Den Grad seiner Prominenz hat gerade wieder Günther Jauch unter Beweis gestellt, als er einer speziellen Reporterplattform ein Interview gab und sich trotzdem darauf verlassen konnte, dass Inhalte dieses Gespräches samt scharfer Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen hohe Aufmerksamkeit bekommen. Das ist gewissermaßen die Kür einer souveränen Selbstvermarktung: Aufmerksamkeit durch Verknappung.
Wie weit Jauch sich dabei über die Debatten der anderen stellt, zeigt die Auswahl seines Gesprächspartners, wenn er sich für seine Kritik am System ARD und ZDF ausgerechnet eine der Kaderschmieden dieses öffentlich-rechtlichen Betriebes aussucht und damit durchkommt, weil man es sich auch hier nicht leisten kann, den beliebtesten Moderator des deutschen Fernsehens einfach zur nächsten Tür weiterzuschicken. Bei der „Reporterfabrik“ genannten Plattform wird ebenfalls ein Workshop des Moderators angeboten, der dort als Dozent auftritt und aus diesem Umfeld heraus befragt wurde.
„Sie sind nicht so frei und unabhängig, wie man sie sich von der Konstruktion her vorstellen könnte“, erklärt dort der 62-Jährige über ARD und ZDF. Über seine Moderation zur besten Sendezeit am Sonntagabend mit seinem Politik-Talk „Günther Jauch“ sagt er: „In meinem speziellen Fall war es einfach so: Ich bin, gerade wenn ich journalistisch tätig bin, gerne unabhängig. Mit der Unabhängigkeit war es irgendwann schwierig.“ Zu viele Leute hätten mitreden wollen.
Und wie nervig und unter Kontrollzwang das dann vor sich gegangen sein muss, erzählt Jauch so: „Sie schauen zuweilen ängstlich nach links und rechts, sie haben Rundfunkräte, Verwaltungsräte, politische Parteien, manchmal eine Schere, die sie sich selbst im Kopf zusammengebastelt haben.“
Auch die Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk greift Jauch direkt an, wenn er aus dem Nähkästchen plaudert, dass es dort Karrieristen gäbe, „die zusehen, wie sie sich verhalten, damit sie in zwei Jahren diesen oder jenen Job bekommen“. Die Sendeanstalten seien in sich selbst gefangen und das trotz bester beitragfinanzierter Voraussetzungen um Bildung, Unterrichtung und Unterhaltung anzubieten.
Die Bild-Zeitung kommentiert ebenfalls und spricht von einer Abrechnung des Moderators, der von 2011 bis 2015 Anne Will für ein paar Jahre nach Hause schickte und die den durchgesessenen Platz anschließend wieder übernehmen durfte.
Nun darf man hier nicht vergessen, dass Jauch ebenso wie beispielsweise Frank Plasberg seine Sendung mit eigener Produktionsfirma gemacht hat, die bei Jauch hunderte von Leuten beschäftigt. Das Format „Günther Jauch“ live aus dem Gasometer war also eines auf Bestellung, ein Zukauf und kein öffentlich-rechtliches Eigengewächs. Heißt also, der Einfluss des Auftraggebers war aus dieser Konstellation heraus enger begrenzt, als er es bei einer öffentlich-rechtlichen Eigenproduktion je sein könnte. Nein, man will, man kann, man soll nichts mehr selbst machen, aber kräftig dreinreden will man schon. So ungefähr kann man Jauchs Kritik interpretieren, wenn der Moderator die Unabhängigkeit der Sender auf diese harsche Weise in Frage stellt.
Angesichts eines zweifachen Anne-Will-Volksempfängers mit Bundeskanzlerin oder Sandra Maischbergers Annegret-Kramp-Karrenbauer-Welcome-Show, ist ja längst deutlich, was Günther Jauch so auf den Magen geschlagen ist. Aber liegt es nun an möglichen vertraglichen Fristen und Klauseln, dass er nach seinem Aussteigen bei der ARD mit seiner Kritik vier Jahre gewartet hat?