Kein anderer Politiker trägt sein Christsein so sehr wie eine Monstranz vor sich her wie ausgerechnet Bodo Ramelow von der Linken. Ob es passt oder nicht: Der thüringische Ministerpräsident bringt gerne seinen Glauben ins Spiel. Früh outete er sich als Fan von Papst Franziskus. “Ich würde wirklich einiges dafür geben, auch mal eine Audienz bei Papst Franziskus zu bekommen“, hatte er kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Dezember 2014 gesagt. Die Privataudienz beim Oberhaupt der katholischen Kirche bekam er 2016. Hinterher schwärmte der bekennenden Protestant von dem Gefühl, „dass sich zwei Herzen berühren“. Ramelows demonstrative Bekenntnisse, ein zutiefst gläubiger Christ zu sein, kommen bei seiner eigenen Partei nicht immer gut an, helfen ihm aber bei der Positionierung als über den Parteien schwebender Landesvater.
Doch irgendwie scheinen Ramelow derzeit die Kirchen und ihre Mitglieder nicht mehr so sehr am Herzen zu liegen. Denn ohne erkennbaren Anlass hat er die Abschaffung der Kirchensteuer ins Gespräch gebracht. Ginge es nach dem Linken-Politiker, würde der Staat künftig darauf verzichten, bei den Mitgliedern der christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinden die Kirchensteuer zu erheben. Stattdessen plädiert Ramelow für eine „Kultursteuer“ nach italienischem Vorbild. Die wird vom Staat eingezogen. Der Steuerzahler kann aber selbst entscheiden, an wen sein Beitrag abgeführt wird. Das könnten, so Ramelow, die verfassten Amtskirchen sein oder Freikirchen, Synagogengemeinden, Moscheevereine, Freidenker oder der Humanistische Verband. Der Steuersatz soll nach Ramelows Vorstellungen höher sein als der 0,8 Prozent-Zuschlag in Italien, aber niedriger als der geltende Kirchensteuersatz von neun Prozent.
Fragt sich also, welche Wählerschichten Ramelow mit seinem Anti-Kirchensteuer-Vorstoß zu beeindrucken versucht? Offenbar will er sich als weltoffener, multikultureller Politiker profilieren, der den Moscheegemeinden zu einer Einnahmequelle verhilft und sie von ausländischen Geldern unabhängiger macht. Denn von Vorschlägen, von deutschen Muslimen eine Moscheesteuer analog zur Kirchensteuer einzuziehen, hält der thüringische Ministerpräsident nichts. Seine Begründung: Die islamischen Gemeinden würden sich weigern, die dafür notwendigen Namenslisten ihrer Gläubigen anzulegen und den deutschen Finanzbehörden zu übergeben.
Es ist eine groteske Situation. Der sich stets als Christ und Freund der Kirchen inszenierende Linken-Politiker will den christlichen Kirchen ihre wichtigste Einnahmenquelle beschneiden, um über eine Kultursteuer den Moscheegemeinden mit Hilfe des Staates Geld zukommen zu lassen. Das führte zu einer Steuerentlastung von Protestanten und Katholiken zu Lasten ihrer Kirchen und zu einer Steuererhöhung für die große Mehrheit der religionslosen Thüringer. Nach der Papst-Audienz hatte „Die Zeit“ nüchtern festgestellt, Ramelow „vermag seinen Glauben mit politischem Gewinn zu bewirtschaften.“ Mit seiner Forderung, die Kirchensteuer in eine Kultursteuer umzuwandeln, scheint er aber eher die eigene, überwiegend kirchenkritische Partei bewirtschaften zu wollen. Ob ihm das bei der Landtagswahl im Herbst, bei der Rot-Rot-Grün der Verlust der knappen Mehrheit droht, etwas nutzt? Vielleicht setzt der bibelfeste Ramelow mit Blick auf den Wahltag 27. Oktober ja auf „Glaube, Hoffnung und Liebe.“