Gerechtigkeit sieht anders aus: vier Partner von 16 erwirtschaften Überschüsse, die übrigen zwölf halten die Hand auf. Falls es sich um kleinere Summen handelt – geschenkt. Und die meisten der Transaktionen des Länderfinanzausgleichs, von denen hier die Rede ist, bewegen sich in einem normalen Rahmen. Ein Geldstrom jedoch fällt auf: Bayern zahlt 6,7 Milliarden Euro, Berlin kassiert 4,4 Milliarden. Das ist eine unglaubliche, aber doch eher nüchterne Nachricht. Was ist die Geschichte dahinter? Der Versuch einer Annäherung sei gewagt.
Das Bild einer Diamantmine, vielleicht des „Big Hole“ im südafrikanischen Kimberley oder der „Jubilee Mine“ im russischen Jakutien, tut sich vor dem inneren Auge auf. Wie können binnen eines Jahres weit über vier Milliarden Euro, allesamt hart erarbeitet in Bayern, in Straßen und Kellern Berlins versickern? Strukturprobleme hin, SED-Altlasten her: Was für ein Maß an Misswirtschaft muss in der Hauptstadt herrschen! Oder ist es etwas anderes?
Ein Blick auf die politische Landkarte kann nicht schaden. Bayern ist das Land, aus dem Ludwig Erhard stammt. Geboren wurde er in Fürth, gelehrt hat er in Nürnberg – der Stadt, aus der der gegenwärtige bayerische Ministerpräsident stammt. Regiert wird Bayern von München aus, einer Stadt, in der sich von BMW über die Allianz und die Munich Re bis Siemens DAX-Konzerne ein Stelldichein geben. Wobei mit Siemens die Brücke ins traditionell strukturschwache Franken geschlagen wird, denn in Erlangen ist Siemens ganz stark vertreten – Ludwig Erhard ist wieder ganz nah, zumindest regional gesehen.
Eine derartige Wirtschaftsstruktur ist nicht vom Baum gefallen. Sie wurde maßgeblich geschaffen in der Ära Franz Josef Strauß – Bayern wandelte sich in seiner Regierungszeit vom Nehmerland im Länderfinanzausgleich zum größten Geberland. Strauß war es auch, der die Anstöße gab, mittels derer ein Provinzflughafen – der Münchner – zum zweitgrößten Luftkreuz Deutschlands und einem der dynamischsten Flughäfen Europas ausgebaut werden konnte. Die bayerische Landeshauptstadt hat heute einen Flughafen, der einer Hauptstadt gut zu Gesicht stünde.
Der Flughafen: ein Symbol?
Womit wir beim Thema wären. Weder Bundesmittel noch wechselnde Managerköpfe konnten bislang den Ausbau der alten Kommunistenpiste in Schönefeld zu einem Weltflughafen – oder auch nur einem soliden deutschen Mittelklasse-Airport – bewirken. Ist das, was in Schönefeld, vor den Toren der einst ruhmreichen Hauptstadt Deutschlands, geschieht, auch beim Straßenbau und in der Wohnungswirtschaft Maßstab? Dann ist verständlich, wohin vier Milliarden Euro versickern können, trotz steigender Steuereinnahmen in Berlin, trotz bislang nicht gestoppter Neuaufnahme von Schulden an Spree und Havel.
Was könnte also die Ursache für die Misere sein? In Berlin lässt sich ein Regierender Bürgermeister von wildgewordenen Grünen und den alten SED-Kommunisten, die sich derzeit als „Die Linke“ tarnen, durch die Frankfurter Allee und durch Kreuzberg jagen. Hat er selbstzerstörerische Charakterzüge oder ist er ein verkappter Linksextremist? Die Berliner Polit-Posse scheint ihm jedenfalls keine Schmerzen zu bereiten. In Bayern dagegen haben die Wähler den Politikern die letzten linken Flausen bereits vor über sechs Jahrzehnten ausgetrieben. Das Resultat dieser unterschiedlichen politischen Werdegänge könnte nicht exakter beschrieben werden als mit dem heutigen Stand des Länderfinanzausgleiches.
Das „Big Hole“ in Schönefeld
Und was geschieht nun mit dem vielen Geld aus München? Nun gut, ein Teil wird wohl im „Big Hole“ von Schönefeld, kurz BER, versenkt. Mit dem anderen Teil sollen nun Wohnungen „rekommunalisiert“ werden. Das ist Kommunisten-Sprech und bedeutet soviel wie: aus politischen Gründen enteignet. Woher kennen wir dieses System nur? Gab es da nicht eine Bodenreform, kurz nach 1945, in Berlin und Umgebung? Grün-Sprech ist dieses Wort im übrigen seit neuestem auch. Die Nachbarschaft scheint abzufärben. Die Grünen, deren Gründer – Jürgen Trittin zum Beispiel – einst in kommunistischen Gruppen aktiv waren, während sie die angebliche Öko-Partei gründeten, kehren zu ihren Wurzeln zurück. Enteignung der Besitzenden! Die Begleitmusik kommt von der Straße. So zogen am 30. April 2018 Demonstranten durch Berlin-Mitte, die Transparente trugen, auf denen zu lesen stand: „Kill your landlord!“
Nun – so schlimm wird es in Berlin zunächst wohl nicht kommen. Die bayerischen Euro-Milliarden werden auch nicht gleich für eine stalinistische Enteignungswelle ausgegeben. Ganz so einfach geht das ja auch im heutigen Deutschland noch nicht wieder. Aber es haben sich nun Bürgerinitiativen formiert, wie zum Beispiel die aus der Karl-Marx-Allee. Dort fordert seit November 2018 eine Bürgerinitiative konkret die „Rekommunalisierung“ von 700 Wohnungen. Das Ziel: dem DAX-Konzern Vonovia zunächst die Stirn bieten und ihn dann möglichst flächendeckend enteignen, den volkseigenen Wohnblock wiederherstellen, und das natürlich auch an der Frankfurter Allee, in Neukölln, überall. Die sozialistische Gemütlichkeit aus der Ära Honecker: wie ist doch so vertraut!
Das ist eben der Unterschied zwischen Bayern und Berlin: an der Isar pflegt die Staatsregierung die DAX-Konzerne und ihre kleineren Geschwister und sichert damit Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gleichermaßen, an der Spree sieht man aus dem Roten Rathaus mit klammheimlicher Freude den Enteignungsbestrebungen zu. Und erwägt ernsthaft, Geld dafür auszugeben. Natürlich Geld aus dem Länderfinanzausgleich. Armes Berlin – felix Bavaria!