Wieder einmal sind die christdemokratischen Naturgesetze, denen zufolge die Macht immer von oben kommt, außer Kraft gesetzt worden. Denn der Christenunion-Führer und Ministerpräsident im Homeland NRW, Armin Laschet, hatte sich eindeutig für den Pfeifenraucher des Jahres mit dem Walross-Schnauz ausgesprochen: „Elmar Brok gehört zu den profiliertesten deutschen Europapolitikern.“ Und er setzte Brok auf Platz vier der EU-Wahl-Liste, was als totsicherer Platz gilt, ganz gleich wie dramatisch die Stimmenverluste werden.
Nach Gemurre und Gemaule der Bezirksvorsitzenden soll Brok dann, laut FAZ, Platz 4 „als ein Zeichen des Generationenwechsels“ freiwillig geräumt haben, wenn er dafür Platz 6 bekäme. Aber da platzierte der Bezirksverband Niederrhein blitzschnell einen der seinen und setzte das in einer geheimen Abstimmung mit 17 zu 20 Stimmen auch durch. Wie auch immer – nun fehlt Brok ganz auf Laschets Liste.
Schön doof, der Elmar, sagte Laschet, was er wörtlich so ausdrückte: „Ich bedaure, dass er mit seinem Verzicht eine Dynamik ausgelöst hat, die sich letztlich gegen ihn gewandt hat.“ In der Tat, auf solche Taschenspielertricks wäre Brok, „der Kenntnis- und Beziehungsreiche“ (Schäuble) früher nicht hereingefallen. Denn das Hinterzimmer ist sein Zuhause.
So wollen wir beim Satz von Laschet „Elmar Brok gehört zu den profiliertesten deutschen Europapolitikern“ dem „gehört“ ein „e“ hinzufügen und können auch gleich schon einmal mit einem Nachruf beginnen.
Seit 1980 sitzt der dienstälteste Europaabgeordnete im EU-Parlament. Er überstand schadlos die Präsidentschaft von Capo Schulz, zog sommers wie winters einmal monatlich von Straßburg nach Brüssel und wieder zurück, trotzte Rechtspopulisten wie Islamterroristen (zuletzt auf dem Weihnachtsmarkt in Straßburg) vor den Toren, und fand nebenbei noch Zeit, der Firma Bertelsmann zuzuarbeiten. Brok war bei jeder Schweinerei dabei, beim Vertrag von Maastricht und den folgenden Vertragsbrüchen bis zu Merkels Flüchtlingschaos, und wir hörten vom Elmar kein kritisches Wort. Er diente lieber geräuschlos erst seinem Mentor Kohl und dann dessen Nachfolgerin in echt ostwestfälischer Nibelungentreue, und durfte als Dank ein recht schnurrpfeifiges Dasein führen.
Als Brok in „Europa“ anfing, war die Vision noch überlebensgroß, heute ist es nur noch der Moloch EU mit der stets gutmeinenden Gängelung der Raucher, Autofahrer, Glühbirnenbenutzer, Pommes-, Bananen- und Gurkenesser. In dem nichts zusammengeht, wer von Madrid mit seinem Handy nach München telefoniert wird mittels Roaming abgezockt, als habe es die grenzenlose EU nie gegeben. Wer in Deutschland lebt, muss bis zur Rente viele Jahre länger arbeiten als etwa der in Frankreich, und solche Ungereimtheiten gibt es zuhauf. Dafür haben wir Europäer den Euro und zahlen heute für fast alles doppelt so viel als vor seiner Einführung.
Es ist auch nicht so, dass Brok nicht wüsste, was den Menschen in EU-Europa auf den Nägeln brennt. „Migration, Terror, Ängste wegen Globalisierung, Klimawandel, innere und äußere Sicherheit“, zählte er mal einem „Zeit“-Reporter auf, aber zu der Lösung ist er halt in den letzten 40 Jahren nicht gekommen. Oder er war nicht zuständig. Trotzdem nennt ihn die „Zeit“ den „Henry Kissinger Europas“, aber was wird nicht alles geschrieben. Über Puffbesuche in der Ukraine und so Sachen etwa, aber das gehört jetzt wirklich nicht hierher.
Jedenfalls wurde der 72-jährige Elmar Brok mit Ehrungen überhäuft, wie es wohl zum Standard in der EU gehört, und trägt bestimmt zu Recht auch den Verdienstorden „Großoffizier von Luxemburg“. Das bringt uns zu einem anderen Unersetzlichen.
Vielleicht steht Elmar Brok ja einst neben Schonklod Juncker im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud?