Manchmal schwindelt sich die Wahrheit aus Versehen in eine Politikerrede ein: „Aber alles hat seine Zeit“, sagte Friedrich Merz über die asymmetrische Demobilisierung als Wahlkampfstrategie von Angela Merkel. Aber nicht nur Merkels, auch die Zeit von Merz ist vorbei.
Seine Rede war ja an vielen Stellen richtig; seine Forderung nach einer „Agenda für die Fleißigen“, der Aufruf, dass weniger Staat und mehr Eigenverantwortung Deutschland groß gemacht haben. Der Kontrollverlust, den er aus diesem Internet-Magazin abgeschrieben hat – alles richtig.
Aber es klang so ältlich, wenn er von der „jungen Generation“ sprach und von den Frauen, die man reinholen müsse: alles richtig. Und doch daneben im Sound. Irgendwie in den Nuller-Jahren festgeklebt. Rechthaberei kriegt eben nicht immer Recht, auch nicht 20 Jahre später. Da interessiert man sich nämlich nicht mehr für die Schlachten von vorgestern.
Und Annegret Kramp-Karrenbauer? Sie hat erfüllt, was Merkel von ihr erwartet: Aufgeregtes reden ohne Inhalt.
„Musste ich den Mut fassen, persönliche Entscheidungen zu treffen“, sagt sie über ihren Einstieg in die Politik. Aha. Persönliche Entscheidungen kann man nicht wegdelegieren. Und dass das Vertrauen in den Staat weg ist, weil die Bahn zu spät kommt oder der Arztermin nicht gleich klappt: Was ist das für ein Staatsverständnis? Kriegen wir zukünftig auch die Pausenbrote vom Staat geschmiert (mir bitte nie Leberwurst) oder müssen und vor allem: dürfen wir auch noch etwas selber machen? Wer so spricht, eignet sich, wo die schwierigste Frage der Landespolitik ist, wo der nächste Kreisverkehr die Ampelanlage ersetzt.
Und immer spricht sie vom „C“, dem „Leitstern“. Aber was ist das C? Vitamin? Ein Saft? Zum christlich hat es nicht gereicht. Sichtbar schämt sie sich dafür und erfindet eine Verkaufsfloskel, die andere auch als Halbmond interpretieren. Ja, das sind nur Bilder. Aber so wie Merkel sich scheute, von den „Deutschen“ zu sprechen, und nur noch von „denen, die schon länger hier sind“ redete: Solche Floskeln sind ein Offenbarungseid.
Mit Annegret Kramp-Karrenbauer hat Angela Merkel wieder ihre Generalsekretärin und kann bis zum Ende der Legislaturperiode das Land zu Ende regieren, und zwar bis zum bitteren. Keine Antwort wird gegeben auf Migration und Einwanderungspakt, auf die zunehmende Verschärfung der sozialen Frage für alle, die halt schon länger hier sind und jetzt zusammenrücken müssen, damit noch mehr Platz haben. Keine Änderung der Energiepolitik, die diese soziale Frage noch weiter verschärft und mit jedem Tag mehr zum Wachstumsrisiko wird, und keine Änderung in der Europa-Politik, die in Kauf nimmt, dass Europa zerfällt, weil die Gemeinsamkeiten überstrapaziert werden durch seltsame Alleingänge aus Paris. Und keine Antwort auf die drohend heranziehende Wirtschaftskrise: Wer die Leitindustrie zerstört oder außer Landes treibt, dem werden die Arbeitsplätze wegbrechen und die schwarze Null in eine tiefrote umgepinselt werden. Während in Frankreich die Gelbwesten das Land rocken wegen ein paar Cents Benzinpreiserhöhung, akzeptieren die Deutschen die schleichende Enteignung, die stattfindet, weil sie ihre Autos verschrotten müssen und mit Null-Zinsen ihre Altersversorgung versenken, während die Inflation schon wieder über der 2-Prozent-Grenze liegt und das übrige erledigt.
Es ist nicht die Frage, ob es Friedrich Merz besser gemacht hätte; der Wirtschaftsflügel in der Union hat schon lange nichts mehr zu sagen. Ein paar Stimmen mehr für Merz hätten nichts daran geändert, dass die CDU nach links gerückt wurde und beschlossen hat, da zu bleiben. Merkel hat den Rücken frei, der Verdruss wächst. Man könnte es auch so sagen: Sicherlich meint es Alexander Gauland dieses mal ganz Ernst, wenn er Kramp-Karrenbauer (vermutlich) zum Sieg gratuliert.
Und Jens Spahn? Ein tolles Ergebnis, er ist der Mann von morgen. Stellt sich nur die Frage, ob die CDU dann überhaupt noch Kanzler kann.