Tichys Einblick
HERAUSFORDERUNG: SPRACHPOLITIK NACH MASS

Im Baskenland wird Kultur hochgehalten

Die baskische Sprache, schon lange vor den Römern in ihrem Gebiet ansässig, wird gepflegt, bei Bedarf modernisiert und tatsächlich benutzt. Ein paar politische Gedanken dazu.

Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Ich darf auf einem Kongress über die baskische Sprache einen Vortrag halten. Und jetzt, am Flughafen Bilbao, erst mal den Ausgang finden. Man erwartet etwas wie spanisch salida „Ausgang“, aber was steht da? Beste hegaldiekiko lotunea, darunter dann nochmal auf englisch Connection other flights und auf spanisch Conexion otros vuelos (mit vergessenem Akzent bei -ión). Dass diese Sprache auch offiziell so präsent ist, hatte man nicht unbedingt erwartet: Überall auf dem Flughafen ist alles dreisprachig, sonst im Land meist zweisprachig baskisch / spanisch.

Spanien hat drei einheimische Minderheitensprachen: neben Baskisch noch Galizisch im Nordwesten und Katalanisch im Osten und auf den Balearen. Dabei hört man in den deutschen Medien von Katalonien am meisten, seit Regierungschef Puigdemont ein Unabhängigkeitsreferendum organisierte, später fliehen musste, in Schleswig-Holstein verhaftet wurde und jetzt ein Prozess gegen die Unabhängigkeitsanhänger stattfindet, in denen ihnen jahrelange Gefängnisstrafen drohen. Im Baskenland wird alles rund um diese Geschehnisse sowie dieser Prozess mit höchster Aufmerksamkeit verfolgt. Denn automatisch wird es mit der eigenen Situation verglichen. Auf Mallorca muss jedes Kind neben Spanisch auch Katalanisch lernen – also auch jedes Kind z. B. von deutschen Einwanderern, die auf die Insel strömen.

Aber sprachlich ist es nicht Katalanisch, sondern Baskisch, das aus dem Rahmen fällt. Galizisch und Katalanisch stammen wie das Spanische vom Lateinischen ab, wirken daher nicht so fremd. Im Gegensatz dazu war Baskisch schon vor den Römern in seinem Gebiet ansässig. Es hat einen ererbten Wortschatz, bei dem man sich an nichts orientieren kann: „Stuhl“ heißt aulki, „Ohr“ belarri, „Libelle“ txitxiburduntzi, „Prost!“ Osasuna! Ein Wort wie diti für weibliche Brüste kommt dem Deutschen nicht so unbekannt vor, und „kitzeln“ heißt kili-kili egin (egin „machen“). Dazu kommt eine Grammatik, die es hinsichtlich ihres Schwierigkeitsgrades gehörig in sich hat, wenn man nicht zufällig Sprachwissenschaftler mit Spezialisierungen in den etwas exotischeren Sprachen der Welt ist. Bis heute weiß man nicht, wo die Sprache herkommt bzw. wie sie entstanden ist, sie ist „isoliert“.

Baskisch war lange ein Sprache der „Hinterwäldler“, aber heute ist sie aufgepeppt und kann alles im modernen Leben ausdrücken, was man braucht. Das Bildungssystem erzeugt in großer Zahl sogenannte euskaldun berriak, wörtlich „neue Baskischsprecher“. Das sind Menschen, die diese Sprache nicht von ihren Eltern gelernt haben (denn die konnten sie oft selbst nicht mehr oder durften sie nicht benutzen), sondern durch die Schule.

Das Baskenland gehört nicht gänzlich zum spanischen Staat, ein – deutlich kleinerer – Teil gehört zu Frankreich. Man nennt den südlichen Teil Hegoalde („Südteil“), den kleineren nördlichen Iparralde („Nordteil“).

Wieviel soll nun diese Sprache im öffentlichen Leben präsent sein? Wird übertrieben?

Gegner können als Argumente anführen, dass die offizielle Zweisprachigkeit zu Bürokratie und Pedanterie führt und dass sie Kosten und Umstände mit sich bringt. Studentinnen, die ich in einer Bibliothek kennenlerne, meinen (auf spanisch), die baskische Sprache werde den Bewohnern des Baskenlands zu sehr aufgezwungen. Ich antworte, die Beschäftigung mit der Sprache sollte „voluntario“, freiwillig sein. Jeder, der Baskisch kann, kann auch Spanisch (oder im kleineren Nordteil Französisch). Es ist rein für die Information für ihn also irrelevant, ob ihm z. B. „Abflüge“ noch einmal auf baskisch geboten wird.

Befürworter können anführen, dass dieses Kulturgut des Erhalts und manchmal auch des Schutzes bedarf. Gerade nach der Franco-Diktatur, die nämlich alle ethnischen und sprachlichen Minderheiten unterdrückte und den einheitlichen Spanier kreieren wollte, lässt sich wieder etwas für die Sprache tun. Die Tage der Terrororganisation Eta, die im Namen eines falsch verstandenen Nationalismus Bombenanschläge verübte, sind lange vorbei. Ein gewichtiger Gesichtspunkt ist jedoch sicherlich: Die baskische Sprache ist etwas Einzigartiges. Vielleicht kann sie uns eines Tages, wenn die Forschung voranschreitet, etwas über Europa in einer vergangenen Zeit erzählen.

Es ist nicht einfach, sich in der Diskussion auf eine Seite zu schlagen. Wo hört Liebe zur Heimat und Patriotismus (im gesunden Sinne) auf, wo fangen Übertreibung und Nationalismus an? Wichtig jedoch ist: Das müssen die Basken selbst entscheiden. Es unterliegt der demokratischen Willensbildung wie bei jedem anderem Thema, wie ein Volk mit seiner Sprache umgehen möchte. Es gibt ca. 6.000 Sprachen auf der Erde, es gibt aber nur ca. 200 Staaten. Daraus folgt, dass nicht jede Sprachgemeinschaft ihren eigenen Staat hat, und das ist auch nicht sinnvoll und notwendig, solange ihre Rechte gewahrt sind – das Recht zum Beispiel, in seiner Muttersprache auf einem Amt kommunizieren zu können, damit einem kein Nachteil durch etwaige schlechtere Beherrschung der jeweiligen Sprache mit mehr Macht entsteht.

In einer Buchhandlung sehe ich ein Buch mit dem Titel „Schwarzbuch des Baskischen“. Wovon wird dieses handeln? Von der Eta? Es stellt sich heraus, dass es um die frühere Unterdrückung der baskischen Sprache geht. Darin wird jemand anonym zitiert, der 1998 sagte: „Erst wenn wir alle spanisch sprechen, wird es wirklich Frieden geben.“ Eine ungeheure Naivität spricht aus diesem Satz. Wie sollen wir dann auf europäischer Ebene oder auf Weltebene verfahren: alle englisch sprechen? In Wirklichkeit brauchen wir eine Vielfalt der Kulturen und der Sprachen, um geistig nicht auf eine Schiene genormt zu sein.

Auf dem Kongress beschäftigt sich eine Sektion mit der Erforschung der Vergangenheit der baskischen Sprache, eine andere mit didaktischen Fragen, eine wiederum andere mit Soziolinguistik, d. h. der Rolle der Sprache in Politik und Gesellschaft. Natürlich sind hier Sprachwissenschaftler versammelt, denen eine positive Einstellung zur baskischen Sprache unterstellt werden kann. Dennoch kann man kontrovers diskutieren. Interessant auch: Der Kongress hatte genug finanzielle Mittel bekommen, um einen amerikanischen Spezialisten für ein Heidengeld aus Hawaii einfliegen zu lassen (er nannte mir Näheres), damit er seinen Beitrag vortragen konnte.

Die Fragen rund um die Situation des Baskischen als Minderheitensprache wiederholen sich viele Male in Europa und anderswo auf der Erde. In Finnland beispielsweise nimmt die schwedischsprachige Minderheit immer weiter ab. Die sogenannte „rechtspopulistische“ Partei will, dass es nicht mehr Pflicht ist für jeden Schüler, Schwedisch zu lernen. Symbolisiert wird das durch ein Piktogramm einer Person und eines Papierkorbs, und die Person entsorgt im Papierkorb den Buchstaben „Å“ (den einzigen Buchstaben, den Schwedisch hat, aber Finnisch nicht hat). In manchen Regionen Finnlands ist man sehr weit entfernt von irgendeinem Schwedischsprecher. Andererseits wird mit dem Aufgeben des Schwedischen der traditionelle Zusammenhang zum restlichen Skandinavien gekappt.

Auf den Straßen von Pamplona, dem Tagungsort, hört man zu 99% Spanisch, nur selten Baskisch; das ist aber in anderen Teilen des Baskenlands anders. Das malerische Pamplona liegt am Jakobsweg, dem Weg für christliche Pilger. Auf baskisch heißt die uralte Stadt Iruña. Die Stadt ist zudem bekannt für sein Stiertreiben, und ja, meiner Meinung nach kann man an anderen Kulturen auch mal etwas kritisieren. In der Altstadt reiht sich Bar an Bar, und trotz weniger Grad über Null: Das Nachtleben tobt.

Und dann der Rückflug. Dazu erst einmal Segurtasun kontrola, Security control, Control de seguridad. Das Baskenland macht einen nachdenklich in Hinblick auf Sprachpolitik. Vielerorts in Europa kann man aber noch von ihm lernen.

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