Katharina Schulze, die bayrische Chefin der Grünen, musste sich zuletzt einen veritablen Shitstorm gefallen lassen, als sie über ein Schleckermäulchen-Posting stolperte, dass auf besondere Weise die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zeigte, als Schulze sich fotografisch von einem Aufenthalt in den USA mit Plastikeisbecher und Löffelchen meldete. Häme gab es zum einen für den umweltschädlichen Fernflug und für das Mehrweggeschirr. Nein, nicht einmal, weil die Nespresso-Gemeinde damit mehrheitlich auf Kriegsfuß stände, sondern weil der von Grünen proklamierte hoch aufgehängte Jute-statt-Plastik-Anspruch ein anderer ist.
Besonders ärgerlich für Schulze, wo doch gerade Jamila Schäfer, die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, darum bemüht war, die Öffentlichkeit dahingehend zu imprägnieren, dass man doch bitte „Klimaschutz” nicht „auf einen Wettbewerb um ein moralisches Standing verkürzen“ solle. Will heißen: Grüne Ideologen sind bitte auch nur Menschen.
Das nun allerdings erinnert aktuell fast unvermeidbar an diese furchtbare Rede des Papstes zum Missbrauchsgipfel im Vatikan, der wiederum seinen Gläubigen allen Ernstes beibringen wollte, seine Priester seien auch nur Menschen und damit den Geist des Bösen aus der Flasche ließ. In beiden Fällen ist der moralische Anspruch besonders hoch, dann, wenn der Finger auf andere zeigt. Die Missbrauchsfälle seien noch mal eine andere Hausnummer? Nein, denn angesichts der Weltuntergangsstimmung der Grünen was Klima und Co angeht, wollen wir die grüne Ideologie einmal in ihrer ganzen abstoßenden Intensität nehmen.
Katharina Schulze hätte es nun dabei bewenden lassen können, so ein Shitstorm trocknet ja mit der Zeit aus. Da steht der bayrischen Grünen-Chefin aber offensichtlich eine Eitelkeit im Wege, wenn sie Focus-Online jetzt ein bemerkenswertes Interview gibt. Bemerkenswert dumm ist das, wenn sie erneut dazu auffordert, verbindliche Regelungen für alle zu schaffen, „und nicht das schlechte Gewissen für eine Person“ auszuloben. Wenn sie also Freispruch für sich selbst und für all jene grünen Ideologen fordert, die ihren eigenen Ansprüchen nicht genügen und gleichzeitig den starken Staat einfordert, der gefälligst mit harter Hand die Einhaltung neuer grüner Regeln durch alle anderen durchsetzen soll.
Bigotter geht es ja kaum, schlimmer kann man die Befähigung des Menschen zum selbst bestimmten verantwortlichen Handeln kaum mehr unterminieren. Es geht also nicht darum, auf den Plastikeisbecher zu verzichten, sondern ihn von vornherein zu verbieten. Das gleiche gilt dann für Flüge in die USA? Wird der große Teich so zur Trennlinie zweiter neuer Welten? Die Entdeckung Amerikas jetzt in umgedrehter Reihenfolge?
Fast flapsig und so, wie es störrische kleine Mädchen an Mamis Hand im Supermarktkassenbereich vor dem Süßigkeiten Regal machen, mault auch Schulze: „Ich bin der Meinung, wo und mit wem ich meinen Urlaub verbringe, ist meine Privatsache.“
Die bayrische Grüne fände es schwierig, „wenn nur noch derjenige über Umwelt- und Klimapolitik reden dürfte, der zu 100 Prozent ökologisch korrekt lebt.“ Vielfliegerin Schulze möchte die Preise im öffentlichen Nahverkehr senken. Für die anderen, also für die, die ihn nutzen auf dem täglichen Weg zur Arbeit, denen keine Chauffeurs-Limousine zur Verfügung steht und auch kein Budget, auf einen Plastikeisbecher nach Amerika zu fliegen.
„Wir brauchen nicht die besseren Menschen, sondern die bessere Politik.“, findet Frau Schulze und erklärt dafür über den vollen Eisbecher hinweg das Modell der ökologischen Selbsterkenntnis, des grünen Vorbildcharakters für erledigt. Nicht mehr das private ist politisch, die Politik soll über Sanktionen soweit ins Private eingreifen, sodass grüne Politik den Menschen von nun an nicht mehr überzeugen muss, sondern der Einfachheit halber mit Sanktionen durchgesetzt wird.
Grüne Politik ist heute endlich dort angekommen, wo sie nicht mehr für sich werben muss, sondern über eine zwangsbegrünte Kanzlerin in Gesetze gegossen wird. Nicht zum Wohle etwa nur der bösen Deutschen, sondern gleich zum Wohle der ganzen Welt. Im weichgespülten Schulze-Deutsch geht das so: „Wir müssen es den Menschen erleichtern, mit dem Spannungsverhältnis umzugehen.“
Den Shitstorm befeuert hätten sowieso nur rechte Blogs. Und weil sich Schulze dem Focus gegenüber gerade so echauffiert, will es ihr nicht einmal mehr gelingen, mit einer ziemlich schrägen Verschwörungstheorie hinter dem Berg zu halten, wenn sie zum Shitstorm gegen sie zu Protokoll gibt: „Diese Aktivitäten einer Horde internationaler vernetzter Rechtsextremer mit Bezügen nach Russland ist ein Angriff auf die Demokratie und auf uns alle.“
Zuletzt ruft Schulze noch Greta Thunberg für sich in den Zeugenstand. Die sei ja auch weiblich und Opfer eines Shitstorms, also geht es hier auch um einen Angriff gegen Frauen: „Interessanterweise sind es alles junge Frauen, auf die eingeprügelt wird, oft im sexualisierten Kontext.“ Katharina Schulze ist eine Frau, sie ist 34 Jahre alt und sie wünscht sich „in unseren Sicherheitsbehörden mehr IT-Spezialisten.“
Sie möchte in Bayern bei der Polizei eine virtuelle Wache einführen, „bei der man als Betroffene von Hass, Hetze und Verleumdungen im Internet rund um die Uhr Hilfe bekommt und Anzeige erstatten kann.“ Zusätzlich geschützt werden sollen also nicht Frauen in Großstädten vor einer inflationär auftretenden eingewanderten sexuellen Gewalt, sondern geschützt werden soll das zarte Pflänzchen einer grünen Ideologin mit leider schwacher Selbstdisziplin, wenn es um den Eisbecher geht; geschützt werden vor dem Gelächter der virtuellen Gemeinde, die ja von Russland aus gesteuert wird oder eben von rechten Blogs kommt oder beides. Ach du je.
Schulze wünscht sich die Intensivierung einer staatlichen Propaganda und möchte, dass die Propaganda der grün gefärbten privaten Helfershelfer weiter querfinanziert wird, wenn sie fordert: „Aber genauso wichtig ist, dass der Staat Geld in die Hand nimmt und mehr Demokratiebildung und Präventionsprojekte fördert.“
An den Schulen soll obendrauf ein neues Fach „Digitalkunde“ schon den Jüngsten beibringen, „unterscheiden zu können zwischen seriösen Medien und einem schnell aufgesetzten Blog.“ Das muss man sich erst einmal trauen, dreißig Jahre nach Abschaffung des Staatsbürgerkundeunterrichts in der DDR und fast 75 Jahre nach Ende des Nazi-Regimes.
Ja doch, die bayrische Grünen-Chefin Katharina Schulze hat sich in Rage geredet. Aber das ist gut so. Denn damit gewährt sie den Lesern einen Einblick in die Untiefen der grünen Psyche und schafft so den nötigen Raum hin zur Erkenntnis, dass die Gefahr für unsere Art zu leben, für die Demokratie und für die westlich geprägten modernen Lebensformen nicht zuerst von links oder rechts ausgeht.