Tichys Einblick
Stunde der Wahrheit

Abzug der US-Truppen aus Syrien: Das Jammern der Deutschen

Deutsche Minister wie Maas und von der Leyen jammern über den Abzug der US-Truppen. Warum sollen die USA wie selbstverständlich für Deutschland kämpfen? Jetzt müssen die europäischen NATO-Mitglieder endlich mündig werden.

WAKIL KOHSAR/AFP/Getty Images

US-Präsident Donald Trump hat – wie üblich per Twitter, denn er kennt seinen Relotius – angekündigt, dass er die 2.000 in Syrien stationierten US-Soldaten und mindestens die Hälfte der 14.000 in Afghanistan eingesetzten GIs alsbald nach Hause holen werde. Wie und wann genau dies geschehen soll, weiß niemand, nicht einmal das Pentagon. Typisch Trump eben! Freilich hätte die Überraschung ob dieser Ankündigung nicht gar so groß ausfallen müssen, denn den Abzug der US-Truppen aus Syrien und aus Afghanistan hatte er immer wieder zumindest angedeutet. Auch wenn es viele diesseits des Atlantiks nicht wahrhaben wollen: Trump macht meistens, was er irgendwann mal angekündigt hat.

Brüskiert sind indes nun viele auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans. Allen voran US-Verteidigungsminister James Mattis, der nun auf eigenen Wunsch und aus Protest gegen Trumps einsame Entscheidung Ende Februar 2019 seinen Posten räumen wird. Damit geht einer, der Trump von Anfang an als Minister gedient hatte und der nicht nur als ehemaliger Vier-Sterne-General, sondern auch als besonnener Fachmann weltweit Anerkennung genießt. Diesmal also nicht „Kevin allein zu Haus“, sondern einmal mehr „Donald allein zu Haus“!

Abschied des Verteidigungsministers

Mattis begründete seinen Rücktritt noch mit halbwegs diplomatischen Worten, die es allerdings in sich hatten: Er erinnerte an die Bündnisverpflichtungen der USA, auch im Bündnis der Anti-IS-Koalition, und er machte noch einmal klar, wie wichtig es sei, von Russland und China als stark wahrgenommen zu werden. Mattis schloss seinen Brief vom 20. Dezember an Trump mit den Worten: „Da Sie das Recht auf einen Verteidigungsminister haben, dessen Positionen mehr auf Ihrer Linie liegen in dieser und in anderen Fragen, halte ich es für richtig, meinen Posten zu räumen.“

Andere Reaktionen auf Trumps Entscheidung fielen weniger diplomatisch aus: „überrumpelt“, „leichtsinnig“, „keine Ahnung“, „absolut gefährlich“ – so urteilten namhafte Vertreter der Demokraten und (!) der Republikaner. Mehr noch: Einflussreiche Leute prognostizierten eine baldige Rückkehr des IS nach dieser Trump-Entscheidung, zumal die 2.000 US-Soldaten in Syrien bislang vor allem kurdische Kräfte und die Rebellen beim Kampf gegen die Terroristen des „Islamischen Staates“ unterstützten. Und weiter in der Kritik: Außerdem werde der Iran das neue Machtvakuum mit Hisbollah-Kämpfern und mit wirtschaftlichem Einfluss füllen. Es werde eine neue Rekrutierungswelle des IS geben, und Russland werde die stärkste Macht in der Region werden.

War also Trumps Ankündigung ein Weihnachtsgeschenk für den Iran, für Russland – und für die Türkei? Man nehme nur einmal Putins Reaktion. Er bezeichnete Trumps Ankündigung als „richtig“. „Im Großen und Ganzen“ stimme er auch mit Trumps Einschätzung überein, dass der IS in Syrien besiegt sei, meinte Putin bei seiner legendär ausufernden Jahrespressekonferenz vom 20. Dezember. Gewinner ist freilich auch Erdogan, denn die kurdischen Rebellen, gegen die er Krieg führt, sind jetzt geschwächt.

Die Kurden – erneut betrogen

Der größte Verlierer dürften also die Kurden sein. Aber das kennt dieses auf mehrere Staaten verteilte Volk ja. Es wurde immer wieder fallengelassen, von Bush sen. 1991, von Bush jun. 2003ff, von Obama, nun von Trump. Im übrigen hat sich faktisch bereits Obama aus Syrien (und vorher aus dem Irak) zurückgezogen, was den IS stark machte. Verlierer dürfte zudem Israel sein. Israels Premier Netanjahu, eigentlich ein Vertrauter des US-Präsidenten, sorgt sich um die enorme strategische Bedeutung, die Trumps Syrien-Rückzug mit sich bringt. Er befürchtet, dass der Iran nach dem Abzug der US-Soldaten einen Landkorridor vom Iran bis ans Mittelmeer einrichten könnte. Der renommierte Nahost-Experte Michael Wolffsohn befürchtet zwar eine Eskalation der Lage in Syrien, die Folgen für Israel sieht er aber nicht ganz so pessimistisch: Israel werde mit dem Iran in Syrien und Libanon wohl auch ohne 2.000 US-Soldaten fertigwerden, meint er, denn die Trump-Administration werde Israel dabei politisch, finanziell und mit Material unterstützen.

Maas und von der Leyen jammern – aber tun nichts

Auf dem völlig falschen Fuß wurden alle europäischen NATO-Partner und damit auch die Bundesregierung erwischt. „Die Bundesregierung hat die Entscheidung der USA, über die sie vorab nicht informiert worden ist, zur Kenntnis genommen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am 21. Dezember kleinlaut. „Als Verbündeter und Teil der Anti-IS-Koalition hätten wir vorherige Konsultationen mit der US-Regierung über einen Abzug der US-Truppen als hilfreich empfunden.“ Bundesaußenminister Heiko Maas kritisierte die Entscheidung von US-Präsident Trump: „Es besteht die Gefahr, dass die Konsequenzen dieser Entscheidung dem Kampf gegen IS schaden und die erreichten Erfolge gefährden.“

Verteidigungsminister Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich „besorgt“. Der Abgang von Mattis bedeute für alle Verbündeten, dass die US-Außenpolitik noch unberechenbarer werde, sagte Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Aber was interessiert das einen Trump!? Jedenfalls liegt die FAZ mit ihrer Betrachtung von Trumps Entscheidung als „Schlag in die europäische Magengrube“ nicht falsch. Aber man kann es auch anders sehen: Die US haben in Zukunft auf den Mann genau so viele Soldaten in Syrien stehen wie Deutschland und Europa – nämlich genau Null. Wie können Maas und unsere Verteidigungsministerin etwas fordern, was sie selbst nicht bereit sind zu leisten? Durch Von-der-Leyens Bataillone von McKinsey-Beratern in Berliner Amtsstuben wird sich der IS jedenfalls nicht beeindrucken lassen.

Verwunderlich freilich ist eines: Jetzt bedauern alle (!) den Abzug von US-Soldaten, in Deutschland auch diejenigen, die in ihrem militanten Pazifismus sonst keine Gelegenheit auslassen, die USA als Kriegstreiber darzustellen, und die die Bundeswehr bestenfalls als Brunnenbauer bzw. Hochwasser- und Seenotretter akzeptieren. Mit einem „Besorgtsein“ freilich ist es nicht getan. Die europäischen NATO-Staaten und mit ihr die Bundesregierung werden sich darauf einstellen müssen, dass man Konfliktherde vor der eigenen Haustür mit eigener Kraft und militärisch mündig anpacken muss. Die USA werden nicht mehr überall auf der Welt die Kastanien aus dem Feuer holen (können).

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