Rainer Wendt ist dafür bekannt, dass er keineswegs durch politisch-korrekte Verklausulierungen auffällt oder seine Schriften in wohlfeiler Prosaform abfasst. Der streitbare Gewerkschaftschef ist es gewohnt, unverblümt die Finger in die Wunde unseres Gemeinwesens zu legen. Dabei wird auf Befindlichkeiten der Apparatschiks und Nomenklatura keine Rücksicht genommen, da diese „in die parlamentarische Parallelwelt der Ausschüsse, Arbeitskreise, Gipfelgespräche oder Koalitionsrunden entschwebt“ sind – wie er schreibt.
Währenddessen der DGB in Frankfurt der Antifa seine Räumlichkeiten zur Verfügung stellte und eine polizeiliche Konkurrenzgewerkschaft Arbeitsgruppen darüber bildet, wie man mit „Rechten“ umgeht und damit offensichtlich auch die eigenen Polizisten meint, geht Wendt deutlich tiefer. Wenn die Demokratie immer weniger Anhänger findet, so darf man nicht die „falschen“ Meinungen bekämpfen, sondern muss Ursachenforschung betreiben und Missstände abstellen. Denn es muss Gründe geben, warum es uns zwar wirtschaftlich vergleichsweise (noch) sehr gut geht, aber die Stimmung im Land immer schlechter wird. Der versierte Redner nannte in einem Vortrag als Ursache für den Rückzug des Rechtsstaates die Nachwendezeit: Es habe damals der Irrglaube einer Europabesoffenheit geherrscht, dass man von Freunden umgeben sei und es bald nur noch Frieden, Freiheit und Demokratie gebe.
Erosion des Rechtsstaates
Ich habe vor kurzem gelesen, dass Die Linke in Sachsen beschlossen hat, die Bereitschaftspolizei und den Verfassungsschutz abschaffen zu wollen. Andernorts beanspruchen Familienclans ganze Straßenzüge für sich als „Revier“, Links- und Rechtsradikale leben ihre Gewaltphantasien aus, Asylbewerber mit einem überzogenen Anspruchsdenken rasten aus, wenn ihre Wünsche nicht sofort erfüllt werden. Eine marode Infrastruktur, ein kaputtgespartes Bildungssystem, eine fragwürdige Flüchtlingspolitik u.v.m. nennt der Autor als einen Teil gesellschaftlicher Zerfallsprozesse und lässt dabei nichts aus. Ausbaden müssen es über die Polizei hinaus „nahezu alle Menschen, die in irgendeiner Weise für unser Gemeinwesen arbeiten und für andere da sind: Lehrerinnen und Lehrer, Pflegepersonal in Krankenhäusern, Beschäftigte in Jobcentern und Finanzbehörden, Zugbegleitpersonal in den Bahnen oder Kommunalbeschäftigte in Rathäusern und Bürgerzentren. Was wir erleben, ist ein nie gekanntes Ausmaß an Staatsverachtung und Gewaltbereitschaft.“
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich bestätigen, je größer der Verfall, desto bombastischer werden die Hochglanzprojekte, die mit maximalem Eigenlob durch Politiker und Behördenleitung in die Öffentlichkeit transportiert werden. Zum Beispiel suggerieren, nach jahrelangem völlig verantwortungslosen Stellenabbau, aufreizende Werbeplakate und Videos mit jungen attraktiven Polizistinnen nur noch eine geschönte Seite der Medaille. Was vor Jahren unwahrscheinlich war, ist inzwischen in Deutschland längst Realität: Auch Frauen in Uniform werden verstärkt angegriffen, geschlagen und teilweise lebensgefährlich verletzt. Das betrifft ebenso die fleißigen Mitarbeiterinnen der anderen zuvor genannten Berufe. Die Zeiten haben sich auffallend geändert, da helfen auch all die triumphierend vorgetragenen Statistiken nichts. Kriminalitätsbedrohung ist weniger subjektiv, sondern primär ein harter Ernstfall des Lebens. Rainer Wendt hat Lunte gerochen und die politisch gelegte Spur bis in die gesellschaftliche Sackgasse verfolgt und enttarnt. Volltreffer!
Beamtentum: Eignung, Leistung und Befähigung – wo gibt’s denn sowas?
Der Autor vergisst nicht, den verstärkten „Kampf gegen rechts“ zu erwähnen, der tatsächlich ein Kampf gegen die ist, die nicht links sind. Gefangene werden nicht mehr gemacht, ebenso wenig wie die Unterscheidung zwischen »rechts« und »Rechtsextremismus«. Dieser krampfhafte Kampf soll der Kitt sein, der die Gesellschaft zusammenhält, um unliebsame politische Beschlüsse kritiklos durchzuwinken. Ein Plan mit Feindbild, der früher oder später zum klassischen Eigentor wird.
Die Transformation der Politik durch die Medien
Für eine „Zensur durch die Hintertür“ werden externe Unternehmen durch das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ oder mit staatlichen Fördergeldern bedachte Institutionen, wie zum Beispiel die „Amadeu Antonio Stiftung“ verpflichtet. Dass dieser Umstand vielen Ostdeutschen noch bekannt vorkommt, bestätigte Wendt ein Taxifahrer aus dem Osten, der sich inzwischen (wieder) wie in der DDR fühlt: „Gelernt ist gelernt: Klappe halten.“
Rainer Wendt ist kein Miesmacher, für ihn ist unser Deutschland ein großartiges Land, sein Buch beschäftigt sich mit den jetzt schon anstehenden Zukunftsfragen, die keinen Zeitaufschub dulden. Viel Zeit zur Korrektur bleibt nicht mehr, wir haben noch nicht einmal damit angefangen, wie er betont. Es geht ihm um die schlechte Politik der Macher. Der Autor: „Davon haben wir in Deutschland leider jede Menge“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Rainer Wendt, Deutschland wird abgehängt. Ein Lagebericht.
Riva, 192 Seiten, 19,99 €.
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