Tichys Einblick
Hat nichts mit nichts zu tun

Weltweit werden immer mehr Christen verfolgt. Die Kirchen schweigen dazu

Politik und Kirchen praktizieren dröhnendes Schweigen angesichts der Verfolgung von Christen. Die massivste Christenverfolgung geschieht in der islamischen Welt sowie in China und Indien.

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Jeder von Geschichte wenigstens peripher Tangierte wird sich entsinnen: Nero, Trajan, Diokletian! Ach ja, das waren doch diese römischen Kaiser, die Christen massakrieren ließen und zu Märtyrern machten, die Christinnen – lange vor Boko Haram – ins Bordell verbannten, ehe Konstantin im Jahr 313 die Gleichberechtigung des Christentums mit der römischen Staatsreligion verfügte. Ja, stimmt, später hatten wir dann noch Stalin, Mao, in gewissem Umfang auch Hitler und Co., die es den Römern nachmachten. Aber das ist doch – Bitte schön! – Geschichte!

Nein, ist es nicht. Und Geschichte wiederholt sich doch. Oft sogar noch blutiger als früher. Jedenfalls ist das Christentum seit mehreren Jahren zur weltweit am meisten unterdrückten Glaubensgemeinschaft geworden. Von 700 Millionen zumindest drangsalierten Christen weltweit muss man ausgehen. Das 1955 gegründete christliche Hilfswerk Open Doors veröffentlicht dazu seit 2003 regelmäßig einen „Weltverfolgungsindex“, der das Ausmaß der Verfolgung von Christen in 50 Ländern der Welt dokumentiert. In diesen 50 Ländern leben etwa fünf Milliarden Menschen, von denen eben rund 700 Millionen Christen sind.

Unter den zehn christenfeindlichsten Ländern der Welt sind übrigens acht überwiegend muslimisch geprägte. Aber bitte, das hat nichts, aber rein gar nichts mit dem Islam zu tun.

Hier die soeben für 2019 veröffentlichte „Hitparade“ der christenfeindlichsten Länder. Als Kriterien für die Positionierung gelten: die Verfolgung im Privat- und Familienleben, in Staat und Gesellschaft, ferner Beeinträchtigungen im kirchlichen Leben und vor allem Gewalt gegen Christen.

Im Berichtszeitraum wurden laut Open Doors mindestens 4.305 Christen wegen ihres Glaubens ermordet, gegenüber mindestens 3.066 im Vorjahreszeitraum. Mindestens 3.105 Christen wurden ohne Gerichtsverfahren verhaftet, verurteilt und inhaftiert, das ist eine Zunahme von mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.905). Die meisten Morde an Christen gab es in Nigeria; 3.731 nigerianische Christen wurden innerhalb eines Jahres ermordet. In fast allen Fällen waren die Täter muslimische Fulani-Hirten.

In Pakistan, nach offizieller Lesart eine parlamentarische Demokratie, allerdings der Scharia verpflichtet, sitzen neben der weltweit bekannt gewordenen Christin Asia Bibi 187 Christen wegen Blasphemie in Gefängnissen. 2018 wurden mindestens 28 Christen aus religiösem Hass in Pakistan ermordet, Hunderte Kirchen und christliche Häuser wurden zerstört. Hunderte Christinnen wurden mit Muslimen zwangsverheiratet und entführt.

Deutlich verschärft hat sich die Verfolgung von Christen in der Volksrepublik China. Seit Februar 2018 werden überall im Land Kreuze von Kirchengebäuden entfernt, Kirchen abgerissen, Gemeinden aufgelöst, Kirchenbesucher bedroht und Christus-Bilder in Gemeinderäumen durch das Porträt von Staatschef Xi Jinping ersetzt. Kirchen erhalten die Anordnung, dass im Gottesdienst die Nationalhymne zu singen und die Flagge zu hissen ist. Zudem müssen Geistliche persönliche Daten ihrer Mitglieder vorlegen. Staatspräsident Xi Jinping will, dass die chinesische Flagge über dem Kreuz hängt. Trotzdem ist China im Weltverfolgungsindex nur auf Platz 27 (Vorjahr: Platz 39).

In Ägypten (Nr. 16), das die größte christliche Bevölkerung (Kopten) im Nahen Osten hat, terrorisierten der Islamische Staat und andere radikal-islamische Gruppen die christlichen Gemeinschaften. Am 2. November beschossen Terroristen des Islamischen Staates (IS) in der ägyptischen Provinz Al-Minja südlich von Kairo einen Bus mit koptischen Pilgern und töteten sieben Menschen. Im Mai 2017 hatte der IS in der gleichen Gegend einen Bus mit koptischen Pilgern angegriffen. Damals ermordeten die Terroristen 29 Menschen aus nächster Nähe, darunter auch Kleinkinder. Martin Mosebach hat über einen ähnlichen Massenmord ein Buch geschrieben und im Februar 2018 veröffentlicht: „Die 21: Eine Reise ins Land der koptischen Märtyrer“. Mosebach war im Frühjahr 2017 nach Ägypten gereist und hatte dort im Dorf El-Or die Familien der 21 koptischen Männer besucht, die 2015 zuvor von IS-Terroristen an einem Strand in Libyen ermordet worden waren.

Auch in der Türkei (Platz 26) – nach wie vor offiziell EU-Beitrittskandidat! – geht die Regierung weiter mit harter Hand gegen als Abweichler verdächtigte Christen vor. Gerne unterstellt man Christen dort auch, sie wollten missionieren und das Land der Türken, das sie vor der türkischen Eroberung besaßen, zurückzuerobern.

Folge: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren 20 Prozent der Bevölkerung des Nahen Ostens Christen. Heute sind es nur noch vier Prozent. Das einzige Land des Nahen Ostens, wo Christen sicher leben können, ist Israel.

China und Indien hin oder her: Die massivste Christenverfolgung geschieht in der islamischen Welt, also dort, von woher die meisten in Deutschland ankommenden (zumeist muslimischen) Flüchtlinge kommen. Aber wehe, es brennt irgendwo auf der Welt ein Koran, oder es wird irgendwo auf der Welt eine Karikatur von Mohammed gezeichnet, dann randaliert die weltweite Umma gerade auch in Ländern, wo Christen verfolgt und getötet werden.

Das dröhnende Schweigen von Politik und Kirchen

Was hört man zu all dem von Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, Heiko Maas und Co.? Nichts oder allenfalls dummes Zeug. Leisetreterei und angeblich dezente, aber fruchtlose Diplomatie seien angesagt. Ständig führt man die „Menschenrechte“ im Munde, aber meist nur, wenn sie sich gegen Deutschland instrumentalisieren lassen. Gern genommen wird auch die UN-Charta der Menschenrechte. Aber was geschieht in der UNO, deren Sicherheitsrat Deutschland nunmehr für zwei Jahre angehört? Nichts! Was tun die Vetomächte USA oder Großbritannien, was tut Frankreich oder Russland im UN-Sicherheitsrat? Wie schaut es aus mit Sanktionen gegen die christenfeindlichen Länder?

Und was sagen die Oberchristen der Republik dazu? Nix, nix, nix! Der
evangelischen Kirche ist im Moment ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen das wichtigste Thema. Und Deutschlands oberster Katholik, Reinhard Kardinal Marx, hat kein anderes Problem als festzustellen, dass der Begriff „christliches Abendland“ ausgrenze! Geht’s noch? Merken seine Eminenz nicht, dass sie mit der Diskreditierung des „christlichen Abendlandes“ den Christenverfolgern in die Hände spielen?

Wenigstens ein nicht ganz unbekannter evangelischer Pfarrer hat sich mutig zu Wort gemeldet: Steffen Reiche (58), jetzt evangelischer Pfarrer in Berlin, zuvor von 1994 bis 2004 auf SPD-Ticket Minister in Brandenburg und von 2005 bis 2009 MdB. Im Zusammenhang mit der Christenverfolgung schreibt Reiche: „Appeasement war schon immer falsch.“ Reiche beeindruckt zudem mit einer wenig bekannten Aussage von Martin Niemöller: „Als die Araber die Christen holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Araber. Als die Chinesen die Christen einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Chinese. Als die Inder die Christen holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Inder. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

So ist es! Hoffentlich dringen Reiches Worte in der ach so gutmenschlichen Komfortzone Deutschland wenigstens ein bisschen durch!

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