Ach, was hört man doch heutzutage nicht alles für Klagen über den Kapitalismus und das Versagen der Marktwirtschaft. Leider stimmt vieles, zu vieles. Aber ist die Alternative, der wir uns jetzt an den Hals werfen, wirklich so viel besser? Kann die regulierende und umverteilende Hand des Staates die unsichtbare Murks-Hand des Marktes zum Vorteil korrigieren?
Der Nobelpreisträger James Buchanan hat die übliche, talkshow-taugliche Erklärung, warum der Kapitalismus und die Marktwirtschaft versagen, ergänzt um eine Theorie, wie und warum Politiker und das politische System versagen. Eine Wirtschaft, die von freien Märkten bestimmt wird und in der die Jagd nach dem Profit alles bestimmt, nennt er profitgetriebene Gesellschaft. Das Gegenteil ist die politisch bestimmte Wirtschaft. In der geht es nicht um Profit – sondern um Umverteilung. Umverteilung ist fein, wenn man ein extra Stück Kuchen abkriegt. Weniger schön ist, wenn man ein Stück hergeben muss. Schädlich für alle wird es, wenn niemand mehr Kuchen backen will. Denn in der Umverteilungsgesellschaft geht es nicht darum, den besten Kuchen zu backen, sondern nur noch darum, das größte Stück vom Kuchen der anderen zu ergattern.
Nach dem Versagen des Marktes kann man heute besichtigen, wie wir uns in Windeseile zur Umverteilungsgesellschaft wandeln, in der die Quellen unseres Wohlstands zerstört werden. Beispiel gefällig? Nur noch ein Drittel der Deutschen zahlt Lohnsteuer, und das gesamte Aufkommen reicht nicht mal mehr aus, um die Beamten und Angestellten des riesigen öffentlichen Dienstes zu bezahlen. Wehe, wer in der Wirtschaft beschäftigt ist – hier schrumpfen die Einkommen durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit. Finanzkrise? Dafür haben die schlagkräftig organisierten Interessengruppen des öffentlichen Dienstes nur ein müdes Lächeln übrig. Dafür sind ihre Pensionen fast dreimal so hoch wie die gesetzliche Rente. Nicht Leistung zählt, sondern Status im Verteilungskampf.
So wird der deutsche Rentner zur eigentlichen Macht im Staate. Die Renten werden erhöht – auch ohne Rücksicht auf die ausblutenden Aktiven. SPD wie Union sagen ganz offen, dass dies Betrug an den heutigen Beitragszahlern ist, deren zukünftige Rente ohnehin viel niedriger sein wird. Aber eine politische Mehrheit ist nur mit den Stimmen der Rentner zu holen. Sehr weit ist das nicht von der Wahlkampfstrategie der Mafia in Sizilien entfernt, die den Wählern einen linken Schuh schenkt – und den rechten dann, wenn ihr Kandidat gewinnt. So wurde das einst stolze und mächtige Sizilien, die Perle Europas, zum Armenhaus umverteilt.
Gerecht – ist es nicht. Es setzt sich durch, wer über eine leicht organisierbare Lobby verfügt, die Politiker erpressen kann. Niemanden im fernen Berlin kümmert das leise Sterben des Mittelstands. Es verreckt, wer keine Lobby hat, und deshalb ist der Lobbyismus die einzige Wachstumsbranche in Berlin. Lange hat es gedauert, die Geldsaugerei des Bauernbundes abzuschwächen und die der Steinkohleindustrie zu unterbinden. Aktuell treten Großunternehmen wie Banken, Opel und Schaeffler an, um sich riesige Kuchenstücke von der Politik zu erpressen. Im Umverteilungsstaat hat Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick die Logik auf seiner Seite, wenn er sagt, dass er geradezu verpflichtet sei, Geld vom Staat zu erbitten, wenn es denn schon solche Bürgschaftsprogramme gibt. Was er nicht kassiert, kassieren andere. Der Wettlauf um Staatsknete ersetzt den Wettbewerb um Kundenzufriedenheit.
Viele historische Untersuchungen zeigen, dass marktwirtschaftliche Gesellschaften Wohlstand erzeugt haben – und Umverteilungsgesellschaften ziemlich schnell verarmen. Nicht der Klassenkampf zerstört dieses Land – sondern die Umverteilung.
(Erschienen am 29.05.2009 auf Wiwo.de)