Berlin, Breitscheidplatz. Die Umstände waren von erschreckender, logischer Direktheit. Ein junger Tunesier, der über Passau nach Deutschland einreiste und sich vermutlich als syrischer Bürgerkriegsflüchtling tarnte. Ein Weihnachtsmarkt an einer der symbolträchtigsten Kirchen Deutschlands, die speziell zum Frieden mahnt. Ein Platz, der von großen Straßen umgeben ist und durch einen scharfen Knick die ungebremste Terrorfahrt mitten in den zu dieser Stunde sehr belebten Weihnachtsmarkt möglich gemacht hat. Das muss man denjenigen, die ein möglichst schlimmes Horrorszenario erzeugen wollten, zugestehen: die Tat ist allein durch den ausgelösten Terror zu 100 Prozent gelungen.
Katrin Göring-Eckardt von den Grünen twitterte damals: „Das ist eine furchtbare Nacht. Trauer und Mitgefühl. Nichts sonst jetzt!“ Wollte sie – präventiv – die völlig korrekten Schuldzuweisungen an die islamistischen Täter unterbinden? Das steht zu vermuten, horribile dictu. Doch offenbar hat sie auch nicht viel von dem verstanden, was sie als profilierte Vertreterin der evangelisch-lutherischen Kirche eigentlich verkündigen sollte. Bei ihr fehlte das wesentlichste Element: das Gebet, und zwar speziell und ausdrücklich das christliche Gebet für die Täter. Denn es war ja nicht nur dieser junge Mann aus Nordafrika, der so unfassbar fehlgeleitet war, dass er eine solche Tat begehen konnte. Anis Amri hatte Hintermänner, zumindest geistige. Mitgefühl reicht hier nicht, weder für die Opfer noch für die Täter. Frau Göring-Eckardt hat damals versagt. Und zu Straßburg hat sie ebenfalls keinen vernünftigen Satz gesagt.
Straßburg – so vorhersagbar wie Berlin
Straßburg, Weihnachtsmarkt. Der „Christkindelsmärik“ in der Altstadt der elsässischen Metropole wurde 1570 erstmals erwähnt. Natürlich hat er eine mittelalterliche Tradition. Im Herzen Europas. Und dieser Markt in der heutigen „europäischen Hauptstadt“ sollte schon einmal Ziel eines Attentats sein – im Jahr 2000, also noch vor den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center vom 11. September 2001, wurde ein geplanter Sprengstoffanschlag einer islamistischen Terrorgruppe rechtzeitig verhindert, die Täter kamen damals aus Algerien – und an diesem 11. Dezember war es wieder ein Mann nordafrikanischer Herkunft. Im Behördendeutsch heißt es offiziell „ein Franzose mit nordafrikanischen Wurzeln“.
Als ich im Jahre 2000, im Jahr des ersten versuchten Anschlags auf den Straßburger Weihnachtmarkt, in Pakistan durch die unter Kriegsrecht stehende „North Western Frontier Province“ (NWFP) reiste, habe ich auf den Schreibtischen der Behördenvertreter und Geschäftsleute, die ich besuchte, häufig das Bild des iranischen Ayatollah Khomeini gesehen – gerahmt, an einem Ehrenplatz. Als ich im Jahre 2004 wieder in diesem schwierigen und von der staatlichen Kontrolle Pakistan fast ganz abgeschnittenen, dabei aber enorm radikalisierten Region war, standen neue Bilder daneben: der afghanische Mullah Omar und auch Osama bin Laden. Seit diesem Erlebnis – und das ist über 14 Jahre her – weiß ich, was uns im westlichen Abendland erwartet.
Neue Religionskriege
Anis Amri und Chérif Chekatt, der Attentäter von Straßburg, haben geistige Vorbilder. Weltweit fallen Täter auf, die aus dem afghanisch-pakistanischen sowie aus dem nordafrikanischen Kulturkreis kommen. Der Terror in ihren Köpfen stammt aus dem Gebiet, in dem Osama bin Laden zum Prophet des islamistischen Terrors wurde, und sie sind tickende Zeitbomben. Im Gedächtnis vieler Muslime befindet sich die Information, die der Koran mit seinen mörderischen Versen beinhaltet. Jederzeit kann bei diesem oder jenem Mensch, der unbedingt an die Verse des Koran glaubt, ein äußerer Schlüsselreiz den inneren Befehl zum Angriff geben. Näherrückende Strafverfolgung – wie im Falle Chérif Chekatt – ist ein solcher Reiz.
Besonders gefährdet sind die Weihnachtsmärkte, weil sie fast einzige verbliebene Zeugnis öffentlich gelebter christlicher Kultur hierzulande sind. Fast alle anderen christlichen Riten sind aus der Öffentlichkeit verschwunden. Seit rund einem Jahrzehnt sage ich es, und ich sage es heute wieder: das 21. Jahrhundert wird als Zeitalter der Glaubenskriege in die fernere Geschichte eingehen. Beim Blick zurück, bis weit hinter den Nationalsozialismus, der seinerseits eine starke okkult-religiöse Komponente hatte und eine Revolte gegen den christlich-römisch geprägten Geist Europas war – klammert man also diese schreckliche Ideologie aus, dann fällt der Blick schnell auf die Zeit des Dreißigjährigen Krieges.
Der Jesuitenpater Friedrich Spee schrieb im Jahre 1622 ein bewegendes Kirchenlied, das in guten Elternhäusern jedes Kind im Advent singt:
O Heiland, reiß die Himmel auf,
herab, herab vom Himmel lauf,
reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.
Doch die kulturelle Auseinandersetzung des 21. Jahrhunderts wird wohl größer und härter als das, was die Menschheit bisher sah. Das liegt an der völlig logischen und einfachen Tatsache, dass es derzeit weit mehr Menschen auf der Erde gibt als je zuvor. Starke Antriebe für den radikalen Islam, in dessen Offenbarung, speziell in den medinischen Suren des Koran, die Gewalt verankert ist, sind dabei der Kolonialismus vergangener Tage und die derzeitige wirtschaftliche Globalisierung. Friedrich Spee dichtete weiter:
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.
Gerade „hier unten“ singt man sie, die Lieder, die von christlicher Erlösung handeln. Der Angriff des Korans ist machtlos gegen die Kultur, sofern sie gelebt und geglaubt wird. Das Christentum wurde aus Not und unter Verfolgung geboren, und es ist die Hoffung der Bedrängten, derjenigen, die gefoltert und gekreuzigt wurden und werden. Friedrich Spee beschließt sein Lied denn auch wie folgt:
Hier leiden wir die größte Not,
vor Augen steht der ewig Tod.
Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland.
Der Blick geht zurück auf den Spätsommer 2015. Auf die Öffnung der Grenzen für alle Zuwanderer, auf den völligen Verzicht jeder Grenzkontrolle, auf die ungebremste große Migration. Wie schön wäre es gewesen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer augenscheinlich im Geist christlicher Werte gemachten Geste keine Dose der Pandora geöffnet hätte. Wie schön wäre es, wenn dieser Jahrhundertfehler in der Politik etwas glimpflichere Folgen gehabt hätte. Wie schön wäre es gewesen, wenn diejenigen, die hierzulande die christliche Nächstenliebe erfahren haben, die Ungutes im Schilde geführt haben, diese nicht missbraucht hätten.
Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit…
Wie schön wäre es gewesen, wenn das völlige Versagen Merkels im Herbst 2015 keine Terroristen ins Land gebracht hätte und keine Anhänger eines religiösen Faschismus, der sich als Islam geriert. Aber so war es wohl nicht. Merkel wird das Deutschland des 21. Jahrhunderts mit ihrer hilf- und planlosen Entscheidung nachhaltig prägen. Sie wird damit in die Geschichtsbücher eingehen. Und diejenigen, die sich heute noch darauf freuen, dass dies ein positiver Eintrag sein wird, sollten allmählich aufwachen. Mit Schrecken werden wir alle uns schon bald an Angela Merkel erinnern. Zwar war ihr fataler Fehler keine Mordtat – natürlich nicht! –, aber die für Mord und Totschlag, für radikale Islamisten und den Terror auf Weihnachtsmärkten wurden genau dadurch Tür und Tor geöffnet.