiskus klingen bestechend. Die Zinsausgaben des Staates etwa liegen – gemessen an der Jahreswirtschaftsleistung – mit 0,9 Prozent auf dem tiefsten Stand seit 50 Jahren. Während die Sparer unter der Nullzinspolitik leiden, freut sich der Finanzminister diebisch über niedrige Refinanzierungskosten. Scholz kann auch stolz verkünden, dass Deutschland am Jahresende erstmals seit bald 20 Jahren einen Schuldenstand aufweist, der mit 58,75 Prozent wieder unter der maximal zulässigen Maastricht-Quote von 60 Prozent liegt. Auch die Steuern fließen nach wie vor üppig – trotz der Eintrübung der Konjunktur. Der immer noch boomende Arbeitsmarkt beschert sogar den Sozialversicherungen aktuell noch Überschüsse..
Dass der Fiskus ein nimmersattes Wesen ist, belegt die immer stärkere relative Belastung mit Steuern und Abgaben. Die Steuerquote ist im Jahr 2018 auf ein Hoch von 23,7 Prozent des BIP gestiegen. Im laufenden Jahr soll sie weiter leicht steigen. Die Steuerquote ist für mich die Zahl, in der der sich die klammheimliche Enteignung der Steuer- und Abgabepflichtigen manifestiert. In den vergangenen 25 Jahren lag sie nie höher als heute. Das gleiche gilt auch für die Sozialbeitragsquote, die im vergangenen Jahr bei 16,9 Prozent des BIP lag und jetzt vom Finanzminister – sehr optimistisch – mit 17 Prozent bis 2022 fortgeschrieben wird. Trotz der geplanten partiellen Abschaffung des Solidaritätsbeitrags wird die Abgabenquote in den kommenden Jahren praktisch nicht sinken, sondern bei etwa 40,5 Prozent stagnieren.
Interessant ist ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Als Angela Merkel 2005 die erste Große Koalition zu führen begann, lag die Steuerquote bei 20,8 Prozent. Eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung – Sie erinnern sich vielleicht: Die CDU hatte im Wahlkampf 2005 eine solche abgelehnt, die SPD dagegen explizit 2 Prozent Erhöhung gefordert. Das mündete nach der Wahl in der Addition: 0 + 2 = 3! – leitete dann binnen eines Jahres eine signifikante Erhöhung der Steuerquote ein, die seither fast unaufhörlich um volle 3 Prozentpunkte gestiegen ist. Hätten wir im vergangenen Jahr die Steuerquote von 2005 gehabt, würden die Steuerzahler summa summarum rund 100 Milliarden Euro weniger an den Fiskus abgeführt haben. Pro Kopf der Bevölkerung – vom Säugling bis zum Greis – wären das immerhin 1.200 Euro im Jahr.
Doch mehr Geld in den Taschen der Bürger zu belassen, ist in den Augen der meisten Politiker ein Fehler. Denn sie wissen angeblich, was gut für den Bürger ist. Dafür verlangen sie ihm längst mehr als den Zehnten ab. Weil sich das Volk diese Form staatlicher Bevormundung nur zu gern gefallen lässt und viele nach immer weiteren Leistungen gieren, ist man als Leser gespannt, ob sich die Risiken und Nebenwirkungen politischer Freigebigkeit angesichts der demografischen Entwicklung irgendwo im Stabilitätsprogramm niederschlagen. Auf Seite 37 wird man unter der kleinen Überschrift „Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“ fündig:
„Die Veränderungen im demografischen Gefüge gehen einher mit einem Rückgang des Erwerbspersonenpotentials. Dadurch erhöht sich der Altenquotient als Relation der Bevölkerung im Alter 65+ zu jener im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre). Der Altenquotient wird sich nach der aktuellen Projektion des Statistischen Bundesamtes von rund 33 % im Jahr 2018 auf knapp 44 % im Jahr 2030 erhöhen und langfristig auf fast 55 % im Jahr 2060 weiter ansteigen.“
Diese alarmierende, aber zutreffende Beschreibung des demografischen Wandels für die Sozialversicherungen und den Staatshaushalt müsste jede verantwortungsbewusste Bundesregierung zu einem sofortigen und absoluten Stopp weiterer teurer Sozialausgabenprogramme veranlassen. Verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger müssten angesichts dieser Fakten von weiteren Forderungen an den Staat Abstand nehmen. Doch bei der Rente, in der Pflege- und Krankenversicherung und anderswo wird munter weiter aufgestockt, als ob es kein Morgen gäbe.
Weil wir offenkundig in toto weder vom Wähler noch vom Politiker diese Zurückhaltung erwarten können, wird sich die heimliche Enteignung der Steuer- und Abgabepflichtigen absehbar fortsetzen. Und zwar mit progressivem Tempo!