Im Jahr 1954 schrieb Bertolt Brecht mal wieder ein Agitprop Stück, diesmal unter dem Titel „Turandot oder Der Kongress der Weißwäscher“, in dem der Kaiser in Bedrängnis gerät, weil die Tuis (die Hofmeinungsmacher) den Baumwollmangel bei aller Manipulationskunst nicht mehr bemänteln können. Der Kaiser ist empört: „Ich muss mir anhören, dass der Staat durch Misswirtschaft und Korruption zugrunder gerichtet wird, schön. Aber mir deshalb meine zweite Frühstückspfeife streichen! Das ist zuviel?“
Die Tuis veranstalten daraufhin einen Kongress der Weißwäscher, um eine neues Framing zu finden. Es geht ihnen nicht darum, die Missstände abzustellen, sondern sie zu einem Erfolg zu verklären.
Die Sache ist beispielsweise, dass die ARD eine Kommunikationsstrategie in Auftrag gibt und ihre Mitarbeiter darin schult, in der es heißt: „Kontrollierte Demokratie statt jeder wie er will.“ Wer soll kontrollieren? Die ARD? Brechts Tuis? Ein Wahrheitsministerium? Gehört es nicht zum Wesen der Demokratie, dass sie erstens nicht kontrolliert wird und zweitens eben jeder darf, wie er will, solange er nicht mit den bisher klar formulierten Gesetzen in Konflikt gerät?
Doch eine andere Meinung gilt nicht länger nur als eine andere Meinung und kommt auch nicht von gleichberechtigten Diskursteilnehmern, sondern nach neuester Lehre von „Feinden“.
Der inzwischen inflationäre Gebrauch des Wortes „Feind“ sollte jedem einen kalten Schauer über den Rücken jagen, denn das gab es schon einmal: den Klassenfeind, den Volksfeind. Auch bleibt Esslinger die Erläuterung schuldig, was in diesem Zusammenhang das „Fach“ der ARD sei. Zu Informieren oder zu manipulieren? Der Kritiker ist eben nicht als Feind, sondern als Diskussionspartner zu sehen, nur so würde aus der ARD „unsere ARD“, wie es Elisabeth Wehling vorschlägt. Man kann Akzeptanz nicht herbeiframen, sie muss in der Realität durch Erfahrungen, nicht durch Frames entstehen. Liest man das Framing Manual, wirkt es wie eine Anleitung, den Gebührenzahler hinter die berühmte Fichte zu führen. Verliert die ARD nicht auch deshalb an Akzeptanz, weil man das Framing merkt, oder um es bildlich auszudrücken, weil man die Absicht spürt und deshalb verstimmt ist? Wurde den Medien – auch der ARD – in einem Gutachten nicht beispielsweise bescheinigt, in der Flüchtlingskrise mit den Mitteln medialer Überwältigung gearbeitet zu haben. Schadet am Ende diese Framing-Strategie nicht der ARD? Und dabei hat sie es nicht einmal nötig. Mir würden einige Sendungen einfallen, die akzeptiert werden und mit denen sie ihren Sendeauftrag erfüllt.
Unter den Weißwäschern dürfen natürlich auch die Journalisten der ZEIT nicht fehlen, die wie Rainald Becker keinen Skandal entdecken können. Auch ihnen sei Victor Klemperes LTI wärmstens empfohlen. Der neue Frame lautet, es handele sich nur um Werbung, nur um eine Kommunikationsstrategie, kein Grund zur Aufregung: „Nur das ich es verstehe: Die ARD entwirft wie jedes Unternehmen eine Kommunikationsstrategie. Dabei bedient sie sich einer lächerlichen Methodik. Eine gute Idee? Sicher nicht aber wo ist noch einmal der Skandal?“, twittert Mark Schieritz von der ZEIT. Da hilft jedoch kein Kleinreden, die Methodik ist natürlich nicht lächerlich, denn sie hat schon einmal hervorragend schlechte Dienste geleistet.
Hat schon das Framing-Manual der ARD geschadet, so dürften die Verteidiger des Manuals der Anstalt öffentlichen Rechts einen Bärendienst erweisen, weil sie das Framing Manual richtig als Manipulationsanleitung erkannt haben und nun die Manipulation zu rechtfertigen versuchen, weil „Waffengleichheit“ hergestellt werden soll.
Es wird relativiert, wo nicht relativiert werden darf, so im Blick auf die Werte der Aufklärung, die im kritischen Diskurs bestehen und dessen Garant der von den Aufklärern von Immanuel Kant bis Friedrich dem Großen in seinem „Antimachiavell“ immer wieder geforderte mündige Bürger als Staatsbürger ist, die nun hemdsärmelig abgeräumt werden soll. Der mündige Bürger wird unter Ignoranz der über zweihundertjährigen Begriffsgeschichte anachronistisch als AfD-Propaganda denunziert, Kritiker werden zu „Feinden“ erklärt und Diskurse sollen anscheinend in einer „kontrollierten Demokratie“ nur noch dann zugelassen werden, wenn sie „redlich“ sind.