Tichys Einblick
Wenn Ideale auf Realität treffen

Wie Trump seine Gegner vorführt

»Offene Grenzen, offene Arme!«, so rufen Trumps Gegner. »Okay«, sagt Trump (sinngemäß), »ich schicke die illegalen Einwanderer einfach in eure Sanctuary Cities«! – Und das finden die dann noch doofer. Warum bloß?!

© Win McNamee/Getty Images

Wenn man den »redenden Köpfen« (den »Talking Heads«) des US-Senders FoxNews glaubt, dann ist San Francisco heute der Slum an der Bucht (wörtlich: »slum by the bay«, foxnews.com, 7.2.2019).

Der Tenderloin-Bezirk von San Francisco gilt schon länger als letztes Quartier jener, die andernorts keinen Halt fanden. Sogar in der New York Times spricht man vom »Land der lebendigen Toten« (via Zitat eines Anwohners, nytimes.com, 8.10.2018). Inzwischen wachsen die Obdachlosigkeit, die Drogen, die tägliche Gewalt über den Tenderloin hinaus:

San Franciscos Innenstadt ist stärker verseucht von Drogennadeln, Müll und Fäkalien als einige der ärmsten Slums der Welt (businessinsider.com, 1.3.2018)

Im August 2018 sammelte die Stadt 164.264 Spritzen auf (so nytimes.com). In der Nacht sind manche Straßen von schlafenden Menschen gesäumt. Nicht alle wachen am nächsten Morgen auf – und nicht alle Stadtteile kennen solches Elend, die Trennung dieser realen Dickensschen »two cities« in der Wahrnehmung linker Meinungsmacher sind Mitursache des Problems.

Beautiful but understated

Wenn der junge Internet-Millionär sein Start-up verkauft oder an die Börse gebracht hat, kann er gleich bei Sotheby’s seine Traumwohnung erwerben, mit »dramatic« Panoramafenstern und einem »magnificent« Blick auf die Bucht. In seiner »beautiful but understated« Immobilie mit »many of San Francico’s best schools« »within a short radius« kann er »living at it’s very finest« genießen ($ 6,795,000), und er kann sich zu inspirierenden Soirées treffen, um über Investitionen und Moral und die neuen Tesla-Modelle zu debattieren.

San Francisco ist eine »Sanctuary City« (sfmayor.org/sanctuary-city), was sich etwa als »Zufluchtsstadt« übersetzen lässt.

Sich eine »Sanctuary City« zu nennen ist zuerst ein Akt des »Zeichensetzens«. Man will »gut« sein und »auf der richtigen Seite der Geschichte« stehen. Man will sagen, dass man will, dass »Flüchtlinge« und »Menschen in Not« aufgenommen werden.

Es sind Kampagnen, die Millionäre und Milliardäre von geschützten Villen aus betreiben (oder zumindest finanzieren), und für die sie dann Menschen aus einfacheren Verhältnissen gewinnen – wobei »einfacher« in San Francisco tausende Dollar Monatsmiete bedeuten kann.

»Sanctuary City« ist nicht klar definiert (es ist ja zuerst Zeichensetzung), doch in der Praxis kann es bedeuten, sich den Anordnungen der US-Bundesbehörden hinsichtlich illegaler Einwanderer zu verweigern (so etwa San Francisco, siehe sfgov.org), gratis Gesundheitsversorgung für illegale Einwanderer bereitzustellen, oder wenig mehr als regelmäßige Toleranz-Bekundungen.

Pläsierlich leben in San Francisco

Simple Frage: Wenn illegale, mittellose mexikanische Einwanderer nach San Francisco kommen, unter ihnen leider auch Mitglieder der brutalen MS-13-Gang (siehe »Wie Leitmedien mit einer Lüge böse Stimmung gegen Trump machen«), wo werden diese Menschen sich wahrscheinlich ansiedeln? Da, wo man 5000 US-Dollar Monatsmiete für ein Apartment zahlt (oder es wahlweise für Millionen von Dollar kauft) und wo »die besten Schulen« in Gehweite und Security in Sichtweite sind? Nein. – Die Armen aus dem Süden (und mit ihnen die Armen, aber zugleich Rabiaten) werden vom Reichtum angezogen, doch sie landen wieder im Elend, und so vergrößern sie es.

NPR, ein öffentliches Hörfunknetzwerk in den USA, schreibt:

Die sich ausbreitende kalifornische Stadt, die ein Zentrum für große Tech-Firmen wie Uber und Twitter ist, befindet sich im Würgegriff einer Krise durch den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die mehr Menschen auf die Straße verdrängt. (npr.org, 1.8.2018, meine Übertragung)

Es lässt sich pläsierlich leben in San Francisco, und vorzüglich urlauben lässt es sich auch – solange man darauf achtet, nicht in die »falschen« Ecken zu geraten (Link: ein positiver Bericht eines 3-Tage-Trips auf tripadvisor.com). In der Welt der »Guten« ist das Leben tatsächlich »gut« – wenn, weil und solange sie das Schlechte ausblenden.

News

Donald Trump will, seit seinem Wahlkampf schon, etwas gegen illegale Einwanderung (und aus Mexiko eingeführte Drogen) tun. Das versprachen zwar schon Barack Obama und Hillary Clinton (teils wortgleich), doch Trump setzt es um – und die große CNN-Soros-Demokraten-Koalition-im-Geiste schäumt vor Wut.

»Put your money where your mouth is«, sagt man im Englischen. Wer etwas fordert, der soll es selbst umsetzen.

Trump hat angedacht, an der Grenze festgehaltene illegale Einwanderer freizulassen und gezielt in die »Sanctuary Cities« zu schicken (@realDonaldTrump, 12.4.2019).

Die Begründung ist »trumpsch«, man sollte es im Original genießen:

The Radical Left always seems to have an Open Borders, Open Arms policy – so this should make them very happy. (@realDonaldTrump, 12.4.2019)

Nein, die »radikale Linke« freut sich nicht; sie findet es »horrifying«, sagt sie, dass der Präsident »verzweifelte Menschen als Waffe nutzt« um seine politischen Gegner zu bestrafen (so etwa CNN-Aktivist Don Lemon, @cnn, 13.4.2019).

Man kann es Linken nicht recht machen – sie wollen die Grenzen öffnen, aber sie wollen die Menschen nicht in ihre Städte lassen – entscheidet euch! (Oh Schreck, sind die Open-Borders-Zeichensetzer gar allesamt Heuchler?)

Linke Offene-Grenzen-Freunde erinnern manchmal an einen Kläffer, der den großen Hund wild anbellt, aber nur so lange, wie er sicher und geschützt an der Leine des Herrchens hängt. Wenn das Herrchen dem Kläffer gibt, was der zu wollen behauptet, nämlich die Freiheit von der Leine, dann zieht er schnell den Schwanz ein, in Panik, denn das, was er zu wollen behauptet, ist eher irre und selbstmörderisch. (Manchmal glauben sie selbst, dass sie wollen, was sie wollen, und dann wird es gefährlich, für sie selbst und auch für andere.)

Zähneknirschend wagen klügere Demokraten die Flucht nach vorn und erklären, dass ganz Amerika eigentlich ein »sanctuary country« sei; man beachte etwa die Moralpredigt eines Rahm Emanuel. (siehe @ChicagosMayor, 12.4.2019) – Die Grenzen zu schließen ist schlecht, so die US-Linke, die illegalen Einwanderer samt MS-13-Gangs in die Straßen »toleranter« Städte zu schicken ist noch schlechter. Die Linke ist sich untereinander einig, nur mit Realität, Logik und Trump, da knirscht es immer heftiger.

Erklärung

Der Realist hat Werte, der Idealist hat Träume. Der Realist verbessert das, was ist, und er tut es anhand seiner Werte; der Idealist will das, was ist, abreißen und komplett neu bauen, auf dass es wie seine Träume aussehe.

Der Idealist kann (und wird) sich selbst (und seine Anhänger) enttäuschen: Kein Mensch (und derweil keine Maschine) kann die Welt als Ganzes samt aller Details und Kausalitäten erfassen. Das Ideal des Idealisten ist immer nur eine grobe Skizze mit regelmäßig zu grober Berücksichtigung von Zusammenhängen und Wirkungen. (Immer wieder erlauben sich Künstler den Spaß, die Kritzeleien ihrer Kinder »realistisch« umzusetzen – siehe etwa boredpanda.com oder designboom.com – das Ergebnis sind lustig-gruselige Monster; in der Politik ist das Entsprechende weit weniger lustig!)

Sobald das Ideal des Idealisten ihn selbst einschließt, muss dieser schon der Logik nach zum Heuchler werden, denn jede Realität, und damit auch seine, ist komplexer als die ideale Traumwelt seiner Predigten.

Aufruf

Idealisten haben einen viel zu noblen Ruf, noch immer, vor allem in der Politik. Ich glaube nicht an Ideale (sondern an Werte!), ja, ich fürchte die Idealisten (aber ich schätze jene sehr, welche ihre Werte kennen und erkennbar nach ihnen leben).

»Hier ist die Ordnung, die ich mir erträume«, so sagt der politische Idealist, »und wir müssen sie alle umsetzen, und wenn es misslingt und Menschen sterben, liegt es nicht an der Qualität meiner Idee sondern an eurer faulen Umsetzung!« – Ich will kein Idealist sein – ich will ein Realist mit durchdachten Werten sein.

Mein Leitspruch ist nicht »Werde Teil meiner ausgedachten Ordnung«, sondern: »Ordne deine Kreise!«

(Und, bitte, lass mich in Ruhe meine eigenen Kreise ordnen.)


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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