„Gesegnet sei der Schuh. Die Sandale!“
(Monthy Python – „Life of Brian“, 1979)
Lasst uns mal über Gretas Stundenplan reden.
Wir wissen: Freitags bestreikt sie die Schule. Man wundert sich, dass sie von Montag bis Donnerstag noch hingeht. Wobei – so viel, wie die junge Dame unterwegs ist, kann sie ihre Lehranstalt nur noch sporadisch von innen sehen: Hamburg (Anfang März), Brüssel (Ende Februar), Davos (Ende Januar), Kattowitz (Mitte Dezember) – das ist nur ein kleiner Auszug ihrer Auftritte.
Das kann man schaffen und trotzdem nicht permanent die auch in Schweden geltende Schulpflicht ignorieren – allerdings nicht, wenn man Gretas Reisegewohnheiten hat: 32 Stunden ist sie mit dem Zug nach Davos gefahren, weil sie Fliegen ablehnt (der Legende nach). Bei der bekannten Umweltorganisation „Deutsche Bahn“ schätzen sie solche Schienenkilometer-Sammler sehr. Sie bezeichnen sie dort als BahnComfort-Kunden und lassen sie in den Bahnhöfen statt auf dem kalten Bahnsteig großzügig in der Lounge auf den verspäteten Zug mit umgekehrter Wagenreihung warten. Immerhin.
Der Legende nach haben Gretas Eltern nebenher ein Elektro-Auto, auf dem Weg nach Kattowitz hätten sie deshalb alle zwei Stunden anhalten müssen: um zu laden. Heroisch. Er fahre seine Tochter zu diesen Veranstaltungen wie andere Eltern ihr Kind zum Sport, sagt Vater Svante in einem seiner Interviews, von denen es mittlerweile ähnlich viele gibt wie von seiner Tochter. Klima retten ist das neue Pony reiten.
Für die Pferdeliebhaberei dürfen allerdings nur die Allerwenigsten die Schule schwänzen, selbst im Land von Pippi und Bullerbü.
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Lasst uns mal über Gretas Eltern reden.
Vater Svante Fritz Vilhelm entstammt einer Schauspieler-Ehe. Früh entschied er sich gegen eine bürgerliche Existenz und wurde selbst Schauspieler. Das Ergebnis dieser Berufswahl lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Bekanntester Eintrag in seinem Tätigkeitsnachweis ist eine Tournee mit dem Ensemble des „Riksteatern“ und dem Stück „Tralala-la“ (Bindestrich im Original).
Mutter Sara Magdalene lässt sich „Malena“ nennen und ist Sängerin: Sopran und Mezzosopran. Bis 2003 trat sie öfter auf, dann begann eine sechsjährige Schaffenspause (aka Karriereknick). Das Tal sollte durch den Wechsel ins Seichte verlassen werden: Beim Eurovision Song Contest 2009 (ESC) erreichte sie für Schweden das Finale. Ein „Abba“-Erfolg blieb allerdings aus: Sie belegte den 21. (fünftletzten) Platz – mit 33 Punkten. Zum Vergleich: Der Sieger bekam mehr als elfmal (!) so viele. Kann passieren.
Svante ist nebenbei Manager und Produzent seiner Ehefrau – wenn er nicht gerade selbst als Schauspieler auf Tournee geht. Das tut er, wie gesehen, fast nie, also ist die Vermarktung von Marlena sein eigentlicher Beruf. Das Familieneinkommen hängt somit weitgehend an ihrem Sangeserfolg. Eine Schallplatte 2003 fand – wie sage ich es am taktvollsten? – nicht ganz so viele zahlende Liebhaber wie erhofft. Danach begann die Schaffenspause (siehe oben). Dann kam der ESC. Danach wurden flugs vier weitere Alben herausgebracht. Die fanden allerdings auch kaum mehr Liebhaber als die Scheiben davor. Seit 2015 verzichtet das Familienunternehmen darauf, dem Musikmarkt neue Angebote zu machen.
Natürlich muss jeder irgendwovon leben. Mittlerweile sind Marlena und Svante als „Gretas Mutter“ und „Gretas Vater“ glücklicherweise bekannter, als sie es in ihren früheren Berufen je waren. Das ist gut für den Absatz ihres gemeinsamen Buches, das sie über Greta geschrieben haben (den Titel lasse ich hier weg, um nicht der Schleichwerbung bezichtigt zu werden). Auch die beiden börsennotierten Unternehmen Ernman Produktion AB und Northern Grace AB, bei denen Svante als Geschäftsführer eingetragen ist, haben durch Gretas Aktivismus deutlich an Marktkapitalisierung gewonnen.
Es ist wirklich nachhaltig herzerwärmend, wenn selbstloses soziales Engagement und der hingebungsvolle Einsatz fürs Weltklima so belohnt werden. Gut, das Engagement und der Einsatz kommen von Greta, und die Belohnung erhalten die Eltern. Aber das Kind ist ja auch erst 16.
Wir wollen doch die Kirche in Bullerbü lassen.
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Lasst uns mal über Gretas Einflüsterer reden.
Im Februar 2018 gewann die junge Dame bei einem Schreibwettbewerb der Zeitung „Svenska Dagbladet“ den zweiten Platz mit einem Beitrag über den Klimawandel. Daraufhin kontaktierte sie der Umweltaktivist Bo Thorén – und schlug ihr, inspiriert von Protesten gegen Waffenbesitz nach einem Schulmassaker in Florida, den Schulstreik vor.
Soweit die Legende.
Es macht ja wirklich keinen Spaß, ein Spielverderber zu sein. Aber ich kann einfach nicht anders. Das berüchtigte Zentralorgan aller deutschsprachigen Rechtsradikalen, die Schweizerische „Weltwoche“, widersetzt sich bekanntlich dem internationalen Trend, den Journalistenberuf auf das Niveau des Berliner Abiturs herunter zu dimmen. Stattdessen beharren diese Eidgenossen darauf, auch mal etwas zu recherchieren (böses Wort, am besten konsumieren Sie jetzt gleich ein paar Katzenbildchen bei Facebook).
Mittels verpönter Recherche findet man zunächst diese Verbindung von Gretas Eltern, dem schwedischen PR-Experten Ingmar Rentzhog und Thorén:
„Vier Tage nachdem Greta ihren Klimastreik begonnen hatte, wurde das Buch ihrer Mutter Malena Ernman (Titel in deutscher Übersetzung: «Szenen aus dem Herzen») präsentiert. Am selben Tag postete Rentzhog auf Instagram ein Foto von Greta und schrieb einen langen Artikel auf Facebook. Das löste eine Kettenreaktion in vielen Zeitungen und anderen Medien aus. (…) Gretas Mutter (…) bestätigte daraufhin auf Facebook, dass der Umweltschutzaktivist Bo Thorén ihre Tochter angeworben habe.“
Dann findet man eine Verbindung zu einer ganz und gar nicht gemeinnützigen Firma: Gretas Vater kooperiert mit der Stiftung „WeDontHaveTime“. Deren eingetragener Zweck ist die Verbreitung des „Wissens zum Klimawandel“ und dessen Konsequenzen, ihr gehört aber auch das Unternehmen WeDontHaveTime AB. Das macht sein Geschäft mit PR für das Pariser Klima-Abkommen, mit „Informationen“ über das Weltklima – und höchstwahrscheinlich mit dem außerordentlich lukrativen Handel mit CO2-Zertifikaten. Die Stiftung WeDontHaveTime ist eine Non-Profit-Organisation – die Firma ist das keineswegs.
„Klingt komisch, is‘ aber so.“ (Peter Lustig, Gott hab‘ ihn selig). Oder anders: Hier wird Geld verdient, und nicht zu wenig. Das ARD-Studio Stockholm vermeldete jüngst via Twitter (von Trump lernen, heißt siegen lernen), dass die graue Eminenz Rentzhog mit Greta für die Neuemission von „WeDontHaveTime“ geworben habe; dabei sei rund eine Million Euro eingesammelt worden.
Erwachsene betrinken sich manchmal – manchmal können sie aber auch sooo nüchtern sein:
Klima-Gretchen ist das Poster-Girl einer von Erwachsenen konzipierten „Bewegung“. Nike nutzt seine jugendlichen Werbeträger auch nicht besser – und auch nicht anders.
Nicht aufregen. Nur nicht aufregen. Nicht den Humor verlieren, auch nicht die gute Laune. Das gibt nur Magengeschwüre. An denen stirbt man womöglich, ganz ohne Klimawandel. Das gehört sich nicht.
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Lasst uns mal über Gretas Fans reden.
„Die Welt gehört in Kinderhände“, schrieb der einflussreiche Sozialphilosoph Herbert Grönemeyer schon 1986. „Kinder an die Macht.“
Die übliche Selbstüberhöhung also.
Es waren Eltern zu sehen, die fuhren ihre Kinder im SUV zu der Demo. Der Berliner „Tagesspiegel“ beschreibt die 15-jährige Jasmina aus Pinneberg, wie sie aus einem Starbucks-Einwegbecher trinkt, während sie mit der Masse über den Neuen Jungfernstieg und die Lombardsbrücke Richtung Hauptbahnhof trottet.
Die übliche Heuchelei also.
(Schnell, Katzenbildchen…?)
Greta selbst räumt ein, dass Asperger-Autisten wie sie dazu neigen, Dinge in Schwarz und Weiß einzuteilen. Grauzonen gibt es nicht. Entsprechend bietet Greta radikale Forderungen und einfache Antworten. Ihren jugendlichen Fans gefällt das.
Andere mit solchen simplen Angeboten nennt man mit einiger Berechtigung Populisten.
Gretas Fans sind Kinder. Und solche, die sich nicht entblöden, mit kindlichen Mustern erwachsene Probleme lösen zu wollen.
Nicht aufregen. Oohhmmm…
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Lasst uns mal über Gretas Gegner reden.
Die haben mehr Probleme am Hals, als ihnen lieb sein kann. Einerseits sollen sie die junge Schwedin ernst nehmen (selbst die Kanzlerin bescheinigt den Klima-Schulschwänzern mittlerweile „berechtigte Anliegen“). Andererseits kann man schwerlich ernsthaft gegen sie argumentieren – denn sie ist ja noch ein Kind.
Da greift der Schutzinstinkt gegenüber Menschen, die noch der Fürsorge bedürfen. Dass die junge Frau als Asperger-Patientin verhaltensgestört, also besonders schutzbedürftig ist, verschärft das noch.
Im Prinzip ist Greta Thunberg, pardon, eine argumentative Zumutung. Sie soll gar keine rationale Debatte befördern, sondern genau das Gegenteil: Sie soll eine rationale Debatte verhindern. Ihr moralisches, kindliches Auftreten soll Kritik an ihrer Position (und an der Position derer, die sie nach vorne ins Rampenlicht schieben) systematisch unmöglich machen. „Im Kern geht es darum, beim politischen Gegner eine Art intellektueller Duldungsstarre auszulösen.“
Wer auf einer erwachsenen, an Argumenten und Gegenargumenten interessierten Diskussion beharrt, wird an den Pranger der Sozialen Medien gestellt. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zweifelt vorsichtig per Twitter am intellektuellen Gehalt von Gretas Aussagen – und wird sodann in einer völligen Maßlosigkeit attackiert. „Wie klein muss eigentlich Ihr Selbstbewusstsein sein, dass Sie sich als CDU-Generalsekretär an einer 16-Jährigen aus Schweden abarbeiten müssen?“, empört sich die Linke-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler. Der Aachener Grüne Alexander Tietz-Latza stimmt in den Chor mit ein: „Eine 16-Jährige mit Vision & Weitblick gebasht von einem Generalsekretär mit Realitätsverweigerung.“
Es gibt Wissenschaftler, die fertig studiert und ein Diplom erworben haben und die vieles anderes sehen als Greta? Egal. Es gibt wesentlich mehr, die älter sind als 16 und denen auch – vermutlich sogar eher – eine politische Meinung zusteht? Egal. Die Welt wird aus guten, aus sehr guten Gründen eben nicht von Kindern regiert? Egal.
Nicht aufregen. Nicht aufregen. Oohhmmm…
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Lasst uns mal über Gretas Zukunft reden.
Vielleicht hat bald jemand Erbarmen und verhindert, dass sie weiter von ihren Eltern als Goldesel und von keineswegs gemeinnützigen, sondern gemein eigennützigen Marketing-Haien als Werbefigur missbraucht wird.
Vielleicht darf sie bald wieder normal zur Schule gehen und ihre Begabungen dafür einsetzen, für die Welt etwas zu entwickeln, was die Erde zu einem besseren Ort macht. Es wäre nämlich durchaus schön, wenn junge Leute sich nicht die Schulschwänzerin Greta Thunberg zum Vorbild nähmen, sondern zum Beispiel Steve Jobs.
Vielleicht können wir dann auch wieder rationale Debatten – gerne auch über Klimapolitik – führen.
Heißa, das würde Spaß machen. Oder?