Elisabeth Wehling absolvierte an der University of California in Berkeley ein Masterstudium, wurde 2013 zum Doktor der Philosophie (Ph.D.) in Linguistik promoviert. Irgendjemandem im Leitungsgremium der ARD muss das mächtig imponiert haben. Und es klingt ja auch gewaltig: „Berkeley International Framing Institute“. Etwas vom unbestreitbaren Ruhm der großen kalifornischen Universitätstradition schien eine junge, dort frisch promovierte Linguistin ins notorisch klamme Berlin, ins leicht provinzielle Deutschland zu bringen. Und sie hatte die zudem noch über das Antithema schlechthin – die Propaganda im NS-Staat – geforscht!
„Fiat Lux“ – das ist der Leitspruch der berühmten Universität of California in Berkeley. Das hat etwas von einem Erleuchtungsanspruch. Scheinbar hat Frau Wehling diesen Anspruch mitgebracht aus dem sonnigen Kalifornien. Dabei hat ihr „Framing Institute“ schlichtweg keine Verbindung zu der höchst noblen Universität – doch wen stört’s bei der ARD? Ihre auf den ersten Blick nobel-schlichte, auf den zweiten Blick aber weitgehend von Floskeln getragene Webseite verfügt über kein Impressum – wen stört’s beim deutschen Staatsfunk? Etwas verdächtiger wird es bei der Argumentation. Einerseits antwortet Wehling auf die Vorhaltungen von Kritikern, sie nutze „Berkeley International Framing Institute“ lediglich als Marke und erhebe „keinen Anspruch“, ein „wissenschaftliches Institut“ zu leiten. Andererseits möchte sie „ihre wissenschaftliche Arbeit von ihrer Tätigkeit als Unternehmensberaterin trennen“, wie sie in der Süddeutschen Zeitung vom 23. Februar verkündet. Also doch Wissenschaft? Frau Wehling hat sich hier offenbar in einer selbstgelegten Schlinge verfangen.
Die Umdeutung von Rundfunk-Realitäten
Und die Neusprech-Erziehung der mit Berkeley wie Goebbels bewanderten Frau Wehling geht weiter. Sie nimmt sich den Begriff „Gebührenbefreiung“ vor. Der Begriff „Befreiung“ suggeriere, dass sich Bürger „von der Beitragsgebühr befreien lassen“, also „von der Rundfunkgebühr befreit“ werden können. Da rät sie ab, denn „befreit“ sein kann man nur von Dingen, die unfrei machen oder ein Stück Unfreiheit darstellen. Doch die Radio- und Fernsehprogramme der ARD sollen zu einem „gemeinsamen Rundfunk ARD“ umgedeutet werden. Der Beitrag für eine Aufgabe, in der sich alle Menschen guten Willens mit „ihren“ Journalisten identifizieren, die ihnen die Welt erklären, soll eine freudige Pflicht sein – also Lust und nicht Last. Die Rundfunkgebühren deutet Frau Wehling als „das Beitragen zum gemeinsamen Rundfunkbudget oder auch Rundfunkkapital“.
Ein Volk, ein Land, ein Rundfunk
Und wo Frau Wehling grad so schön beim „Volk“ war: „Bei der ARD hat der Bürger seine eigenen, unabhängigen Beobachter, die geschützt vor dem Zugriff durch die Wirtschaft oder durch einzelne politische Akteure oder Gruppen für ihn arbeiten. Nur wer auf diese Weise informiert ist, kann als selbstständiger und selbstbestimmter Bürger demokratisch mitgestalten.“ Wie war das? Das „Volk“ also hat „Beobachter“, die vor dem „Zugriff“ des „Kapitals“ geschützt werden müssen, damit der „selbstbestimmte Bürger demokratisch mitgestalten“ kann. Großartig! In der Vorlesung, in der diese Begriffe in einen historischen Zusammenhang gebracht wurden, hat Frau Wehling ganz offensichtlich ihre Ohren gespitzt, und zwar wie!
Die Lehre von der richtigen Rasse
Dem Deutschlandfunk gab Wehling am 6. November 2018 dann ein bemerkenswertes Interview. Hier erklärte sie die Wähler, die in den USA Donald Trump ihre Stimme gegeben hatten, zu Menschen, die sich in ihrer Hirnstruktur grundsätzlich von anderen unterscheiden. Trump werde „Stimmen ernten von Menschen, die sowieso von ihrer Ideologie her schon im Bereich des eher rechten politischen Spektrums sich bewegen, das ist vollkommen klar, denn von denen wissen wir unter anderem auch, dass sie eine größere Amygdala haben, also einen größeren Bereich im Gehirn, der Angst und Stress und Aggression berechnet“. Mit diesem Statement hätten NS-Rassevermesser durchaus etwas anfangen können. Man möchte Frau Wehling geradezu fragen, ob ihr die Gefahren, die ein zu umfangreiches Studium von NS-Propaganda mit sich bringen kann, nie nahegebracht worden sind.
Wenn’s Honecker nur hören könnte
Die Wendung „Mitglieder unserer Gesellschaft“ erinnert dabei in Geist und Inhalt an die DDR-Formulierung „unsere Menschen“, die der Autor dieser Zeilen noch selbst aus dem Munde Honeckers hörte – im DDR-Fernsehen. Muss aus dem Denken von Frau Wehling die Nähe zu sozialistischen Denkstrukturen herausgelesen werden? Es wäre dabei nicht einmal relevant, ob es eher der internationale oder der nationale Sozialismus ist.
Ein weiteres Indiz, dass dem so sein könnte, liefert die weitere Frage, die noch offen ist. Wer gab denn eigentlich das ARD-Neusprech-Papier bei Frau Wehling in Auftrag? Nun, das war Karola Wille, die Intendantin des MDR. Sie amtierte von Januar 2016 bis Dezember 2017, also auch zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe, turnusgemäß als „ARD-Vorsitzende“. Wille hat eine sehr interessante Karriere in der SED hinter sich. In Jena wurde sie als DDR-Juristin ausgebildet, dann wechselte sie an die als besonders kommunistisch-orthodox geltende Universität Leipzig, wo sie Medienrecht lehrte. Dort arbeitete sie eng mit einem Staatssicherheitsoffizier im besonderen Einsatz (OibE) zusammen, wie Alexander Wendt herausfand. Aus ihrer Feder stammt der Satz: „Im politischen und ideologischen Arsenal der aggressivsten und reaktionärsten Kräfte des Monopolkapitals nimmt der Revanchismus einen gewichtigen Platz ein.“ Und „Revanchismus“ wird heutzutage in sozialistischen oder dem Sozialismus nahestehenden Kreisen als „Rechtspopulismus“ übersetzt. Womit sich dieser Kreis schließt.