Tichys Einblick
Torheit und Hochmut

SPD strengt neues Ausschlussverfahren gegen Sarrazin an

Die SPD will erneut ihr prominentes Mitglied ausschließen. Angesichts der Verleumdungen, die von führenden Genossen auf Sarrazin herab prasseln, stellt sich allerdings die Frage: Wer gehört hier wirklich ausgeschlossen - der Buchautor oder seine Kritiker?

John MacDougall/AFP/Getty Images

Sarrazin wirkt gelassen. „Ich sehe diesem Ausschlussverfahren mit einer gewissen Neugier entgegen“, hat er im NZZ-Interview zum erneuten Versuch der SPD erklärt, ihn aus der Partei auszuschließen. Tatsächlich müssten die Genossen ja etwas substantiell Neues gegen ihr ungeliebtes Mitglied vorbringen können. Etwas, das auch vor einem ordentlichen Gericht Bestand hat. Das werden sie in „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ nicht gefunden haben. Wolkige Ausführungen über angeblich verletzte „sozialdemokratische Grundwerte“ reichen da nicht. Vermutlich weiß man das sogar im SPD-Bundesvorstand. Man habe es wenigstens versucht mit dem Ausschluss, will man wohl nachher sagen können.

Der Buchtitel war dabei gewiss provokant. Wie ein Stich ins Wespennest. Ein Buch jedoch hysterisch schon vor seinem Erscheinen in Grund und Boden zu verdammen – wie es führende Genossen taten – zeugte schon von besonderer Torheit. In der SPD schreckte man dabei auch vor Beleidigungen und Angriffen unter der Gürtellinie gegen Sarrazin nicht zurück. So bescheinigte das SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner Sarrazin laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, dieser sei angeblich „charakterlich gescheitert“. Und: „Das einzige Interesse Thilo Sarrazins ist Thilo Sarrazin und sein kommerzieller Erfolg.“ Als ob der frühere Staatssekretär, Berliner Finanzsenator, Bundesbanker und bereits höchst erfolgreiche Autor es noch nötig hätte, mit 73 Jahren aus finanziellen Gründen ein weiteres Buch zu schreiben, und keine inneren Überzeugungen hätte. Bei solchen unsachlichen Angriffen auf einen Parteifreund könnte man auch die Frage stellen: Müßte nicht eigentlich Ralf Stegner ausgeschlossen werden? Oder gehört die Verleumdung zum Parteibuch dazu?

Nicht nur in der SPD, auch in den meisten Medien stürzte man sich auf „Stellen“ des Buches, um Sarrazin niedermachen zu können. Dabei kann man in einem Buch von fast 500 Seiten immer Kritikwürdiges finden. Es gab nur wenige faire Rezensionen, die auch das Wertvolle in dem Werk würdigten, welches man sehr wohl mit viel Gewinn lesen kann. Eine solche faire Rezension stammte dabei übrigens ausgerechnet von dem längjährigen Akademiedirektor der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, Johannes Kandel. Dieser schrieb: „Schon nach den ersten fünfzig Seiten fehlt mir jedes Verständnis dafür, warum Random-House das Buch nicht verlegen wollte und die SPD Sarrazin wieder ausschließen will.“ Und: „Im Gegensatz zu der versammelten Macht der politischen Eliten und ihrer medialen Claqueure, die das Buch schon im Vorfeld verdammten und dann in einer Mischung aus Dummheit, Ignoranz und Schmähkritik (Süddeutsche Zeitung!) verurteilten, halte ich das Buch für hilfreich.“


Michael Leh studierte Geschichte und Politik in München und arbeitet heute als freier Journalist in Berlin. 


— Gideon Böss (@GideonBoess) December 17, 2018

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