Tichys Einblick

Soll am deutschen Wesen die UNO genesen? Und Israel?

„Neuer Ton im Sicherheitsrat – Deutschland attackiert USA“ - Der Merkel-Vertraute Heusgen als Hoffnungsschimmer bei den Vereinten Nationen – diesen Eindruck erweckt tagesschau.de. Kritische Stimmen sehen das umgekehrt: Dass der Berliner UN-Botschafter in belehrender Manier polterte und den Terror gegen Israel relativierte.

Christoph Heusgen

imago/Xinhua

Es sind Sätze wie Donnerhall: „In der Nahost-Debatte des Sicherheitsrates zeigt sich zunächst wieder einmal die ritualisierte Ohnmacht des Gremiums. Doch dann ergreift UN-Botschafter Heusgen das Wort – und entfacht eine Diskussion.“ So zu lesen auf tagesschau.de. Da dümpelt die Weltgeschichte so vor sich hin – und dann kommt ein Merkel-Vertrauter, und bringt Licht ins Dunkel – diese Botschaft ließe sich überspitzt aus dem Vorspann des ARD-Berichtes ableiten. Sie droht beim eiligen Leser hängenzubleiben. Und bei dem, der nicht zwischen den Zeilen liest. Und in anderen Medien. Wo er etwa findet, was bei tagesschau.de nicht steht: Dass Heusgen Terror-Angriffe auf israelische Zivilisten mit dem Abriss von Häusern durch Israelis gleichsetzte. Und man seinen Auftritt auch durchaus als polternd und peinlich einschätzen kann.

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Aber der Reihe nach. Laut Angela Merkel ist die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson. Theoretisch. In der Praxis bekommt man immer häufiger den Eindruck, es gehe mehr um die Verunsicherung Israels als um dessen Sicherheit: Denn sobald es der Juden-Staat wagt, sich gegen Angriffe zu verteidigen, ist der Tadel aus Berlin so sicher wie tägliche positive Schlagzeile über die Grünen. Die Nachfahren der Täter in Regierungsämtern und Medien erklären den Nachkommen der Opfer in einer Art Dauerschleife, welche richtigen Schlüsse sie aus dem Holocaust zu ziehen haben – nämlich, sich nicht zu wehren, oder zumindest nicht zu sehr.

Während die Israelis aus den Schrecken des Dritten Reiches die Lehre verinnerlicht haben, das Böse zu bekämpfen und nie mehr wehrlos zu sein, ist die Lektion vieler Deutscher, dass es böse ist, zu kämpfen. Was sich leicht bewerkstelligen lässt mit einer geographischen Lage im Herzen Europas, in der man „umzingelt“ ist von „Freunden” und Bündnispartnern. Was man von Israel nicht sagen kann: Die Nachbarn des Juden-Staates wollen ihn vernichten. Was viele Deutsche nicht daran hindert, ihre Maßstäbe einer Wohlfühl-Außenpolitik, die eher Sozialpädagogik gleicht, auf den in seiner Existenz dauerbedrohten Staat Israel zu übertragen.

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Ob Bundespräsident und Außenminister mit Mullahs im Israels Erzfeind Iran kuscheln, oder der Bundestag den Juden-Staat de facto zum diplomatischen Dämonisieren freigibt, wie vor anderthalb Wochen: Zuweilen bekommt man den Eindruck, die größte Einigkeit bestehe in der Regierung dann, wenn es darum geht, Israel in Sonntagsreden hoch reden zu lassen und im echten Leben zu piesacken und schlecht zu machen. Auch in vielen Medien ist es geradezu eine Tradition, mit Vorliebe die Perspektive der Palästinenser einzunehmen. Greift ein Terrorist israelische Soldaten an und wehren sich diese, so gibt es eine gefühlte Garantie, dass zumindest in einigen Schlagzeilen in Deutschland Angreifer und Angegriffenen ausgetauscht werden: „Israelische Soldaten erschießen/attackieren Palästinenser.“

Die taz schrieb am Montag gar zu den Hamas-Angriffen: „Mit den Raketen auf die grenznahen israelischen Ortschaften kann man sich arrangieren. Öffentliche Gebäude sind sicher konstruiert, die Bevölkerung ist geschützt, erhält Steuervergünstigungen und ist die seit Jahren regelmäßig aufheulende Sirenen gewohnt.“ Böswillig interpretiert klingt das fast wie eine Aufforderung, die Opfer sollten sich mal nicht so haben wegen der Raketen – wo sie doch Steuer-Begünstigungen bekommen. Eine etwas Berlin-lastige Perspektive – vor Ort, wenn einem die Geschosse um die Ohren fliegen, denkt man vielleicht weniger an die Steuer.

Berlins UN-Botschafter Heusgen – der schon mal „Merkels Welterklärer“ genannt wurde – hat jetzt eine neue Duftnote gesetzt auf der nach oben offenen Israel-Ermahnungs-und Erziehungs-Skala im „besten Deutschland aller Zeiten“, das selbst ernannter Weltmeister im Aufarbeiten von Geschichte ist: ausgerechnet der Mann, der lange im Kanzleramt Merkels Mann für die Außenpolitik war. Der Beamte mit dem Charisma einer Büroklammer sitzt regelmäßig mit in der ersten Reihe, wenn es gegen Israel geht. Als UNO-Botschafter der Bundesrepublik hebt er bzw. sein Vertreter regelmäßig zustimmend den Arm, wenn Feinde des Juden-Staates die Vereinten Nationen missbrauchen, um das kleine Land zu dämonisieren – während schwerste Vergehen anderer Staaten systematisch übersehen werden. Allein im November letzten Jahres stimmte Deutschland in einem Ausschuss der Uno-Generalversammlung acht von neun einseitig gegen Israel gerichteten Resolutionen zu, die von Ländern wie Bahrain, Katar, Jemen, Pakistan, Saudi-Arabien und Venezuela initiiert worden waren.

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Der früher als lichtscheu geltende, (nicht zu Unrecht?) gerne im Hintergrund agierende Heusgen sorgte nun vor dem Sicherheitsrat für Furor. Das Schicksal nahm wohl seinen Lauf, als sich der 64-Jährige Düsseldorfer entschloss, frei zu reden – im Gegensatz zu allen anderen 14 Mitgliedern des Sicherheitsrates, die ihre Erklärungen vom Blatt ablasen. Nicht ohne Grund. Denn was zwar bei geübten Rednern in bayerischen Bierzelten gut ankommen mag, kann im Falle eines eher biederen Außenamts-Bürokraten auf der offenen Weltbühne leicht im Fettnäpfen enden. Heusgen polterte, die Berichte des Nahost-Gesandten Nikolai Mladenoff seien eine der „deprimierendsten Übungen des Sicherheitsrats“. Und weiter: „Warum legen Sie nicht ihre vorgeschriebenen Reden zur Seite und sagen mir, wie Sie gedenken, die bestehende Resolution umzusetzen?“

Menschlich mag Heusgens Verhalten nachvollziehbar sein. Doch der Sicherheitsrat ist kein Deutscher Kirchentag. Mit Gemüts-Romantik nach neuberliner Gusto macht man dort keine Punkte – im Zweifelsfall kommt das vor den versammelten Spitzendiplomaten so an, wie wenn eine Parteichefin zu Schmetterlingen, Vögeln oder gar Bienen reden will. So sehr viele Deutschen im Inland überzeugt sein mögen, sie könnten und müssten die Welt retten – auf internationalem Parkett läuft man damit im schlimmsten Fall Gefahr, dass die Saalordner gerufen werden. Umso mehr, wenn ein Deutscher in die Rolle des Weltretters schlüpft. Damit haben nämlich viele andere Länder in mittel- oder unmittelbarer Nachbarschaft schmerzhafte Erfahrungen. Manch einer stürzt sich da in Galgenhumor: „Rettet doch erst mal den Berliner Flughafen, bevor Ihr die Welt rettet!“

Heusgen mühte sich nach Kräften. Doch die verließen ihn. Zeitweise zumindest. Pflichtschuldig forderte der UN-Botschafter die Palästinenser auf, die Hetze, Provokationen und Raketen-Angriffe gegen Israel zu beenden und verurteilte die Terroranschläge der Hamas – um diese dann aber in unglaublicher Weise zu relativieren: „Zivilisten müssen ohne Angst vor palästinensischen Raketen oder israelischen Bulldozern leben können.“ Auf so etwas muss man erst einmal kommen: Terror gegen Zivilisten gleichzusetzen mit dem Abriss von illegal (auch von Israelis) errichteten Gebäuden.

Instinktsicher platzierte Heusgen diesen Auftritt in einer Woche, in der die Hamas wiederholt israelische Dörfer und Städte mit Raketen beschossen hat. In der israelische Familien sich in Bunkern verstecken mussten, um ihr Leben zu schützen. In der eine Hamas-Rakete in einem israelischen Wohnhaus einschlug und sieben Menschen verletzt wurden, darunter zwei Kleinkinder.

Die ARD bezeichnete Heusgen als „analytischen Rheinländer mit CDU-Parteibuch“, der „nichts dem Zufall überlässt.“ Setzt man das voraus, und nimmt an, dass er sich nicht binnen kürzester Zeit in eine „loose cannon“, also lose Kanone, verwandelt hat, die unkontrolliert über das diplomatische Parkett der UNO taumelt, legt Heusgens Auftritt zwei Rückschlüsse nahe: Dass die Bundesregierung a) Israels Selbstverteidigungsrecht nur eingeschränkt gelten lässt und b) jetzt nicht nur wie bisher die Welt allgemein, sondern auch noch ganz spezifisch den Nahen Osten sowie die UNO bzw. deren Sicherheitsrat retten will.

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Und nicht nur das. Heusgen, der gerne über seine tolle Wohnung in New York direkt am Central Park schwärmt, hatte offenbar noch ein weiteres Objekt in seinem pädagogischen Visier: Die USA bzw. den Gottseibeiuns in Deutschland Politik und Medien, US-Präsident Donald Trump. Den Kanzlerin Merkel nach seiner Wahl ja schon zur Einhaltung demokratischer Werte ermahnte – weil ja bekanntlich die Deutschen Pate standen für die Demokratie jenseits des großen Teiches und deshalb immer ein offenes Auge darauf haben müssen (eventuelle Verwechslungen der Perspektive seien verziehen, sie sind ja derart häufig heutzutage, dass sie sich schnell einschleichen).

Heusgen jedenfalls attackierte offen die Entscheidung Washingtons, die Golanhöhen als israelisch anerkennen. Und polterte gegen Trumps UN-Vertreter: „Unser amerikanischer Kollege hat uns gerade gesagt, sie werden jetzt auch noch gegen die Golanresolution verstoßen, nachdem sie schon Jerusalem als Hauptstadt anerkannten und gegen die Resolution verstießen“. Die USA, so der Mann aus Berlin mit erhobenem Zeigefinger, verstoße gegen bindendes Recht und die internationale Ordnung.

„Dass Deutschland die USA attackiert, ist ein neuer Ton im Sicherheitsrat.“, schreibt tagesschau.de. Dem wäre zuzustimmen – klänge da in dem ARD-Artikel nicht unverhohlene Zustimmung durch. Die anderen 14 Mitglieder im Sicherheitsrat seien überrascht gewesen von Heusgens Auftritt, „die meisten positiv“, heißt es auf tagesschau.de weiter – was zwar die Frage aufwirft, woher die ARD etwa die Reaktion Perus oder der Dominikanischen Republik genau kennt. Aber sei´s drum. Auch wenn es sich um eine grobe Schätzung handelt – sie muss nicht falsch sein. China und Russland dürfte das Ausscheren eines der wichtigsten Verbündeten gegen die USA sogar sehr erfreut haben – und auch unter den restlichen Ländern wie Äquatorialguinea, Indonesien, Elfenbeinküste, Kuwait und Südafrika sind nicht alle ausgewiesene Pro-Amerikaner.

Nicht erfreut über Heusgens Lektion, und das auch ganz unverholen, war Israels UN-Botschafter Danny Danon. Es sei einfach, zu sagen, „hört auf, eure Reden zu halten“, wenn man selbst nicht unter Raketenbeschuss stehe, sagte der Mann aus Israel, an Heusgen gewandt: „Die letzte Rakete, die abgefeuert wurde, landete 30 Meter von meinem Haus entfernt, in dem ich meine Kinder großziehe.”

Und dann griff Danon den diplomatischen Handschuh, den Heusgen ihm hingeworfen hatte, auf: „Ich fordere Sie heraus.“ Im nächsten Monat, so der Israeli, habe Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Israel sei dann bereit, offen hinter verschlossenen Türen zu reden, ohne abgelesene Reden. Worauf hin allerdings der Palästinenser-Vertreter sofort erklärte, er sei für ein solches Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit nicht zu haben.

Tagesschau.de hindert das nicht am Träumen: „Ab 1. April hat Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Heusgen kündigte an, zu einem Nahosttreffen einzuladen. Kein Durchbruch, aber ein Anfang vielleicht. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger“, heißt es auf der ARD-Seite. Die Welt wäre so schön und friedlich, wenn nur alle klug und lieb wären. Und auf Deutschland hören würden. Dann wäre weltweit Kindergeburtstag. Friede, Freude, Eierkuchen. Wie in Berlin.


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