Tichys Einblick
METZGERS ORDNUNGSRUF 12-2019

Finanzplanung soll Flugfähigkeit der Bundesregierung erhöhen

Der Eckwertebeschluss des Bundeskabinetts zum Bundeshaushalt 2020 und zur mittelfristigen Finanzplanung gaukelt Solidität nur vor.

Angela Merkel beim Besuch in Yerevan, August 2018

KAREN MINASYAN/AFP/Getty Images

Immerhin 800 Millionen Euro sehen die am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossenen Eckwerte für die Haushaltsplanung des Bundes vor, um die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung (FLBschftBMVG – das ist die offizielle Abkürzung!) mit neuen Flugzeugen auszustatten, damit künftig Kanzlerin und Minister nicht wie in den letzten Monaten regelmäßig stranden. 4 Tranchen à 200 Millionen Euro sollen es in den kommenden vier Jahren richten, damit die Regierungsmitglieder wenigstens an ihre geografischen Zielorte kommen.

Mit der politischen Orientierung der Bundesregierung tut man sich nach der Lektüre des kurzen Eckpunktepapiers auf der Website des Bundesfinanzministeriums
allerdings schon schwerer. Unter der Zwischenüberschrift „Haushaltspolitische Vorgaben und Sicherung solider öffentlicher Finanzen“ ist folgendes Credo zu lesen: „Für die Regierungskoalition ist ein ohne neue Schulden ausgeglichener Bundeshaushalt das zentrale haushaltspolitische Ziel. Mit den vorgelegten Eckwerten wird diese Vorgabe des Koalitionsvertrages in allen Jahren des neuen Finanzplanzeitraums erfüllt. Dies ist angesichts der sich abzeichnenden konjunkturellen Risiken, der notwendigen Bedarfsanpassungen bei gesetzlichen Leistungen und zahlreicher neuer Maßnahmen keine Selbstverständlichkeit und verlangt in den kommenden Jahren eine verstärkte Haushaltsdisziplin.“

Das Eigenlob auf die schwarze Null bis 2023 klingt schon reichlich kühn, wenn man sich die parallele Auflösung der Flüchtlingsrücklage von derzeit 35,2 Milliarden Euro (Stand: Ende 2018) in den kommenden Jahren anschaut. Bereits in diesem Jahr ist eine Entnahme von 5,5 Milliarden Euro vorgesehen. 2020 sollen dann 9,8 Milliarden Euro entnommen werden, 2021 12,4 Milliarden und 2022 dann schließlich die letzten 7,5 Milliarden. Dass sich die Kosten der Migration aber nicht in Luft auflösen, sondern in verschiedenen Etats – von der ganzen Bandbreite der Sozialausgaben bis zu den Kosten der Sicherheitsorgane – durchschlagen, kann auch der Bundesfinanzminister nicht unterschlagen. Der parteiübergreifende Widerstand der Länder, denen der Bundesfinanzminister die Milliardenzuweisungen für die Unterbringung der Asylbewerber kürzen will, um seinen Etatausgleich optisch hinzubekommen, belegt schon jetzt, dass Scholz seine fragile Rücklagenauflösung für den Etatausgleich nicht wird durchsetzen können.

Das BMF lobt sich auch für seine signifikante Steigerung der Investitionsausgaben: „Es ist beabsichtigt, die Investitionen im Finanzplanzeitraum auf einem noch höheren Niveau als im Jahr 2019 zu verstetigen. Entsprechend werden die Investitionsausgaben in haushalterischer Abgrenzung gegenüber dem bisherigen Finanzplan deutlich um rund 0,64 Mrd. € p.a. auf ein Rekordniveau von jeweils rund 39,6 Mrd. € erhöht.“ Zu den Investitionsausgaben zählen nicht nur Verkehrsinfrastruktur und Forschungsförderung, sondern natürlich auch die Rüstungsinvestitionen, auch wenn der Aufwuchs deutlich geringer ist, als es sich die zuständige Ressortministerin Ursula von der Leyen, aber auch der US-Botschafter in Berlin wünschen. Einen Hinweis will ich mir nicht verkneifen, der den Investionsausgabenanstieg durchaus relativiert. Gerade im Bausektor – von der Straße, über die Schiene, bis zum Breitbandausbau – explodieren aufgrund der Hochkonjunktur buchstäblich die Preise. Sieben- bis zehnprozentige Preissteigerungen per annum sind keine Seltenheit. Im Klartext: Trotz der signifikanten Steigerung der Investitionsausgaben erhält auch der Staat für immer mehr Geld oft weniger Leistung.

Olaf Scholz gab schon vor einem Jahr die Losung aus, man müsse das Rentenniveau langfristig steigern, um einen „deutschen Trump“, wohl sein Synonym für die AfD, zu verhindern. Der Steuerzuschuss an die Rentenversicherung steigt – wegen der SPD-Leitplanken und der CDU-Mütterrente. Auch das Baukindergeld, ein CSU-Projekt, fordert seinen Haushaltstribut. Im Eckwertebeschluss hat der sozialpolitische Überbietungswettlauf seine vorläufige Bilanz gefunden: „Der Anstieg der Sozialausgaben von 179,5 Mrd. € im Jahr 2019 auf 198,3 Mrd. € im Jahr 2023 spiegelt den Willen der Bundesregierung wider, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und dafür zu sorgen, dass der wirtschaftliche Erfolg bei allen Bürgerinnen und Bürgern ankommt.“ Immerhin hat ein Mitarbeiter auch einen nüchternen Satz in das Papier geschmuggelt, der zumindest auf die Risiken der sich verändernden Altersstruktur unseres Landes verweist: „Die Entwicklung der Sozialausgaben lässt aber auch die Dynamik der zukünftigen demografiebedingten Haushaltsbelastungen erkennen.“

SPD und Union haben in den vergangenen Regierungsjahren alles getan, um die langfristig tragfähige Finanzierung der Sozialsysteme durch ständige Leistungsausweitungen zu erschüttern. In den kommenden Monaten steht noch die Entscheidung der Regierungskoalition zur Grundrente oder „Respekt“-Rente an, wie die SPD ihr teures Modell nennt. Dazu ist im Eckpunktepapier zu lesen: „Das Vorhaben der Einführung einer Grundrente ist in den Eckwerten noch nicht berücksichtigt. Wenn die Konzeption der Bundesregierung hierzu vorliegt, wird zu prüfen sein, ob und welche Anpassungen der Eckwerte erforderlich sind.“

Diese Finanzplanung wird bereits Makulatur sein, wenn das Bundeskabinett am 26. Juni den endgültigen Regierungsentwurf beschließt. Erst recht wird der Etat 2020 nach den Beratungen des Bundestags im Herbst und im Lichte des wirtschaftlichen Abschwungs anders aussehen.

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