Viel versprochen, wenig gehalten und eigentlich wussten es alle schon vorher – die EU-Urheberrechtsnovelle wird zum Desaster für die CDU, die in Brüssel etwas fordert, das sie in Berlin doch angeblich blockieren will. Es ist ja ein schwieriges Thema und am Ende ganz einfach: „Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen“ – gilt nicht in der deutschen EU-Politik der CDU.
Sind Sie auch erst so richtig neugierig auf das Thema geworden, als Roland Tichy in seinem wöchentlichen Gespräch mit Achim Winter die Problematik rund um Upload-Filter und EU-Copyright-Reform so wunderbar verständlich erklärt hat?
Nein, ist wirklich keine Schande, sich diesem Thema mit gebotener Vorsicht anzunähern, alleine die erstaunlichen Querfronten, die sowohl auf Seiten der Befürworter ebenso wie auf Seiten der Kritiker der Reform entstanden sind, fordern zu einer dezidierten Analyse auf, die zu vollziehen in einer schnelllebigen Zeit ein Luxus bedeuten kann.
EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) hatte noch vor ein paar Tagen den Kritikern kurzerhand gleich die Legitimation abgesprochen, als er gegenüber der BILD befand, die Kritik sei nicht berechtigt. Nun ist Kritik von Regierungs- und Parlamentsentscheidungen in demokratisch pluralistischen Gesellschaften nicht nur gestattet, sondern sogar erste Pflicht des Bürgers.
Mit dem Journalismus kommt hier sogar einem ganzen Berufsstand die im Grundgesetz verankerte Aufgabe zu, als Vierte Gewalt scharfe Kritik zu üben. Noch zwingender übrigens, wenn der so angriffslustige Oettinger als EU-Kommissar für die digitale Gesellschaft und Wirtschaft die Reform im Herbst 2016 höchst selbst auf den Weg gebracht. Nein, so einfach soll er sich nicht aus der Affäre ziehen dürfen.
Und zu welchen Verschwörungstheorien ein EU-Kommissar fähig ist, wird in dieser Debatte ebenfalls offenbar, wenn Oettinger seine Kritiker doch tatsächlich damit zum Schweigen bringen will, wenn er sie zu Opfern einer Lobbyarbeit von großen US-Internetfirmen wie Google, macht, die nun seine Reform kippen wollen würden. „Die Online-Plattformen haben viel Geld für die Lobbyarbeit gegen unseren Vorschlag ausgegeben.“
Zuvor gab es obendrauf noch den Versuch, Demonstranten dadurch zu diskreditieren, dass man ihnen unterstellte, sie hätten sich für eine verhältnismäßig hohe Tagesgage kaufen lassen, wo es am Ende nur in wenigen Fällen um durchaus berechtigte Fahrkostenerstattungen gegangen sein soll. Wir ersparen es uns an dieser Stelle, auf die Einkünfte beispielsweise eines EU-Kommissars hinzuweisen, ersparen es uns, einen Exkurs durch die Brüsseler Lobbyismus-Geschichte aufzuschreiben.
Ein Parteikollege von Oettinger, der Generalsekretär der Christdemokraten, Paul Ziemiak, hatte im Vorfeld der erfolgreichen Abstimmung der Reform im EU-Parlament noch Sedierungsmittel verteilen wollen und um so etwas wie Gelassenheit gebeten, als er beruhigend twitterte:
„Die @cdu nimmt die (natürlich unbezahlten) Proteste gegen EU-Urheberrecht ernst, wie Rechte der Urheber. #Europa ist immer Kompromiss. Wir haben Umsetzung ohne #UploadFilter entwickelt, die Urheber fair beteiligt sowie Nutzer und Meinungsfreiheit stärkt.“
Wie ernst man es tatsächlich innerhalb der CDU und insbesondere im Büro Ziemiak genommen hat, zeigt nun der fast schon reflexartige Rückzieher nach erfolgreicher Abstimmung, wenn Hendrik Wieduwilt, der Berlin Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen via Twitter schreibt:
„Es war ein Ablenkungsmanöver, eine Beruhigungspille – aber ohne Wirkstoff.“
Die Reform ist demnach entgegen der Versprechen von beispielsweise dem genannten Generalsekretär der CDU, verbindlich bis tief hinein ins Innenleben der Meister-Propper-Uploadfilter made bei EU.
Aber klar: Ziemiak kommt nicht allein, die EU ist viel größer als der Handlungsspielraum eines Generalsekretär der CDU, wenn als nächstes der „französische Kulturminister die Hüllen fallen lässt“, wie Tiemo Wölken von der SPD festhält:
— Tiemo Wölken?? (@woelken) March 28, 2019