Tichys Einblick
Lebensdauer Technik

Wenn der Kühlschrank kaputt geht: geplante Obsoleszenz?

Technische Gerätschaften gehen zu schnell kaputt. Arbeitet die Industrie hier etwa Soll-Bruchstellen ein? Aber wie würde sich das Smartphone von heute in zwanzig Jahren anfühlen? Sicherlich wie eine Lachnummer, wie ein Käseigel in der Molekularküche.

© Getty Images

Unser Jüngster kam einmal entdeckerstolz mit einem neuen Begriff aus der Schule. Er konnte ihn sogar besser aussprechen, als es sein Vater bis heute kann. Die Rede ist von der „geplanten Obsoleszenz“. Nun geht der Junge auf keine besondere Schule für Hochbegabte. Hier wurde einfach im Rahmen des Unterrichts im Fach „Arbeit, Wirtschaft und Technik“ (AWT) seiner Gesamtschule besprochen, worauf die Kinder im späteren Leben als Erwachsene achten sollten, wenn sie sich Elektrogeräte zulegen. Wenn sie einen eigenen Hausstand gründen und sich vom Elektroherd über den Fön bis zum Kühlschrank neu einrichten und keine Lust haben, irgendwelchen Murks zu kaufen, der schon kurz nach der Anschaffung kaputt geht.

Oder schlimmer: Kurz nach Ablauf der Garantie. Wenn die Anschaffungen also in den Selbstzerstörungsmodus schalten nach einem geheimnisvollen vom Hersteller festgelegten Zeitpunkt außerhalb des Garantieversprechens. Aber gibt es diese Schweinereien wirklich? Bisher konnten solche eingebauten Countdowns nämlich nicht nachgewiesen werden, wohl aber ein Reihe von bewusst verbauten Verschleißteilen mit bedenklichen Halbwertzeiten, dazu gleich mehr aus einer aktuellen Studie zum Thema.

Zum Thema im Haushalt des Autors hier wurde die geplante Obsoleszenz, als der Kühlteil der Bauknecht Gefrierkombi ein paar Monate nach der Garantie aufhörte zu kühlen. Nach diversen erfolglosen Neustart-Versuchen ging der Lösungsansatz zunächst Richtung Youtube, wo ein netter türkischstämmiger Handwerker seinen Followern in etwa erklärte: Entweder ist der Kühlschrank vereist, dann sollte er 24 Stunden lang abgetaut werden oder der Thermostat ist kaputt, dann muss leider ein neuer Kühlschrank gekauft werden, die Reparaturen wären hier zu teuer im Verhältnis zum Anschaffungswert. Es könne, so versicherte der Fachmann, nur diese beiden Fehlerquellen geben.

Was macht der selbstbewusste Mann des Hauses? Er holt die Werkzeugkiste aus dem Keller und baut besagten Thermostat aus, in dem Falle ein regelbarer im Inneren des Kühlschrankes. Aber so ein Ausbau ist mit Kniffen und Fallstricken verbunden, es wäre auch zu einfach, wenn jeder selbst daran rumschrauben könnte. Also passiert, was in solchen Fällen schon einmal passiert, ein Teil der Verschalung des Thermostats bricht unter zu starken Schraubenziehermanipulationen heraus und das Kühlschrankinnere sieht nun dauerhaft unschön aus – der Bedarf für eine neue Gefrierkombi ist also unvermeidbar geworden und das auch noch unabhängig vom Verdacht einer geplanten Obsoleszenz seitens des Herstellers.

Der Gebrauchtwarenhändler für Waschmaschinen und Kühlschränke von um die Ecke hat noch eine einfachere Erklärung, welche er in einem Reim auf eine Herstellermarke vorträgt, die so endet: „… baut schlecht.“ Sie kommen drauf?

Wenn schon der Kühlschrank nicht mehr zu retten ist, dann soll wenigstens eine aktualisierte Studie aus dem Umweltbundesamt weiterhelfen, wenn hier Fachleute Geräte auf Herz und Nieren und also auch auf diese ominöse geplante Obsoleszenz überprüft haben. Die Studie trägt den seiner Länge nach kryptischen Titel:

„Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung: Schaffung einer Informationsgrundlage und Entwicklung von Strategien gegen „Obsoleszenz“ – Verbraucherbefragung“

Und um es ganz korrekt zu erzählen, verantwortlich dafür ist der „Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Forschungskennzahl 3713 32 315.“

An erster Stelle der Autoren steht der vom Ministerium beauftragte Senior Researcher Siddharth Prakash vom Öko-Institut e.V. aus Freiburg. Dieses Institut ging 1977 aus der Anti-Atomkraft-Bewegung hervor, heute wird es also vom Umweltministerium beauftragt, tief in Waschmaschinen hineinzuschauen, wenn sich besagter Prakash mit seinem Team ins Innenleben von Neugeräten vorgewagt hat auf der Suche nach so etwas wie einer beweiskräftigen Sollbruchstelle, dann, wenn sich dort nicht etwa gleich auf Anhieb eine geheime Zeituhr mit Selbstzerstörungsmechanismus in der Waschmaschine finden lässt.

Die Mitte 2018 aktualisierte Studie von 2016 (über 300 Seiten) ist weit über einhundert Seiten lang. Wir lerne auch hier: So eine Studie muss nach Ablauf vor zwei Jahren nicht gleich auf den Müll, die Hersteller der Studie sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben moderne Teile ergänzt. Also eine Art Studienbaukasten.

Die Ursprungsidee der Studie war es wohl, Produkt-Kennzeichnungen für den Verbraucher zu entwickeln, die etwas erzählen können über die technische Lebensdauer von Produkten oder ihrer Komponenten nebst weiteren Informationen über eine Reparierbarkeit und Ersatzteile, also kurzum über alles, was den Schraubenzieher des Laien am altersschwachen Gerät etwas besser aussehen lässt.

Oder kürzer: Es geht um Langlebigkeit. Also um die ewige Frage, was besser ist: eine florierende Wirtschaft oder ein Produkt mit einer der Dauer eines Erwachsenenlebens entgegenkommenden Lebensdauer. Ältere erinnern sich: die über zwanzig Jahre alte Miele-Toplader-Waschmaschine der Großmutter, für fünfzig Mark gekauft und in der Wohngemeinschaft neben der Gemeinschaftstoilette installiert. Unkaputtbar.

Für die Studie wurden eine ganze Reihe von Waschmaschinen, Fernseher, Notebooks und Handmixer in ihre Einzelteile zerlegt. Interessant ist das Umfrageergebnis, das klar belegt, dass, wenn die Hersteller eine Lebensdauer um zehn Jahre versprechen, der Kunde dann bereit ist, wesentlich mehr Geld zu investieren, noch über den doppelten Preis hinaus gegenüber einer kostengünstigen Waschmaschine ohne Lebensdauerangaben. Bei einer Lebensdauer von 15-20 Jahren stieg die Bereitschaft, mehr auszugeben sogar um das bis zu Vierfache gegenüber der Billigmaschine.

„Die Angabe der Lebensdauer führt in allen Einkommensklassen zu einer signifikanten Verschiebung hin zum Kauf von Waschmaschinen mit höheren Lebensdauern.“ Interessant ist das Umfrageergebnis auch dann, wenn es besagt, dass Energieeffizienz und Wassersparsamkeit für den Konsumenten noch einmal wichtiger sind als die Langlebigkeit. Dass ein langlebiges Produkt auch umweltfreundlicher ist, dann, wenn der Energieaufwand der Herstellung eine höhere Rechtfertigung erfährt, scheint dem Käufer hier weniger wichtig.

Eine aktuelle Presseerklärung des Instituts vom 05. Februar 2019 stellt nun fest, dass sich Verbraucher „für hochwertigere technische Geräte entscheiden, wenn sie einfache und gut verständliche Informationen zur Qualität, Langlebigkeit und Reparierbarkeit der Produkte erhalten.“

Das die Studie ausführende Öko-Institut fordert deshalb die EU-Umweltpolitik auf, die Informationspflicht mit weiteren rechtlichen Maßnahmen zu flankieren: „Dazu gehören bessere Rahmenbedingungen für die Reparaturen ebenso wie eine Optimierung von Gewährleistung- und Garantieregelungen.“ Damit sie nicht nach kurzer Zeit ausgetauscht werden – sei es aufgrund eines Defekts, wegen zu hoher Reparaturkosten oder dem Wunsch nach einem neuen Modell – empfehlen das Öko-Institut und die Universität Bonn Strategien und Instrumente, mit denen die Politik Anreize für eine längere Nutzung von Produkten setzen kann.

Eine spannende Frage wäre es hier tatsächlich, ob das nun schon antikapitalistisch ist oder einfach nur so vernünftig, wie es Generationen lang gelebt wurde, wenn eine Waschmaschine in Jahren und bei entsprechender Pflege ganz selbstverständlich eine zweistellige Lebenserwartung aufweisen konnte, die vom Konsumenten im Übrigen so auch erwartet wurde. Aber wie würde sich das Smartphone von heute in zwanzig Jahren anfühlen? Wie eine Lachnummer, wie ein Käseigel in der Molekularküche.

Kommen wir zur spannenden Frage, was Siddharth Prakash und sein Team denn nun tatsächlich im Inneren der Geräte an Soll-Bruchstellen gefunden haben, als sie schon ab 2015 begonnen hatten, systematisch nachzuschauen bzw. solche Untersuchungen auszuwerten, wo schon andere Neugierige vor ihnen nachgeschaut hatten. So konnte beispielsweise bei Flachbildfernsehern festgestellt werden, dass hier eine eventuell zu unterstellende geplante Obsoleszenz gar keinen Sinn machen würde, weil die Entwicklung dieser Geräte so voranschreitet, dass der überwiegende Neuanschaffungsgrund nicht ein defektes Gerät war, sondern der Wunsch, ein technisch moderneres Gerät zu kaufen.

Auch am Beispiel Notebook wurde klar, dass es sich hier viel eher um eine funktionale Obsoleszenz handelt, als darum, dass das Gerät irgendwann technisch nicht mehr den Anforderungen einer modernen Digitalisierung entsprach und ein neues angeschafft wurde, ohne dass das alte defekt gewesen wäre.

Ein weiteres Fazit der Studienmacher belegt, dass die geprüften Geräte vom Hersteller tatsächlich auf eine bestimmte Nutzungsdauer hin produziert werden. Aber hier bestimmt der Verkaufspreis, den der Kunde zu zahlen bereit ist darüber, wie hochwertig die verwendeten Materialen sind, was wiederum maßgeblich die Langlebigkeit mitbestimmt. Eine absichtsvolle Begrenzung der Lebenszeit konnte an keiner Stelle nachgewiesen werden. Auch entscheidet der Preis des Gerätes mit über die Servicedichte der Reparaturmöglichkeiten und die Verfügbarkeit beispielsweise von Ersatzteilen.

Der wahrscheinlich wichtigste Unterscheid zu den Herstellern der Geräte unserer Großeltern lässt sich also in einem simplen Satz zusammenfassen: Die Geräte sollen heute so lange halten wie nötig, nicht so lange wie möglich.

Und tatsächlich macht es keinen Sinn, einen Fernseher zu bauen auf der Basis hochwertigster Materialen und Komponenten, wenn der Wunsch des Kunden darin besteht, sein Gerät alle vier oder fünf Jahre gegen ein technisch moderneres auszutauschen. Streng umweltbewusst könnte man hier formulieren: Die Innovationskraft der Entwickler steht hier dem Willen entgegen, umweltbewusster zu leben. Ein kapitalistisches Paradoxon?

Sinnvoll wäre es allerdings, wenn die Produzenten deutlich häufiger eine zu erwartende Lebensdauer ihrer Produkte mit ausloben würden, anstatt sich nur auf den engen Zeitraum eines Garantieversprechens zu berufen. Die Kühl- und Gefrierkombination im Haushalt des Autors hier ist jedenfalls ein paar Monate nach Ablauf der 24-Monate-Garantie defekt, die Lebensmittel lagern jetzt in Eimern im Garten und die Tage werden jetzt schon bedrohlich wärmer. Nicht auszudenken, diese Obsoleszenz hätte erst im Hochsommer eingesetzt.

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