Als der Gallierkönig Brennus nach der Schlacht an der Allia (387 v. Chr.) die besiegten Römer beim Wiegen der ihnen auferlegten 1.000 Pfund Kriegskontribution in Gold mit falschen Gewichten betrog, verhöhnte er sie mit dem Ausruf „Wehe den Besiegten.“ Ganz so überheblich ist Annegret Kramp-Karrenbauer mit dem von ihr besiegten CDU-Wiedereinsteiger Friedrich Merz nicht umgegangen. Aber ihr Hinweis, dass sie gezählt und das Kabinett als vollzählig vorgefunden habe, war doch recht süffisant.
Gleichwohl möchte AKK, so beteuert sie jedenfalls, Friedrich Merz im Boot halten. Wobei es weniger um die Befindlichkeit des Hoffnungsträgers der Konservativen und Marktwirtschaftler in der Union gehen dürfte als um seine Anhänger. Denn mit Kramp-Karrenbauers Wahlsieg ist das Problem nicht gelöst, dass die CDU-Mitgliedschaft gespalten ist – in einen Merkel/AKK-Flügel und die mindestens ebenso große Schar der Merz-Jünger.
Wenn Merz den mit Merkel unzufriedenen und somit gegenüber Kramp-Karrenbauer skeptischen Teil der CDU-Klientel bei der Stange halten soll, braucht er eine Anschlussverwendung, die diesen Namen verdient. Mögen die Merz-Anhänger ihr Idol auch am liebsten als Bundesminister sehen: Ein Minister Merz unter einer Richtlinien-Kanzlerin Merkel, das würde kaum funktionieren. Zudem würde bei dieser Konstellation die neue CDU-Vorsitzende degradiert, da sie dem Kabinett nicht angehört. Die Parteiämter an der Spitze der CDU sind aber vergeben; das lässt sich auch nicht auf die Schnelle ändern.
Nun hat der Wirtschaftsrat einen Präsidenten. Nur: Den kennt außerhalb der engsten Berliner Zirkel so gut wie niemand: Werner Michael Bahlsen (69) aus der gleichnamigen Keks-Dynastie, ein eher introvertierter Herr, der sich im Berliner Polit-Getümmel schwer tut. Öffentliche Auftritte sind seine Sache nicht; die überlässt er lieber seinem Generalsekretär. Friedrich Merz gehört übrigens seit vielen Jahren dem Präsidium des Wirtschaftsrats an. Hätte er 2015 nach dem damals frei gewordenen Amt des Präsidenten gegriffen, wäre es sicherlich nicht zu einer Kampfkandidatur Bahlsens gekommen.
Merz als Wirtschaftsrats-Präsident? Es könnte eine perfekte Plattform für ihn sein. Er könnte beides verbinden: für die CDU einzutreten und gleichzeitig auf sie einzuwirken. Er wäre mitten drin und doch nur bedingt gebunden an Gremienbeschlüsse. Er könnte glaubwürdig für einen anderen Kurs der Partei eintreten. Er könnte der Partei helfen – und sich ihr für andere Ämter empfehlen. Aber Merz müsste tun, was er in der Vergangenheit stets abgelehnt hat: Er müsste eine dienende Rolle einnehmen.