Kennen sie den Witz: „Wo sehen Frauen am besten aus? Auf alten Fotos.“ Oder diesen: „Schliesse deine Frau und deinen Hund in den Kofferraum ein. Warte 15 Minuten und mach den Kofferraum wieder auf. Wer freut sich?“ Der Brüller. Ich liebe Witze, Comedy, Karnevalsshows, Schnitzelbänke an der Fasnacht (wie sie in der Schweiz heissen), und Frauenwitze finde ich besonders lustig. Manche haben die Veranlagung, bei mir vor lauter Lachen Ganzkörpertourette auszulösen. Gerade jetzt zur Karnevalsszeit erhitzen sich die Gemüter aufgrund politischer Unkorrektheit ja wieder gerne: Wie die Gratiszeitung 20 Minuten berichtet, hat sich in der Schweiz schon eine anonyme Gruppe über Fasnächtler beschwert, die über LGBTQ-Anhänger ulkten.
Die Empörung der Zuschauerin über die Ungerechtigkeit stiess auf grosse Zustimmung bei den üblichen Verbündeten aus dem kultivierten Milieu der Humorlosen. Man griff jetzt Stelter für seinen Witz an, wetterte gleich noch über den schlechten Humor beim Karneval ganz allgemein. Melanie Amann, Leiterin Hauptstadtbüro von SPIEGEL, twitterte: „Karneval hin oder her: Als Tochter einer Frau mit Doppelnamen habe ich die Häme satt, die über meine Mutter und Frauen wie Annegret Kramp-Karrenbauer ausgegossen wird – oft von Männern, die nie ihre Namen für die Ehe aufgegeben hätten. Hut ab vor dem Mut dieser Frau.“
Einer, der immer wieder für seine derben Witze angegriffen wird, ist der britische Comedian Ricky Gervais. Er schreibt bei Twitter: „Nur weil jemand beleidigt ist, heisst das nicht, dass er im Recht ist.“ Und: „Die Frage, ob man über ein Thema keine Witze machen darf, ist nicht weniger lächerlich als jene, ob man über ein Thema nicht sprechen darf.“ Beleidigung sehe er als Kollateralschaden von Redefreiheit. „Ich hasse den Gedanken, dass die Meinung einer Person abgeändert oder sogar zum Schweigen gebracht wird, weil jemand sie irgendwo vielleicht nicht hören will. Ausserhalb von Gesetz brechen oder jemandem physischen Schaden zufügen, ist ‚Gefühle verletzen‘ fast unmöglich objektiv zu messen.“ Wenn niemand je verletzt werden sollte, dürfte man gar keine Witze mehr machen.
Ich sehe es genauso. Ein Witz ist per se zugespitzt, ja, vielleicht auch zugespitzte Realität, die einige halt nicht hören wollen. Eine Regulierung von Comedy oder Karneval zugunsten von politischer Korrektheit würde in totaler Willkür ausarten. Denn der eine prangert einen Witz an, weil er in seinen Gefühlen verletzt ist. Der nächste findet ihn rassistisch oder sexistisch. Dem anderen passt er aus ideologischen oder politischen Gründen nicht, die nächste hatte einmal ein negatives Erlebnis dazu, ein weiterer findet den Komiker schlecht. Und sowieso: Leute, die sich jetzt beschweren, lachen bei Witzen, die nicht sie selbst betreffen, ansonsten ja ganz gerne mit.
Gruppe eins macht es einem wirklich nicht leicht, sie nicht als die selbstmitleidigen Zeitgenossen zu sehen, die sie nun mal sind, und die in übertriebener Selbstverliebtheit alles auf sich beziehen. Witze über Doppelnamen sollten jetzt als Beispiel für Alltagssexismus dienen? Warum? Weil Frauen heute keine andere Wahl haben, als den Namen des Mannes anzunehmen? Weil uns #MeToo gelehrt hat, dass, wenn wir unter etwas so Schrecklichem wie einem Gag leiden, es dann auch tatsächlich schrecklich ist, egal, wie es gemeint war? Gemäss der Logik wäre dann übrigens auch jener ein Sexist, der mich nach meinem Alter fragt. Mir egal, wie es gemeint ist. Was zählt ist, wie es bei mir ankommt.
Persönlich beantworte ich die Frage mit „ja“. Ja, Comedians sollten sich bei Personen entschuldigen, die sich durch ihre Witze gekränkt fühlen. Sie sollten die Witze im Vorfeld mit Feministen- und Randgruppenverbänden besprechen. Das Ministerium für Wahrheit in den Kreativprozess miteinbeziehen. Den Zuschauern während der Show einen Sorgenbeauftragten zur Seite stellen. Und gratis Kleenex an alle verteilen.
Viel Spass Ihnen allen!
Der Beitrag erschien zuerst in der Weltwoche.