Was macht den Mann zum Mann? Sein großes Ego, sein breitbeiniges Herumstehen, sein stehendes Toilettenverhalten … vor gefühlt 3 Millionen Jahren beschrieb Herbert Grönemeyer „Männer“ im kläffenden Grundton der animierenden Ektase. Mannsein hat heute etwas latent verdächtiges, denn alles was den „typischen Mann“ verkörpert ist strukturell dominant, übergriffig und zutiefst „retro“ … er poltert und zerstört. Die sprachliche Kommunikation ist zu laut, zu durchsetzungstark und ließ bereits das Bärtchen von Jürgen Habermas zwirbeln. Horden von Geisteswissenschaftlern stammeln seither von der gewaltfreien Kommunikation. Achtsamkeit heißt das übrigens jetzt.
Der Mann ist wie ein Diesel-Motor – kann das weg?
Irgendwie geht’s dem Mann wie der SPD oder einem Diesel-Motor: Manchmal hat man den Eindruck, er ist aus der Zeit gefallen. Der Produktzyklus des Mannes ist ziemlich durch …. sein genetischer Code ist heute noch so bedeutsam wie vor einiger Zeit ein Schreibmaschinenfarbband, die Sendepause, Telefonzellen, ein Wasserkessel. Als holzhackender Schrat verbreitet das Bild des Mannes Unverständnis und Widerwillen. „Old economy“ würde der hippe Start-Up-Unternehmer ausrufen und sich auf sein Fahrrad setzen und schleunigst das Weite suchen.
Mit klaren Vorstellungswelten ist es in einer sich ständig und rasant verändernden Welt eine ziemliche Herausforderung: Wenn nichts bleibt und nichts so veraltet ist, wie die Zeitung von heute, dann kann das traditionelle „Konzept Mann“ nicht überleben. Es sei denn … es passt sich an – wie so viele, wie eigentlich alle Waren, Organisationen, ja Kulturen. Markentransformation nennen das Profis: Damit ist gemeint, dass man den hohen Bekanntheitsgrad eines Objektes nimmt und seinen Inhalt „neu verpolt, auflädt, definiert“ – (und jetzt englisch ausgesprochen): Repositioning! Transformation! REVOLUTION! Was sind gelernte kulturelle Muster gegen das Sendungsbewusstsein der Moderne. Das Richtige ist jetzt!
Der Bart muss ab. Immer noch
Das wichtigste Teil des Mannes … ist sein Bart. Sichtbares Symbol des kollektiven Übergriffes. Man kann einfach nicht beschließen, weder auf nationaler, noch nicht einmal auf EU-Ebene, dass morgen alle – im Sinne der Gleichbehandlung – einen Bart bekommen (außer vielleicht österreichische Sängerinnen). Biologie ist ein zutiefst dikatatorisches System und gehört eigentlich abgeschafft. Und deshalb macht Mann alles, um auch den Bart als solches eine neue Bedeutungsebene zu geben: Haben Sie mal gesehen, wer heute noch einen richtigen Bart trägt? Nicht, die Generation der Silver Surfer, der Silberrücken und 60+, sondern der gerade flügge gewordene Bengel in Gestalt des „Hipsters“ … das funktioniert deshalb so knorke, weil der Bart spätestens seit den 1970er Jahren als Domäne des Opas galt und nun ein jugendliches Anlitz hat. Wunderstruktur, nennen das Markensoziologen: Das Vereinbaren von gelernt unvereinbaren. Das irritiert gedankliche Gewohnheitsmuster und führt zu Aufmerksamkeit.
Gillette ist nun voll dabei unsere Bilder endlich geradezurücken. Werbung hat – wie der Mann – einen schlechten Stand: Verkofe, Andrehen und Verführen … dieses Stigma hat die Werber schon lange gewurmt und deshalb ist die eigentliche Werbeaufgabe der Werbung „Gutes“ zu verbreiten. Der Strategic Planer sagt dazu: Narative umgestalten. Was ist rasieren über den eigentlichen Akt hinaus? Ganz klar: Rasieren, der Umgang mit scharfen Klingen, ist in der Postmoderne ein ursprünglicher, ein archaischer Akt, nur noch vergleichbar mit Höhlenmalerei, Steve Bannon im Bademantel oder dem Verzehr von rohem, blutigem Fleisch. Der ganze Stolz des Mannseins verdeutlicht durch zwei, drei, ja vier Klingen, die gnadenlos die fragile Gesichtshaut abschaben. Das Gesicht: Spiegel unserer Gefühle … dessen Verletzung sich der Mann gnaden- und furchtlos hingibt. Ein Schwertkampf mit der Seele. Welch` Angriff: Jede Rasur ein Trommelfeuer gegen die Gewaltlosigkeit, gegen Harmonie und Wohlgefühl. Ignorant, wenn die Frau das nicht erkennen würde. Erst in der Rasur wird der Mann zum Mann. Ein Selbstverständnis mit dem Gillette Generationen von Männern über Generationen global bestärkt hat.
Hinweg damit!
In seinem neuesten Werbespot räumt Gillette auf: Mannsein heißt jetzt gefühlvoll sein. Schon mal gehört: Starke Männer sind heute schwach. Keine schnieken Männer mit ebenso schicken Damen an der Seite, sondern „Eeemotions“. Der sensible Mann, der mitfühlende, der weinende Mann … all das können wir in dem neuen Werbespot sehen. So sieht die Zukunft aus. Der Mann als mangelbehaftete Frau … und Gillette erklärt die neue Welt und trägt die Fackel des „Richtigen“ stolz voran. Die Klinge überzieht endlich ein Hauch Bergpredigt.
Ja, was so alles in den süßen Köpfchen der (jungen) Werbekaste vorgeht. Die Hybris einer großen medialen Verbreitung hat schon viele Männer skalpiert und so reagiert die digitale Community mit Hohn und Spott auf das fantasierte Männerbild. Wenn Werber die Welt verändern wollen, so endet es im realen Wahn-sinn.
Aber auf eines ist Verlass: Die Ethik der Werbung endet dort, wo die Kasse aufhört zu klingeln und so können wir uns beruhigt die Klinge an die Wange legen, von unten nach oben ziehen und sicher sein, dass auch dieser Spuk eine nette geistige Hupfdole war. Werbung ist halt Werbung.
Der Uhrenhersteller Égart reagiert mit einem eigenen Spot auf den von Gillette und hebt dabei in nicht weniger prägnanten Bildern einige sehr interessante statistische Fakten hervor z.B. wie häufig Männer von tödlichen Unfällen am Arbeitsplatz betroffen sind (Beispiel Feuerwehr etc):
Journalist Michael Knowles führt vor, wie der Gillette-Spot bei ihm bereits Wirkung gezeigt hat:
Rory Sutherland, Vice Chairman bei Ogilvy UK:
Der als „Imam of Peace“ weltweit bekannt gewordene Reform-Imam Mohamad Tawhidi spricht die Einseitigkeit an und sucht noch das Gillette-Video, in dem sich das Unternehmen an die Männer wendet, die Frauen zu Beschneidungen zwingen, die ihre Frauen und Töchter dazu zwingen eine Burka zu tragen, die Frauen im Namen der Religion töten, die ihre Frauen vergewaltigen, weil ihr Imam das erlaubt – und den letzten Punkt versteht der Leser selbst.
Auch Medien reagieren zwischen, Tenor „furchtbar“….:
… und „gar nicht mal so eine schlechte Idee“:
Auch Frauen kommen zu unterschiedlichen Bewertungen. Man kann es so sehen…:
… oder so: