Die Angst vor spürbarem Wähler- und sich vergrößerndem Legitimitätsverlust treiben die CDU in den Aktionismus und die SPD in die Nostalgie. Beide Parteien sehnen sich dabei, sich wieder unterscheiden zu können – zumindest für den Wähler. Anstatt sich den aktuellen Problemen des Landes zu widmen, greift die SPD tief in die Nostalgiekiste, ein Griff, der den Steuerzahler stets teuer zu stehen kommt, nicht die soziale Gerechtigkeit, sondern nur die soziale Unmündigkeit vergrößert und zur Ausweitung der Sozialbürokratie führt. Die CDU versucht zumindest, die von ihr ermöglichte (und gewollte?) Masseneinwanderung in das deutsche Sozialsystem zu dämpfen und zu regulieren. Mit dem kalten Hohn, der darin besteht, dass alle Kritiker, die diese Maßnahmen seit 2015 fordern und dafür ehrabschneidende Verunglimpfungen durch einen Großteil der Medien zu erdulden haben, könnte man sogar leben, wenn es denn ernst gemeint wäre. Um dem Publikum diese Illusion zu ermöglichen, darf dann Schleswig-Holsteins Ministerpräsiden Daniel Günther den Positionen Kramp-Karrenbauer markig widersprechen, so dass der Eindruck entstehen soll, als fände in der CDU wirklich ein politischer Streit zwischen Merkelianern und Erneuerern statt. Indes, Sprenkel für die Drosseln, eine so billige wie durchsichtige Show fürs Wahlvolk, wie Kramp-Karrenbauer nun belegt.
In einem gemeinsamen Interview in Bild am Sonntag haben Annegret Kramp-Karrenbauer und Kathrin Göring-Eckardt die Katze aus dem Sack gelassen – und die Katze ist schwarzgrün oder grünschwarz. Beide sind sie davon überzeugt, dass sie bereits aufgrund ihrer Geschlechts bessere Politik machen würden als Männer. Man könnte jetzt kalauern, dass man diese bessere Politik am Zustand der Bundeswehr täglich bewundern kann, doch hat eine gute Politik eben nichts mit dem Geschlecht, sondern mit guten oder schlechten Politikern zu tun, mit Politikern, die dem Land und den Bürgern sich verpflichtet fühlen oder nur der eigenen Karriere, der Macht oder einer illiberalen Ideologie.
Mehr noch, beide Politikerinnen sind stolz darauf, Quotenfrauen zu sein. Leistung ist reaktionär, Quote progressiv. Das demagogische und undemokratische Argument, dass die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist und deshalb auch die Hälfte der Abgeordneten weiblich sein müssen, zielt auf die Abschaffung der Demokratie oder auf die Überführung der Demokratie in eine sozialistische, was auf das gleiche hinausläuft. Wenn diese Quotierung flächendeckend durchgesetzt wird, wird die Frage nach der Quote für Deutsche mit Migrationshintergrund, für die 99 Geschlechter, für illeagel Einwanderer mit anerkanntem und nichtanerkanntem Flüchtlingsstatus, die nach dem gleichen Argumentationsmuster auch alle repräsentiert werden müssen, gestellt und gelöst werden. Das Parité-Gesetz dient nur als Rammbock für viel weiter gehende Interessen. In der DDR hatten die Wähler nur die Möglichkeit, den Vorschlag der „Nationalen Front“ anzunehmen oder abzulehnen, wobei die Ablehnung erhebliche Konsequenzen nach sich zog. Kathrin Göring-Eckardt scheint gute Erinnerungen daran zu besitzen. Quotierung bedeutet jedenfalls in der Konsequenz eine Art Blockwahlsystem.
Albern wird das Interview, wenn die Spitzenfrauen der CDU und der Grünen im bereits erwähnten Hanny und Nanny Stil große Zuneigung füreinander bekunden und vergnügte Einigkeit verkünden, so behauptet Göring-Eckardt euphemistisch: „Dass Grüne und Union im Parteienspektrum weiter auseinanderliegen als SPD und Union, könnte dem Land guttun, weil es zu mehr Zusammenhalt führt.“ Dass Göring-Eckardt unter „Zusammenhalt“ den Ausschluss aller politischen Alternativen meint, wird schon dadurch deutlich, dass Grüne und CDU eben nicht „im Parteienspektrum weiter auseinanderliegen“, sondern dass Grüne und CDU in Baden-Württemberg als Regierungskoalition und im Bund unter einer grünen Kanzlerin Angela Merkel informell längst zu einer neuen Einheitspartei zusammenwachsen. Schaut man genauer hin, wird die CDU gerade von den Grünen übernommen, zumindest hat Merkel in ihrer Regierungszeit grüne Herzensprojekte verwirklicht, von der Abschaffung der Wehrpflicht, über die Energiewende, über die bedingungslose Einwanderung bis zur Ehe für alle.
Es geht nicht um Frauen oder Männer, sondern um eine Politik für die Bürger, für die Frauen, die Kinder, die Männer, für die Familien in diesem Land – die, erzählt das Interview, haben beide nicht im Blick.