Über steigende Mieten beklagen sich nicht nur die Mieter in Berlin. In der bundesdeutschen Metropole wohnen aber sage und schreibe 86 Prozent aller Bürger in Miete. Die Eigentumsquote ist extrem niedrig, was nicht nur der sozialistischen Vergangenheit Ostberlins geschuldet ist. Gleichzeitig wächst Berlin wie kaum eine deutsche Großstadt. Doch eine chronisch überforderte Berliner Verwaltung blockiert auch das Bauen in der Stadt. Dabei wäre der Bau von Wohnungen die richtige marktwirtschaftliche Antwort auf das knappe Angebot, das die Preise treibt, die selbst in den ersten eineinhalb Jahrzehnten nach der Wende noch legendär niedrig lagen – oft allerdings für eine Bausubstanz, die sich mit westdeutschen Standards nicht messen konnte.
In einer Stadt, in der sich eine rot-rot-grüne Koalition in ideologischer Verblendung und administrativer Fehleinschätzung ständig für mehr staatliche Fürsorge, statt für die Förderung marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen stark macht, erschallt jetzt der Ruf nach einer Verstaatlichung aller privaten Immobilienunternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Während Grüne und SPD noch herumeiern, wie sie sich zum geplanten Volksbegehren der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ stellen, ist die Linkspartei bereits auf den Zug aufgesprungen. Die Initiative hatte ihr „Vergesellschaftungsgesetz“ vor zwei Monaten der Senatsinnenverwaltung vorgelegt. Die ist jetzt verpflichtet, eine Kostenschätzung für die geforderte Enteignung aller betroffenen privaten Wohnungsunternehmen in der Stadt zu erstellen. Liegt diese vor, dann kann die erste Stufe zu einer Volksabstimmung gezündet werden: das Sammeln von mindestens 20.000 Unterschriften. Die Initiatoren rechnen damit, dass die Unterschriftensammlung im April starten kann. Angesichts der aktuellen Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des Berliner Tagesspiegel stellt dieses Quorum keine Hürde dar.
Betroffen von einer Enteignung wären nach vorsichtigen Schätzungen rund 200.000 Wohnungen in Berlin. Unterstellt, die betroffenen Wohnungen hätten eine Durchschnittsgröße von 50 Quadratmetern, dann lässt sich die Dimension der nötigen Entschädigungssumme für den Berliner Landeshaushalt leicht errechnen. Selbst bei einem Preis von 3.000 Euro pro Quadratmeter, der einen Abschlag auf die aktuellen Marktpreise darstellt, müsste der rot-rot-grüne Senat sagenhafte 30 Milliarden Euro auf den Tisch legen.
Dass der Glaube an die Zuverlässigkeit von Staatsbesitz in Berlin unausrottbar scheint, ist ein Phänomen – nicht nur vor dem Hintergrund der sagenhaft miserablen Leistung der öffentlichen Verwaltung in der Bundeshauptstadt. Wer schnell heiraten will, geht lieber nach München, weil man Monate auf Standesamtstermine warten muss. Erbscheine dauern ewig, so dass die Erben nicht einmal Versicherungen oder Wohnungen kündigen können oder gar Zugriff auf die Konten der Verstorbenen haben. Jeder Berliner kann die wundersamsten Stories erzählen, welchen bürokratischen Hürdenlauf selbst banalste Anmelde- oder Auskunftsbegehren auf dem Amt erfordern.
Gleichzeitig zeigt ein Blick in die Berliner Skandalgeschichten, dass in Berlin der Filz Tradition hat. Wo die öffentliche Hand im Spiel war, blieb an den Fingern sowohl roter wie schwarzer Politiker so manches Schmiergeld hängen. Wie der legendäre Bankenskandal oder unzählige Bauskandale im direkten Umfeld der Senats- oder der vielen Bezirksverwaltungen anschaulich dokumentieren: Einen guten Leumund hat die öffentliche Hand besonders in dieser Stadt nicht verdient.
Als überzeugter Marktwirtschafler will ich abschließend an den großen Ordoliberalen Walter Eucken erinnern, für den der „Respekt für die Eigentumsrechte und die Vertragsfreiheit“ zu den konstitutiven Prinzipien unserer Wirtschaftsordnung gehörte. Wer dieses Fundament untergräbt, der landet im Endergebnis in einer staatlichen Planwirtschaft. Die brachte, wie nicht nur die Ostberliner noch wissen sollten, eine in weiten Teilen abbruchreife Bausubstanz hervor, in die jahrzehntelang nicht mehr investiert worden war.