Sachlich, harmonisch und dennoch recht stringent getaktet, vom obligatorischen Espresso zu den Antipasti mittags. Der italienische Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini empfing Vertreter rechtskonservativer Parteien aus ganz Europa, darunter den Finnen Olli Kotro („Die wahre Finnen“), den Dänen Anders Vistisen (Dänische Volkspartei) und AfD-Chef Jörg Meuthen. Natürlich wolle man eine „enge Zusammenarbeit aller bürgernahen rechtskonservativer Parteien Europas“, so gaben sie einvernehmlich zu Protokoll. Dass Salvini seine Chancen sieht und nicht auf die Probleme bei den potentiellen Partnern schaut – wer will es ihm verdenken.
Matteo Salvini sah das Treffen jüngst in Mailand als Auftaktveranstaltung zur „Bündelung und Stabilisierung der rechtskonservativen Kräfte und zum gegenseitigen Kennenlernen“, innerhalb der europäischen Bürgerschaft, die bald ihr Kreuze bei der EU-Wahl machen darf. Eine Woche vor dieser wichtigen Abstimmung soll es in die Verkündung eines Manifests münden: Mit der Unterstützung von Marie Le Pen, Heinz-Christian Strache und auch Viktor Orbán soll am 18. Mai auf der Piazza vor dem Dom zu Mailand ein „europäisches Manifest“ als Programm der Europäischen Rechtskonservativen und „Souveränisten“, verkündet werden.
Die Zeit sei reif, um das politische Gefüge innerhalb Europas – gemeint ist die EU – „ein wenig zu verändern“, wie es Matteo Salvini formulierte. Meuthen pflichtete ihm bei und setzte hinzu, er wünsche sich eine „enge und zielgerichtete Kooperation“ mit der Lega und Salvini-Allianz. Entstehen solle eine neue Fraktion im Parlament der EU, die Alliance of Peoples and Nations, also die Europäische Allianz der Menschen und Nationen, kurz EAPN.
Bürgerfremde Politik
Bei der Pressekonferenz wischte Salvini die Kritik seines eigenen Koalitionspartners, der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), beiseite. Derlei Kritik und Befindlichkeiten interessiere ihn momentan nicht, sagte er. Wichtig sei, was eine Mehrheit der Bürger, „nicht nur in Italien“, sondern auch in Europa möchte: „einen Wechsel der politischen Kultur“. Europa solle, auch wenn es viele Kritiker aus dem linken Milieu geflissentlich unterschlügen, durch die kommende Wahl „gestärkt werden“. Der Wechsel hin zu einem neuen EU-Europa sei das Ziel. Die Leute hätten die linke und bürgerfremde Politik längst durchschaut. „Hier am Tisch“, und Salvini klopfte symbolisch mit dem Zeigefinger auf die weiße Tischdecke, sitzen keine „Nostalgiker“, sondern Politiker, die wüssten, was die Bürger wünschten und dass eine „europäische Politik“ verändert werden müsse. Die einzigen „Nostalgiker“, seien momentan in Brüssel – in der EU-Kommision und im EU-Parlament säßen sie.
Matteo Salvini, rhetorisch bodenständig, manchmal einen Tick zu rustikal vielleicht, hielt fest, dass bei dem Treffen in Mailand, „weder Faschisten noch Nationalisten oder Altkommunisten“ säßen, sondern realistische Politiker, die die Fehler der Vorgänger analysierten und neue Programme aufgesetzt hätten. Nicht von Faschisten oder Nationalisten – die klar zu verurteilen, aber absolute Minderheiten seien – gehe in diesem Europa Gefahr aus, sondern „vom islamistischen Terror“.
Schließlich, so der italienische Innenminister, vertreten er und seine Gäste von den Rechtsparteien an die 500 Millionen Bürger, „die es einfach satt“ seien, ständig über Faschisten, Rechte und Linke, Kommunisten sowie Nationalisten zu „debattieren“.
„Wir alle schauen auf die Zukunft!“ Das gab Salvini als Motto aus, die „Deutungshoheit über die Vergangenheit“ müsse man einfach den „Historikern überlassen.“ Bei allem Respekt vor anderen Parteien und politischen Zielen wolle man „die Spielregeln in Europa und in der EU ein wenig ändern“, so wiederholte der Lega-Chef, diesmal flankiert von Meuthen, Vistisen und Kotro. Das „naive Gutmenschentum“, die gefräßigen Banken, die die Spareinlagen der Bürger verbraten, die bremsende „Bürokratie“ – all dies habe keine Zukunft bei den Bürgern. „Wir möchten ein neues und erfrischendes Europa“, so der Aufruf Salvinis. Die neue Kraft, die EAPN, arbeite an einem neuen Europa, bei dem „Viele und nicht nur Wenige repräsentiert werden.“
Familien, Sicherheit, Zukunft
Die rechtskonservative Allianz und ihre Vertreter um Salvini wollen wieder „die Familie, die Sicherheit sowie die Arbeit und Zukunft für zahlreiche Jugendliche“ in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Rhetorisch fragte Salvini, ob es eine unsoziale oder gar inhumane Politik sei, wenn man „die Außengrenzen besser kontrolliert und die Migranten besser geprüft und registriert“ haben wolle. Und weiter: „Ist es etwa eine falsch Politik, die unberechtigten, die kriminellen sowie die gewalttätigen Zuwanderer erst gar nicht einreisen zu lassen? Und sie, wenn sie trotzdem da seien, konsequent zurückzuführen: „Ist das nicht eher eine sehr realistische Politik, die jeder Bürger in Europa mit gesundem Menschenverstand nachvollziehen kann, und versteht?“ In den Herkunftsländern müsse den Leuten geholfen werden. Für die NGO-Schiffe gäbe es zudem Dutzende weiterer Häfen im afrikanischen Raum, die sie ansteuern könnten.
Wird eine unsoziale und unrealistische Politik nicht „eher in der EU gemacht“? Das fragte Salvini rhetorisch, und er fügte als Beispiel an, dass Russland mit einem Wirtschaftsembargo ausgegrenzt, Ungarn ständig gemaßregelt und sanktioniert werden solle, aber die Türkei von Erdogan von denselben EU-Politikern hofiert werde, und das ständig. Für Salvini und die Seinen gibt es hierzu Klartext: „Von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist Abstand zu nehmen.“ Diese Türkei gehöre schlichtweg nicht zu Europa, und werde auch „nie zur europäischen Wertegemeinschaft“ gehören.
Vize-Premier Matteo Salvini ist in Italien populär. In den vergangenen Tage wurde er als Stargast auf der italienischen Weinmesse „Vinitaly“ von den Messebesuchern gefeiert. Selfies hier und da, ein kleines Schlückchen in Ehren hier und dort. Entsprechend schenkte er auf der Mailänder Konferenz „des gesunden Menschenverstandes“ allen Wählern reinen Wein ein. In den EU-Institutionen rund um Jean-Claude Juncker dürfte dieser Tropfen im Hinblick auf die EU-Wahlen, die in Deutschland am 26. Mai richtig abgehalten werden, richtig sauer schmecken.
Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist, ist seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.