„Es scheint zu funktionieren, Klimasünder werden an den Pranger gestellt“, eröffnet Frank Plasberg wie immer gut gelaunt die Sendung. Und schafft es dabei sogar, jede Spur von Sarkasmus außen vor zu lassen, während der erste Einspieler Pinguine in den Sonnenuntergang watscheln lässt. Aber leider: Es wird zu warm für die possierlichen Tierchen. Gast Markus Lanz hat das bei seinen Expeditionen nach Grönland und Alaska hautnah erlebt. Kennen wir allerdings so ähnlich auch von Claus Kleber und Co. Wer ordentlich was abräumt im zwangsgebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen, der bekommt schon mal so eine exklusive Fernreise mit Kamerateam aufs Haus, zur Abwechslung, als Kur vom Alltag oder was immer.
Und dann legt Lanz schon los, der Moderator gibt spontan den verlorenen jüngeren Bruders von Hannes Jaenicke. Münchhausens Erzählungen von der Bärenjagd hin zum Wasser in den Augen des Inuitjägers hinüber zum alten Bergbauern in Südtirol, der über die Vergänglichkeit seiner Gletscher jammert. Ach Du jemine. Und Plasberg lässt ihn einfach erzählen und erzählen und erzählen und es hört und hört nicht auf. Hoffentlich wird RTL II jetzt nicht aufmerksam, aus so einem nicht abreißen wollenden Vortrag könnte man noch ein ganz anders Format stricken, denn wenn’s over the top im Sinne von maßlos wird, geht bei den Privaten schnell mal der Zoom auf.
Plasberg merkt es dann doch noch, bevor die Sendung zu Ende ist und würgt den Schnellstarter brutal ab, die anderen Kandidaten – quatsch, die anderen Gäste! – sind doch noch gar nicht zu Wort gekommen, die junge klimabewegte deutsche Nachfolgerin der heiligen Greta hat den Volkswagenboss noch nicht gemaßregelt und die Ministerin den Welt-Chefredakteur noch nicht für seinen vermeintlichen Porsche-Fuhrpark gerügt.
„Ich will mich um Himmels willen nicht als Missionar aufspielen, der perfekte Klimaschützer (bin ich) überhaupt nicht“, beendet Lanz Gott sei Dank für den Moment seinen Wortschwallurlaubsbericht aus der Kälte, die droht, die neue Wärme zu werden.
Die junge Luisa Neubauer neben Lanz hat da schon deutlich mehr zu bieten: kein Fleisch, kein Fisch, fast vegan, kein Auto (Volkswagen Manager Diess zuckt dazu nicht einmal), sehr viel öffentliche Verkehrsmittel, kaum noch Flugreisen (hüstel).
Jeder darf, soll, muss jetzt Abbitte leisten, als nächstes die Frau Ministerin, die betont, sehr viel Fahrrad zu fahren, auch kein Fleisch zu essen – das lustvoll langgezogene „-sch“ am Fleisch verrät sie allerdings als frische Veggi-Konvertitin, irgendwann muss es mal sehr geschmeckt haben: „Ich heiße Svenja und bin fleischsüchtig.“ „Hallo Svenja.“
Ulf Poschardt sagt zunächst nichts. Dann befindet er „die Privatisierung solcher großen Themen“ sei „schwierig“. Verrät dann aber doch noch, dass er in schöne Sachen investiert, „die man nie wegschmeißen muss“. Ist Poschardt tatsächlich so ein Manufaktum-Freak? So Bleistiftanspitzmaschinenfan? Besitzt er womöglich auch diese Metallverlängerungen für Stiftstummel?
„Architektur, Autos, alte Uhren“, für den Chefredakteur ist „Schönheit nachhaltig“. Sein Vorteil: Er hätte Flugangst. Er vermeide das Fliegen, wo es nur ginge.
Der Volkswagen-Manager kann einem fast leid tun, den Job möchte zur Zeit keiner machen, Millionenabfindung hin oder her. Und wenn Herbert Diess dann durchstartet und gleich mal von sich in der dritten Person spricht, dann weiß man um den enormen Druck, der auf so einem Posten lastet. Also wer sich hier bereichert oder beheizte Koi-Karpfenteiche hat, wie einer seiner Vorgänger … so what? Soll er doch, Neiddebatten sollte so ein im massiven Wohlstand eingezwängtes Dasein unter dem alles beobachtenden Auge eigentlich nicht auslösen.
„Wir müssen viel mehr tun, als nur ein Autokonzern umzubauen“, begeistert sich die Bundesumweltministerin und was eigentlich mitreißend rüber kommen will, hat sofort auch was Bedrohliches. Die Freitagsschulschwänzerin in der Runde braucht nichts zu sagen, ihr wird schon fleißig zugearbeitet, wie dem Pastor nach der Predigt in den Klingelbeutel – jeder schmeiss in die Ablasstruhe, was er zu bieten hat, nur Ulf Poschardt der alte Sturkopf-Ketzer schaut missmutig zu und gibt nur einen Hosenknopf.
Luisa Neubauer hat leider auch keine dankbare Rolle. Sie darf reden, aber sie hat bisher niemanden, der auf da Gesagte auch einmal kritisch reflektiert. So etwas macht das Gesagte aber leider nicht attraktiver. Es entwickelt sich nicht weiter und muss obendrauf noch zwingend so einen revolutionären Vorwärts-Sound der Fridays-For-Future-Bewegung haben.
Für den Mann von Springer ist ein Auto viel mehr als ein Fortbewegungsmittel. Und er kann das sogar in lupenreinem Volkswagen-Werbeagenturspeech verkaufen. Schön. Also dann zumindest, wenn man beauftragt wurde, ein neues Prospekt zu gestalten.
Ist er es einfach gewöhnt? Oder wundert sich Ulf Poschardt selbst darüber, dass sich die Sendung immer mehr an ihm ausrichtet, als wäre es eine Redaktionskonferenz hoch über Berlin. Svenja Schulze meint, die jungen Leuten hätten etwas angestoßen, jetzt müsse man sich endlich darüber streiten. Aber was für ein Streit soll das sein und mit wem, wenn man sich so ansatzlos dieser Bewegung bedient und andient, anstatt öffentlich und laut miteinander zu ringen? Lanz hat ja Recht, wenn er an einer Stelle zurückfragt: „Wo wart ihr bisher?“ Volkswagen Diess nimmt dann aber gleich wieder die empörte Luft raus, die jungen Leute hätten „alles Recht der Welt, uns anzuzählen.“ Wirklich? Aber wer ist dann „uns“?
Sebastian Dalkowski von der ZEIT darf dann noch per Einspieler Angela Merkel, die EU und die UN bitten, ihm mal auf die Finger zu hauen, er könne sich den Luxus und das Schlemmen nicht alleine abgewöhnen. Der Redakteur bettelt um eine Umweltdiktatur? Ja, es ist zu dämlich. Zu dämlich, um nicht auch noch hier diskutiert zu werden?, testet Plasberg.
„Horror!“ ruft Poschardt und gibt die Marschrichtung vor. Markus Lanz sagt dann auch pfichtschuldig „Horror“, was wiederum Poschardt, nicht selten auch als Gast bei „Markus Lanz“ im ZDF geladen, im Augenblick zu viel der Nähe scheint. „Was ist denn das für ein Menschenbild, das ist so ein neuer Typus … wenn schon Leute die Verantwortung für sich selbst nicht finden können und nach einem Tempolimit auf Autobahnen schreien, zu hoffen, dass die Politik, sie erzieht, was ist denn das für ein Menschenbild von sich selbst?“ empört sich Poschardt. „Ich verstehe gar nicht, wie so etwas zustande kommt!“, regt er sich richtig auf. Oder er möchte wenigstens, dass es so ausschaut.
Luisa Neubauer findet das nun eine „krass privilegierte Argumentation.“ Und dabei treffen sich zwei dunkelbraun glühende Augenpaare, als wäre die Tochter sauer auf den uneinsichtigen Vater, der zu sehr von oben herab geschaut hatte auf das wiederholt widerspenstige Familienmitglied.
„Wenn sie mit den Grünen am Ende 45 Prozent haben, dann könne sie es so durchziehen. Vorher müssen sie aber aufeinander zugehen. Und dann wird dieser privilegierte Diskurs auch von den privilegierten Kindern auf der Straße und den privilegierten ZEIT-Redakteuren (geführt). Und ich finde einfach, man muss so ein bisschen aus seinem eigenen, sozusagen aus seiner eigenen Anstands- und Tugendblase herauskommen um vielleicht noch so ein bisschen Realitycheck zu bekommen.“
Und weil Poschardt nun die Sendung quasi von A bis Z getragen hat, soll ihm der letzte Satz gehören, eine spaßige Porsche-Verteidigung, denn natürlich hat Plasberg auch noch ein Poschardt-Porschefoto eingespielt, die Aufnahme eines Autos, das so besonders gar nicht ist, das heute noch von jedem halbseidenen Provinzwerbeagenturgeschäftsführer am Wochenende über den Berg gefahren wird:
„Eine Porsche benutzt man so, wie ein Filet aus dem Bio-Markt.“
Poschardt findet Luisa aber trotzdem „irre charmant“, Plasberg findet das dann altväterlich, dabei war es wahrscheinlich sowieso nur geflunkert und am Ende auch völlig egal, denn sagen wir es an Poschardts statt, wie sie wirklich war, die deutsche Version von Greta: nervig altklug und sicher eines nicht, irgendwie charmant.
Ach so, eines noch: Eingangs waren wir vielleicht etwas zu rau mit unserem Markus Lanz, der hat sich aber im Laufe der Sendung noch gefangen, dahingehend, dass er zweimal hintereinander feststellte: „Da bin ich völlig bei Ulf Poschardt. Da bin ich völlig bei Ulf Poschardt.“ Na klar lieber Markus Lanz, aber das waren wir doch heute auch.