Wetten? Wetten, dass am Silvesterabend 2018 x-mal mehr Zuschauer den 18-Minuten-Sketch „Dinner for One – oder Der 90. Geburtstag“ anschauen als die vierzehnte (!) 8-Minuten-Neujahrsansprache der Kanzlerin? Immerhin entdeckt man in diesem Sketch aus dem Jahr 1963 stets Neues und Witziges, selbst wenn man Minute für Minute den nächsten Schenkelklopfer voraussehen kann. Bei „Dinner for One“ muss man sich auch intellektuell nicht martern, ob die Hauptdarstellerin denn diesmal wieder mal einen andersfarbigen Blazer anhat. Ja, hat sie, die andere Hauptdarstellerin zum Jahreswechsel, wie die Hofberichtpresse bereits weiß. Bei Butler James und bei Miss Sophie ist diese Frage nebensächlich.
Also legen wir uns mal inhaltsanalytisch ins Zeug. Was sind die Botschaften der Regierungschefin?
So weit, so gut. Niemand, auch kein großer Rhetoriker, muss sich darum reißen, der Bundeskanzlerin Reden zu schreiben. Gewisse „hard“-Themen müssen nun mal wenigstens angerissen werden. Da kann ja keiner was dagegen sagen. Außer dass man zum Thema „innere Sicherheit, Clan- und Flüchtlingskriminalität“ gerne den einen oder anderen Satz gehört hätte. Spannender wird es bei den „soft“-Themen. Denn da legt sich Merkel ins Zeug. Übrigens ziemlich auf der gleichen Wellenlänge wie der Präsident ihrer Wahl mit Namen Steinmeier im Schloss Bellevue bei dessen Weihnachtsansprache.
Merkel fordert „mehr Zusammenhalt international und im eigenen Land“. Mehr Offenheit, Toleranz und Respekt wünscht sie sich – im „Stil unseres Miteinanders, um unsere Werte.“ Überhaupt kommt das Personal- bzw. Possessivpronomen der ersten Person Plural („wir, uns, unser“) 56mal in Merkels Rede vor, also alle acht bis neun Sekunden. Da haben die Neurolinguistischen Programmierer im Kanzleramt ganze Arbeit geleistet. „Stärker für Überzeugungen eintreten“ sollen wir. Wobei Merkel mit „wir“ sicherlich nicht alle meint.
Darf man deshalb mal dezent fragen, ob es in den letzten Jahren und Jahrzehnten jemanden gab, der dieses Land mehr gespalten hat als Merkel? Der das Wir-Gefühl in diesem unserem Lande mehr belastet hat als sie? Ihre einsame und sture Migrationspolitik hat die Öffentlichkeit, hat Kollegien, Freundschaften, ja Familien gespalten. Insofern steckt schon eine Menge „Haltet den Dieb!“ in Merkels Miteinander- und Zusammenhalt-Appellen. Überhaupt sind Merkels Appelle nichts anderes als ein Patchwork an Gemeinplätzen, an Plattitüden. (Das Wort „Plattitüde“ ist übrigens sprachgeschichtlich verwandt mit „Fladen“, eingedeutscht hieße Plattitüden also eigentlich „Wortfladen“.)
Schließlich möchte Merkel auf einen großen Ausblick nicht verzichten: „Im Mai können Sie durch Ihre Teilnahme an der Europawahl dazu beitragen, dass die Europäische Union auch in Zukunft ein Projekt von Frieden, Wohlstand und Sicherheit sein wird.“ Wenn sie sich da mal nicht täuscht. Da mittlerweile alle arrivierten Parteien (mit ihrem Spitzenkandidaten Manfred Weber selbst die CSU) voll auf EU stehen, könnte es bei dieser Wahl einen bösen Weckruf geben. Und zwar mit allem Drum und Dran: Absturz der CDU Richtung 20 Prozent, Absturz der SPD Richtung 10 Prozent, Bruch der Koalition, Ende der Kanzlerschaft Merkel, Ende des AKK-CDU-Vorsitzes, Neuwahlen usw.
Zum Ende dieser Analyse noch einmal zurück zum Blick aus dem Raumschiff: Ja, das ist die tagtägliche Perspektive aus dem Kanzleramt. Wie Weihnachtsmärkte in Deutschland mittlerweile zu Hochsicherheitszonen aufgerüstet werden, wie gefährlich der nicht nur abendliche Heimweg für Frauen geworden ist, wie soeben im bayerischen Amberg vier angeblich jugendliche Asylbewerber eine Jagd auf Deutsche inszeniert und neun von ihnen zum Teil schwer verletzt haben, das sieht man aus dem Raumschiff nicht. Schau’ma mal, ob die Steinmeiers und Merkels jetzt auch von „Hetzjagden“ sprechen und ob Feine-Sahne-Fischfilets, Grön(l)emeyers und Co. in Amberg Benefizkonzerte für die Verletzten veranstalten.